

Die Übersichtsarbeit zu dieser Therapieform (1) zeigt eindeutig deren schwache internationale Evidenzlage auf. Zudem stellt sich die Frage der rechtlichen Legitimation einer spende- und nicht mehr patientenzentrierten Therapie im zeitlichen Kontext. Mit Hinweis auf Richtlinien der Bundesärztekammer, Transplantationsgesetz (TPG) und eine Stellungnahme des nationalen Ethikrates wird der Eindruck generell rechtlicher Zulässigkeit erweckt; dabei ist die organprotektive Therapie weder vom Gesetz- noch vom Richtliniengeber in einer am Patientenwillen ausgerichteten Form hinreichend berücksichtigt worden. Gerade die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates enthält zahlreiche rechtliche Bedenken zur spenderzentrierten Therapie – insbesondere vor und während der Feststellung des Hirntodes („irreversiblen Hirnfunktionsausfalls“) (2).
Ob ein Kreuz zur Organspende auf dem Organspendeausweis außerdem ausreicht, eine mutmaßliche Einwilligung des sterbenden (aber noch lebenden) oder des bereits verstorbenen „Hirntoten“ für diese Therapie abzuleiten, ist als allgemeingültige Aussage eine nicht belegte Fiktion und im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Konkretisierung von Patientenverfügungen mehr als fraglich (BGH, 6. 7. 2016–XII ZB 61/16; zur internationalen Diskussion über die Gleichsetzung von Hirntod und Individualtod [2, 3]). Bei einer therapiebegrenzenden Patientenverfügung, die intensivmedizinische Maßnahmen bei infauster Prognose ausschließt, kann dem Kreuz kaum ein Vorrang unterstellt werden. Trotz der mit der Entscheidungslösung vorgesehenen Aufklärung der Bevölkerung nach § 2 TPG lässt sich den Informationsbroschüren der einschlägigen Organisationen zur organspezifischen Therapie so gut wie nichts entnehmen. Warum wohl? Gut informierte Patienten würden ein solches Prozedere vielleicht ablehnen, so wie Studienteilnehmer sich gegen eine Organspende aussprechen, wenn keine apparative Hirntodfeststellungsdiagnostik erfolgt (4).
Mit einer evidenzschwachen „Therapieform“ bei unklarem oder entgegenstehendem mutmaßlichen Willen des Patienten kann man sich rechtlich auf dünnes Eis begeben. Klare Informationen der Bevölkerung zu diesen Aspekten und patientenorientierte gesetzliche Vorgaben im TPG könnten helfen, das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zu stärken.
DOI: 10.3238/arztebl.2017.0137a
Assessor Prof. Dr. med. Dr. med. habil Markus Parzeller
Institut für Rechtsmedizin,
Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt/Main
parzeller@em.uni-frankfurt.de
Barbara Zedler
Institut für Rechtsmedizin,
Universitätsklinikum Gießen/Marburg
Prof. Dr. med. Marcel A. Verhoff
Institut für Rechtsmedizin,
Universitätsklinikum der Goethe-Universität,
Frankfurt/Main
1. | Hahnenkamp K, Böhler K, Wolters H, Wiebe K, Schneider D, Schmidt HHJ: Organ-protective intensive care in organ donors. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 552–8 VOLLTEXT |
2. | Deutscher Ethikrat: Hirntod und Entscheidung zur Organspende. Stellungnahme vom 24.2.2015. S. 41 ff.: zu organprotektiven Maßnahmen; S. 71 ff.: zur „Kontroverse über die Hirntodkonzeption“; www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-hirntod-und-entscheidung-zur-organspende.pdf (last accessed on 5 September 2016). |
3. | Markert L, Bockholdt B, Verhoff MA, Heinze S, Parzeller M: Renaissance of criticism on the concept of brain death–the role of legal medicine in the context of the interdisciplinary discussion. Int J Legal Med 2016; 130: 587–95 CrossRef MEDLINE |
4. | Markert L, Ackermann H, Verhoff MA, Parzeller M: Der (Hirn-)Tod und seine Feststellung. Rechtsmedizin 2016; 26: 264–72 CrossRef |
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International Journal of Legal Medicine, 202010.1007/s00414-019-02130-0