ArchivDeutsches Ärzteblatt7/2017Hochintensiver fokussierter Ultraschall/HIFU (1): Erste standardisierte Studien laufen

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Hochintensiver fokussierter Ultraschall/HIFU (1): Erste standardisierte Studien laufen

Zylka-Menhorn, Vera

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In der Onkologie ist die lokale Therapie mit HIFU noch kein Standardverfahren. Dafür reicht die Datenlage bezüglich der Langzeitergebnisse nicht aus.

Nicht nur in der Arzneimitteltherapie, sondern auch in der Medizintechnik versucht man, für die Behandlung von Karzinomen zielgerichtete Methoden zu entwickeln. Eine solche minimalinvasive, lokale Therapieoption ist der hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU), bei dem das maligne Gewebe durch gebündelte Schallwellen erhitzt und denaturiert wird. Das Verfahren und seine Weiterentwicklungen werden auch als Ultraschallablation, Magnetresonanzgesteuerte fokussierte Ultraschallchirurgie (MR-HIFU) oder Pyrotherapie bezeichnet.

HIFU-Behandlung wird viel beworben

Im Rahmen der onkologischen Therapie wird der HIFU meist bei Patienten mit Prostatakarzinom eingesetzt. Man erhofft weniger Nebenwirkungen als bei den bisherigen Standardmethoden (radikale Prostatektomie und Strahlentherapie) bei gleich guten Ergebnissen. Obwohl die HIFU-Behandlung viel beworben wird, muss sich ihr langfristiger Nutzen hinsichtlich des onkologischen „outcome“ erst noch beweisen, sodass die Anwendung nur im Rahmen von Studienprogrammen empfohlen wird.

In frühen klinischen Studien wird derzeit erforscht, ob sich das Verfahren auch zur Behandlung anderer Tumoren eignet – zum Beispiel von Brustkrebs, Nierenkrebs, Leber- und Pankreaskarzinomen (siehe nachfolgenden Artikel), Schilddrüsen- und Hirntumoren. Zunehmende Bedeutung erlangt HIFU bei der palliativen Behandlung von Knochenmetastasen.

Beim HIFU-Verfahren werden Schallwellen mit Frequenzen im niedrigen Megahertz-(MHz-)Bereich durch geeignete Krümmung des Schallgebers (Transducers) oder durch zeitversetzte Ansteuerung mehrerer kleiner Schallgeber in einem Fokus gebündelt – ähnlich wie ein Brennglas Lichtstrahlen bündelt. Der Fokus befindet sich in einem Abstand von 1–20 cm vom Schallgeber. Die im Brennpunkt entstehende Temperatur erreicht bis zu 90 °C. Das Resultat ist eine Gewebenekrose, die vom Körper abgebaut oder abgestoßen wird.

In der Regel wird HIFU zur Therapie von frühen Stadien des Prostatakarzinoms eingesetzt. Hierfür wird ein Schallkopf in das Rektum eingeführt. Die Kopplung des Schallgebers mit der Schleimhaut wird mithilfe einer aus Wasser oder Gel bestehenden Vorlaufstrecke erreicht. Wasser oder Gel werden konstant auf 5 °C gekühlt, um den Darm vor Hitzeeinwirkung zu schützen. Ein Computer bestimmt dreidimensional den Behandlungsbereich und markiert diesen auf dem Ultraschallbild. Abhängig von der eingesetzten Technik wird vor der HIFU-Behandlung in der Regel eine Transurethrale Resektion der Prostata (TURP) durchgeführt, um die Rate an Blasenausgangsstenosen und postoperativen Harnretentionen zu senken. Nach der 2016 aktualisierten S3-Leitlinie* ist die HIFU-Therapie immer noch ein „experimentelles Verfahren“ beim lokal begrenzten Prostatakarzinom und „soll nur im Rahmen von prospektiven Studien angewendet werden“.

Nebenwirkungen und Effektivität

Nach einer HIFU kann es unmittelbar zu Schmerzen oder auch leichteren Verbrennungen kommen, das mitbetroffene Gewebe schwillt an, sodass die Patienten für einige Tage einen Blasenkatheter benötigen.

Weltweit sind bisher etwa 30 000 Patienten behandelt worden. Da der Tumor mit der ersten Gerätegeneration der rein Ultraschall-gesteuerten Modelle nicht eindeutig zu lokalisieren war, beziehen sich die bisherigen Studienergebnisse überwiegend auf eine Hemiablation der Prostata. Die Datenlage ist limitiert auf retrospektive Serien mit einer maximalen Nachbeobachtungszeit von 14 Jahren.

Zusammenfassend sind die onkologischen Ergebnisse vergleichbar mit denen der Strahlentherapie: Das 10 Jahre rezidivfreie Überleben beträgt 88 % (niedriges Risiko), 82 % (mittleres Risiko) und 48 % (hohes Risiko). Das Nebenwirkungsspektrum beinhaltet Impotenz (44–61 %), Inkontinenz (0–14 %) und anhaltende subvesikale Obstruktionen (bis zu 30 %), welche jedoch mit einer (neo)adjuvanten TURP behandelbar sind. Selten entstanden schwerwiegende Komplikationen wie rektale Fisteln (0,7–3,2 %).

Weiterentwicklungen durch Kombinationen

Ultraschalltherapien lassen sich inzwischen mit anderen bildgebenden Verfahren kombinieren, zum Beispiel mit der (multiparametrischen) Magnetresonanztomographie (mpMRT). Hierbei werden die mit einer Rektalsonde gewonnenen Ultraschallbilder mit den zuvor eingelesenen MRT-Bildern fusioniert. Auf dieser Grundlage können die Behandlungsareale dreidimensional geplant werden. Die Umsetzung erfolgt mithilfe des HIFU-Geräts computerassistiert.

