POLITIK
Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung: Mehr Licht für eine Grauzone


Der vor einem Jahr neu geschaffene § 217 des Strafgesetzbuches verbietet die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin erläutern die Auswirkungen für Ärzte.
Professionelle Hilfe beim Sterben – was die einen für geboten halten, lehnen andere ab. Grund für die große Diskrepanz bei dieser emotional besetzten Frage sind nicht nur verschiedene innere Haltungen, sondern auch ein unterschiedliches begriffliches Verständnis sowie eine mangelnde Kenntnis der nunmehr seit einem Jahr geltenden Rechtslage.
Im November 2015 verabschiedete der Deutsche Bundestag nach einer zweijährigen gesellschaftlichen Debatte ein Gesetz, das die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe stellt. Ziel ist es, auf Wiederholung angelegte, organisierte Formen des assistierten Suizids durch Sterbehilfevereine oder einzelne Sterbehelfer zu unterbinden.
In § 217 des Strafgesetzbuchs heißt es: „Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Angebote wie jene des Vereins Sterbehilfe Deutschland des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch sind damit seitdem untersagt. Nahestehende Personen eines Todkranken sind von der Strafandrohung ausgenommen. Doch wie sieht es mit Ärztinnen und Ärzten aus, die regelmäßig schwerkranke und sterbende Menschen betreuen?
Viele von ihnen sind auch ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Dezember 2015 verunsichert, wo die ärztliche „Hilfe beim Sterben“ endet und die „Hilfe zum Sterben“ beginnt. Wann ist die Grenze zur Strafbarkeit erreicht? Der Ausschuss für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer möchte Abhilfe schaffen und hat Hinweise und Erläuterungen für die ärztliche Praxis bezüglich des Verbotes der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung erarbeitet, die in diesem Heft als Bekanntgabe veröffentlicht werden (Seite 334).
Erläuterungen für Ärzte
Diese weisen darauf hin, dass die Erläuterungen sowohl die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung berührt lassen und als auch die Eigenverantwortlichkeit des Arztes in der konkreten Situation nicht berühren. „Das Gespräch über den Wunsch des Patienten, zu sterben oder sein Leben zu beenden, gehört zum Kern der ärztlichen Tätigkeit. Die Mitwirkung bei der Selbsttötung ist jedoch keine ärztliche Aufgabe“, stellen die Mitglieder des Ausschusses klar, der vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, geleitet wird.
Mehr Klarheit möchte auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) schaffen, die eine Übersicht zu den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen aus palliativmedizinischer, ethischer und juristischer Sicht erstellt hat (nachfolgender Beitrag). Für den DGP-Präsidenten Prof. Dr. med. Lukas Radbruch und dem Medizinjuristen Dr. jur. Oliver Tolmein steht jedoch fest: „Zwischen einer auf die Herbeiführung des Todes zielenden Suizidbeihilfe und einer Palliativversorgung von schwer kranken Menschen bestehen deutliche Unterschiede, die klar erkennbar und benennbar sind.“
Wie notwendig solche Erläuterungen der Gesetzeslage sind, zeigt auch ein Blick auf die Gerichte: Gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes gingen mehrere Verfassungsbeschwerden dagegen ein – und zwar mit unterschiedlicher Zielrichtung.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Sterbehilfe: Oft verwirrende Terminologie
- Sterbebegleitung: Dazu zählen alle Maßnahmen, die in der letzten Phase des Lebens mit dem Ziel erfolgen, Leben zu verlängern und/oder Leiden zu mildern, insbesondere Maßnahmen der palliativen Versorgung. Diese sind bei Vorliegen einer entsprechenden Indikation und in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten auch dann zulässig und geboten, wenn eine lebensverkürzende Nebenwirkung nicht ausgeschlossen werden kann (früher: „indirekte Sterbehilfe“). Der Tod des Patienten ist aber weder direkt noch indirekt das Ziel des Handelns.
- Behandlungsbegrenzung: Auch eine Behandlungsbegrenzung (früher: „passive Sterbehilfe“) ist zulässig und geboten, wenn die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht oder nicht mehr indiziert sind oder sie dem Willen des Patienten nicht oder nicht mehr entsprechen. Man versteht darunter das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden lebenserhaltender Maßnahmen.
- Beihilfe zur Selbsttötung: Assistierter Suizid beziehungsweise „direkte Sterbehilfe“ liegt vor, wenn Ärzte oder andere Personen dem Patienten ein todbringendes Mittel verschaffen oder ihn auf andere Weise bei der Vorbereitung oder Durchführung einer eigenverantwortlichen Selbsttötung unterstützen.
- Tötung auf Verlangen: Darum handelt es sich, wenn man jemandem auf dessen Wunsch hin eine tödliche Überdosis an Medikamenten verabreicht oder auf medizinisch nicht angezeigte Weise eingreift, um seinen Tod herbeizuführen, der krankheitsbedingt noch nicht eintreten würde.