POLITIK
Heil- und Hilfsmittelgesetz: Fachfremde Themen dominieren


Das Heil- und Hilfsmittelgesetz regelt nach rund einem halben Jahr parlamentarischer Diskussion immer mehr fachfremde Themen – darunter das Kodieren, den Mutterschutz und die Regelungen zum Finanzausgleich unter den Kassen.
Das Gesetz zur Heil- und Hilfsmittelversorgung hat sich in den vergangenen Monaten zu einem wahren Omnibusgesetz entwickelt: Ursprünglich sollten die Kassen mit dem Gesetz ausschließlich dazu verpflichtet werden, dass der Preiswettbewerb bei den Heil- und Hilfsmitteln nicht mehr zu Qualitätsmängeln bei den Produkten und bei der Patientenversorgung führen dürfen. Kassen müssen nun regelmäßig das Heil- und Hilfsmittelverzeichnis prüfen. Auch sollen Modellvorhaben zur Blankoverordnung bei Heilmittelerbringern erprobt werden.
Doch inzwischen enthält der Gesetzestext, der am 16. Februar im Bundestag abschließend beraten wurde, auch viele fachfremde Themen: So finden sich hier Verbote zum Upcoding bei Diagnosen, neue Regelungen zum Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen (Morbi-RSA) sowie Regelungen für Notfallsanitäter und zum Mutterschutz wieder.
Klarstellung zum Kodieren
Das Entlassmanagement hatte in der Anhörung zum Gesetz am 13. Februar wieder Kontroversen zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervorgerufen. Der Schiedsamtsspruch von Anfang Dezember 2016 sieht vor, dass jeder Krankenhausarzt eine lebenslange Arztnummer von den Kassenärztlichen Vereinigungen bekommen muss sowie jeder Patient Anspruch auf ein Entlassmanagement hat. Die DKG hat gegen den Schiedsspruch Klage eingereicht. DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum erklärte, dass die Vergabe der Arztnummern „ein hoher bürokratischer Aufwand“ wäre und mögliche Regressansprüche gegen das Krankenhaus, nicht den einzelnen Arzt gerichtet werden müssten. Auch zog er in Zweifel, ob jeder Patient ein Entlassmanagement bräuchte. Darauf erwiderte KBV-Chef Dr. med. Andreas Gassen: „Wenn Sie den Umfang der Patienten, die Anspruch auf Entlassmanagement haben, so einschränken, muss man schon fragen, ob diese Patienten überhaupt zur Versorgung in ein Krankenhaus gehören.“ Auf einen gemeinsamen Änderungsantrag zum Entlassmanagement konnte sich die Koalition allerdings nicht einigen.
Mit dem Gesetz soll es Klarstellungen bei dem Kodieren von Diagnosen geben: Um „mögliche Manipulationsanreize abzustellen“, so der Gesetzestext, soll der „Bestandsschutz bei Strukturverträgen eingeschränkt“ werden. Demnach sollen auch die zusätzliche Vergütung von Diagnosen, die nachträgliche Diagnoseübermittlung sowie die Kodierberatung als „unzulässig“ gelten und damit verboten werden. Nach dem Plädoyer einiger Experten in der Anhörung solle dies nicht nur für Verträge der Integrierten Versorgung nach § 140 a SGB V sowie nach § 73 c, sondern auch für Selektivverträge wie der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach § 73 b gelten. Dem stimmten die Mitglieder des Gesundheitsausschusses nach Ende der Anhörung offenbar zu.
Beim Thema Qualität der Kodierungen sieht die KBV sich gut aufgestellt. Auch Dr. med. Astrid Bühren, die für den Ärztinnenbund befragt wurde, erklärte, dass es genügend fachliche Unterstützung bei der Kodierung gäbe. „Wir wollen unsere Diagnosen ethisch richtig kodieren. Das ist ein Signal an Patienten, dass wir ihre Erkrankungen korrekt darstellen.“ Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sieht dies anders: Seiner Meinung nach sei die Qualität der Diagnosen hoch, „aber es gibt keine verbindliche Regelung beim Kodieren.“ Daher plädierte er vor den Abgeordneten für allgemeine Kodierrichtlinien.
Gutachten zum Morbi-RSA
Zusätzlich werden in dem Gesetz auch Regelungen zum Morbi-RSA enthalten sein. Dabei geht es um die Frage, wie ein möglicher Regionalfaktor in der Berechnung der Zuteilung der Kassengelder künftig genutzt werden soll. Momentan wird die Region, in der ein Patient lebt und versorgt wird, verschlüsselt erhoben, die Daten können nur zu Zwecken der Versorgungsforschung verwendet werden. Einige Experten und Kassen wollen aber erreichen, dass die Daten bereits für das aktuelle Sondergutachten zum Morbi-RSA genutzt werden. „Es wäre gut, wenn wir hier die Daten schon hätten und nicht auf einem Auge blind wären“, erklärte Prof. Dr. rer. pol. Volker Ulrich, Universität Bayreuth und Mitglied des Expertenbeirates beim Bundesversicherungsamt (BVA), in der Anhörung. Zur Evaluation des Morbi-RSA hatte die Bundesregierung bereits ein Gutachten beauftragt, dass bis Ende Herbst 2017 vorliegen soll. Ulrich bezeichnete diesen Zeitrahmen als „sportlich“. Für die Erarbeitung des Gutachtens wird der Wissenschaftliche Beirat des BVA um zwei Experten erweitert: So sind Prof. Dr. Wynand van de Ven, Lehrstuhlinhaber für Theorie der Krankenversicherung an der Universität Rotterdam, sowie Prof. Dr. Achim Wambach, seit 2016 Vorsitzender der Monopolkommission, berufen worden. Ein erstes Treffen des dann neunköpfigen Expertenbeirates soll noch im Februar stattfinden.
Rebecca Beerheide
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