Zudem wurde das klassische Verfahren zur MRT-Thermometriegesteuerten HIFU weiterentwickelt. Dadurch ist es möglich, während der gesamten Behandlung die Temperatur an jedem Punkt der Prostata in Echtzeit zu messen und somit die Behandlung besser zu steuern (Schonung von Rektum, Harnröhre, Erektionsnerven). Die neue Methode ist im Vergleich zu den Geräten der Erstgeneration mit einigen praktischen Veränderungen verbunden. Zum einen wird die Behandlung durch die Harnröhre durchgeführt (siehe Grafik).

Magnetresonanztomographie-geführte transurethrale Ultraschallablation
Grafik
Magnetresonanztomographie-geführte transurethrale Ultraschallablation

Hierfür wurde eine HIFU-Sonde entwickelt, die so dünn ist wie ein herkömmlicher Harnröhrenkatheter. Durch die Positionierung im Zentrum der Prostata können auch schwierige Tumorlagen (zum Beispiel im vorderen Teil der Prostata) besser erreicht werden. Zudem entfällt die oft im Vorfeld der Behandlung notwendige Verkleinerung der Prostata (TURP oder Greenlightlaservaporisation), da das Risiko für eine anschließende Blasenhalsvernarbung gering ist.

Mit der MRT-Thermometrie-gesteuerten HIFU ist es möglich, die Temperatur an jedem Punkt der Prostata in Echtzeit zu messen. Foto: Profound Medical
Mit der MRT-Thermometrie-gesteuerten HIFU ist es möglich, die Temperatur an jedem Punkt der Prostata in Echtzeit zu messen. Foto: Profound Medical

Dieses neuartige Verfahren wurde im Rahmen einer Phase-1-Studie an 30 Patienten auch an der Urologischen Klinik der Universität Heidelberg (n = 14) geprüft. Primäres Ziel war, die Sicherheit und Durchführbarkeit der Methode zu prüfen. Einschlusskriterien für die Teilnehmer waren: lokal begrenztes Prostatakarzinom (T1c–T2a, N0, M0), Alter ≥ 65, PSA ≤ 10 ng/ml, Gleason score 3+3 or 3+4). Danach wurden die Patienten (low-risk: 80 %, intermediate-risk 20 %) 12 Monate lang nachbeobachtet. Die Ergebnisse wurden im September in „European Urology“ veröffentlicht (2016; 70 (3): 447–55).

Der mittlere PSA-Wert verringerte sich in diesem Zeitraum von 5.8 ng/ml auf 0.8 ng/ml (0.6–1.1). Es traten weder intraoperative Komplikationen noch rektale Schädigungen oder Fisteln auf. Die Rate an erektiler Dysfunktion lag bei nur 8 %. Allerdings wiesen nach einem Jahr 16 Patienten wieder positive Biopsien auf – zwar mit einer 61%igen Reduktion der gesamten Karzinomlänge per Biopsiezylinder, „dennoch waren wir von diesen Ergebnissen überrascht“, berichtete Dr. med. Valentin Popeneciu, Urologische Klinik der Universität Heidelberg, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) in Hamburg. Die hohe Rate an positiven Biopsien führt er darauf zurück, dass in der Studie die für die Tumorzellen letale Dosis sehr vorsichtig mit einem Sicherheitsabstand zur Prostata von 1 bis 2 mm (± 1,3 mm) appliziert worden sei. Dadurch seien Tumorzellen von HIFU nicht erfasst worden.

In TACT geht man onkologisch aggressiver vor

Angesichts dieser Ergebnisse kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass eine weitere prospektive Untersuchung mit mehr Patienten und verringertem Sicherheitsabstand „zwingend“ erforderlich ist. Diese wird nun mit der Phase-2-Studie TACT realisiert. Eingeschlossen werden 110 Patienten im Alter von 45–80 Jahren, einem PSA-Wert von ≤ 15 ng/ml und einem Gleason score von ≤ 3+4.

Von deutscher Seite wird auch die Universitätsklinik Köln daran teilnehmen. Wie Prof. Dr. med. David Maintz, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie dem Deutschen Ärzteblatt sagte, handelt es sich um ein interdisziplinäres Projekt mit seinem urologischen Kollege, Prof. Dr. med. Axel Heidenreich. In TACT würde man besonderes Augenmerk auf die Nebenwirkungen der HIFU legten, wie zum Beispiel der erektilen Dysfunktion.

„In der Phase-1-Studie hatte man zur Sicherheit noch eine Grenze von residuellem Gewebe stehen gelassen. Die Konsequenz in der Nachbeobachtung war zwar eine hohe Rate an positiven Biopsien, aber eine Impotenzrate von nur 8 %“, so Maintz. In TACT gehe man nun onkologisch aggressiver vor, sodass mit einer Verdoppelung der Impotenzrate gerechnet werden müsse. Aber: Angesichts der hohen Impotenzraten der bisherigen Therapieoptionen wäre auch das als eine deutliche Verbesserung zu werten. „Meines Erachtens sind alle Ergebnisse, die in diesem Punkt unter 50 % liegen, bereits ein Erfolg für die Lebensqualität der Prostatakarzinom-Patienten.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

* http://d.aerzteblatt.de/QW88.

Magnetresonanztomographie-geführte transurethrale Ultraschallablation
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