MEDIZIN: Der klinische Schnappschuss
Ist idiopathisch auch immer idiopathisch? Was uns die Zähne verraten können
Is idiopathic always idiopathic? What the teeth can tell us
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Eine 25-jährige Patientin stellt sich in der Abteilung für Parodontologie aufgrund einer generalisiert hyperplastisch geschwollenen Gingiva vor. Im Rahmen der weiteren Befunderhebung wird der Nüchternblutzucker überprüft. Dieser ist unauffällig (01/2013: 97 mg/dL), die Entzündungsparameter sind erhöht (01/ 2013: BSG: 90 mm/Stunde; C-reaktives Protein (CRP): 1,9 mg/dL; Leukotzyten 11,1 Tsd/µL). Der Body-Mass-Index (BMI) der Patientin liegt über 30. Da keine systemische Komponente erkennbar ist und keine Medikamentenanamnese vorliegt, wird zunächst von einer idiopathischen Gingivahyperplasie in Assoziation mit einer chronischen Parodontitis ausgegangen. Die systematische nichtchirurgische Parodontaltherapie mit adjuvanten Antibiotika führte zu einigen Verbesserungen, jedoch nicht zu einer Resolution der Hyperplasie. Die erneute Kontrolle der Blutwerte nach einem Jahr zeigt einen erhöhten Nüchternblutzucker (03/2014: 204 mg/dL) und einen HbA1c von 9,5 %. Durch antidiabetische Therapie und Weiterführung der lokal-mechanischen Maßnahmen gelingt eine nahezu vollständige Resolution der gingivalen Hyperplasie.
Fazit: Bei Gingivahyperplasie sollte auch bei normalem Nüchternblutzucker die Diagnostik hinsichtlich eines Diabetes mellitus intensiviert werden.
Prof. Dr. med. dent. Anton Friedmann, Dr. med. dent. Matthias Becker, Department Zahn-, Mund-, Kieferheilkunde, Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Parodontologie
Prof. Dr. med. Hans Jürgen Heppner,, Lehrstuhl für Geriatrie Universität Witten/Herdecke, HELIOS Klinikum Schwelm, Klinik für Geriatrie, Hans.Heppner@uni-wh.de
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Zitierweise
Friedmann A, Becker M, Heppner J: Is idiopathic always idiopathic? What the teeth can tell us. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 158. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0158
The English version of this article is available online: www.aerzteblatt-international.de
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