

Große braungrundige Schilder weisen seit Ende Mai im Ruhrgebiet auf die neuen Sehenswürdigkeiten hin.
Anfang der neunziger Jahre sollten die Anlagen der stillgelegten Bergwerke, Hochöfen, der Zechen und
Kokereien zunächst abgerissen werden. Was sollte man zum Beispiel mit dem überflüssigen Gasometer in
Oberhausen machen, wenn nicht abreißen? Bürgerinitiativen bewiesen schließlich, daß mit Einfallsreichtum die
Industriedenkmäler durchaus zu neuem Leben erweckt werden können.
So sieht der Besucher zur Zeit im Oberhausener Gasometer Dokumentations-Ausstellungen der Projekte "The
Umbrellas" und "Verhüllter Reichstag" von Christo und Jeanne-Claude. Eine Treppe höher steht der Besucher
vor einer sich 26 Meter hoch auftürmenden Wand - "The Wall" - aus 13 000 farbig bemalten Fässern, ebenfalls
von Christo und Jeanne-Claude. Darüber schimmert seidenmatt das stählerne, himmelhohe Rund der Tonne, in
mehr als hundert Meter Höhe bekrönt von einem kuppelartigen Fensterkranz, durch den fast mystisches
Tageslicht hereinfällt. Oberhausen, einst Zentrum der Schwerindustrie, liegt heute in grüne Landschaften und
Parks eingebettet. Das ist verblüffend für den, der sich das Ruhrgebiet als mit dampfenden Schloten, bleigrauem
Himmel und vom Ruß schwärzlich verfärbten Häusern vorstellt. So war es teilweise früher, wie alte Fotos im
Rheinischen Industriemuseum Oberhausen zeigen, in dem außer der Geschichte der Stahlindustrie und
Arbeitsprozessen des Zinkgießens und -verarbeitens alte Walzen, Dampfmaschinen und ein zehn Meter hoher
Stahlhammer zu bestaunen sind.
In Essen wurde in der ehemaligen "Kokerei Zollverein" in spektakulärer Weise in den jetzt miteinander
verbundenen riesigen Trichtern die Ausstellung "Sonne, Mond und Sterne" über künstlich entstandene Eta-gen
inszeniert. Künstlerisches und Naturwissenschaftliches zum Thema Energie führt von der letzten Eiszeit bis in
die Zukunft. An einer großen Wand mit Monitoren erglüht auf Knopfdruck die Geburt einer Sonne, entpuppt
sich eine Raupe, erstrahlt das Innere einer Glühbirne oder leuchten verwirrende Hirnwindungen auf. Ein mit
Leuchtstäben erbautes Sonnenkraftwerk ist zugleich Architekturkunstwerk.
Auf dem ehemaligen Gelände des Thyssen-Hüttenwerks ist der Landschaftspark Duisburg-Nord entstanden mit
einem zu besteigenden gewaltigen Hochofen. Kilometerweit ist bei der Weiterfahrt der 60 Meter hohe Tetraeder
von allen Seiten gegen den blauen Himmel zu sehen, im Volksmund "Orakel von Bottrop" genannt, der auf der
mit 90 Metern höchsten Halde des Reviers steht. Das auf vier Stahlsäulen balancierende stählerne Röhrengerüst
scheint wie eine luftige Pyramide über der Halde zu schweben. Es ist ein Erlebnis besonderer Art, über die
langen, schwebend eingehängten Stahltreppen bis zur obersten Plattform aufzusteigen.
Die fast verfallene Anlage des Schiffshebewerks Henrichenburg bei Waltrop, 1899 von Kaiser Wilhelm
eingeweiht, strahlt wieder in viktorianischem Glanz. In nur zweieinhalb Minuten wurden schon vor hundert
Jahren bis zu 800 Tonnen schwere Lastkähne im Trog um 14 Meter gehoben oder gesenkt.
Renate V. Scheiper
Informationen
- Gasometer Oberhausen: täglich 10 bis 20 Uhr, Eintritt: 10 DM, ermäßigt 7 DM, Kinder und
Jugendliche unter 18 Jahren 7 DM, Familien 20 DM, Tel 02 08/80 37 45; Christo-Ausstellung bis 3. Oktober
- Industriemuseum Oberhausen: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Eintritt: 5 DM,
Tel 02 08/8 57 92 81
- Schiffshebewerk Henrichenburg: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt 4 DM, ermäßigt 2 DM, Tel 0 23
63/9 70 70
- Ausstellung "Sonne, Mond und Sterne" Kokerei Zollverein bis 31. Oktober 1999, geöffnet täglich 10 bis 20
Uhr, freitags bis 24 Uhr, Eintritt 10 DM, ermäßigt 5 DM, Familie 20 DM, Tel 02 01/8 30 90 90, Katalog 29,80
DM
- Landschaftspark Duisburg-Nord 24 Stunden geöffnet, Eintritt unentgeltlich. Tel 02 03/4 29 19-30
- Die vom Zirkus Roncalli inszenierte Landesgartenschau Oberhausen überrascht die Besucher mit
Themenparkfesten bis zum 31. Oktober.
Das 138seitige Programm zu den einzelnen Objekten ist unentgeltlich erhältlich: Ruhrgebiet Touristik Zentrale,
Königswall 21, 44137 Dortmund, Tel 02 31/1 81 61 86, Fax 1 81 61 88. Informationen: Tel 01 80/4 00 00 86.
Internet: www.route-industriekultur.de RVS
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