ArchivDeutsches Ärzteblatt13/2017Fachberufe im Gesundheitswesen: Digitalisierung bedeutet Wandel

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Fachberufe im Gesundheitswesen: Digitalisierung bedeutet Wandel

Krüger-Brand, Heike E.

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Der Einsatz neuer Technologien verändert die Arbeitswelt der Gesundheitsberufe grundlegend. Diese sind darauf jedoch noch nicht ausreichend vorbereitet.

In der Labormedizin ersetzen IT-gestützte Prozesse zunehmend mechanische Tätigkeiten. Foto: iStockphoto/7postman
In der Labormedizin ersetzen IT-gestützte Prozesse zunehmend mechanische Tätigkeiten. Foto: iStockphoto/7postman

Wie wirkt sich die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe aus, und welche Kompetenzen benötigen sie künftig für die Patientenversorgung? Mit diesen Fragen befasste sich die 29. Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen bei ihrer Jahrestagung am 8. März im Haus der Bundesärztekammer (BÄK) in Berlin.

Der demografische Wandel mit der Zunahme chronischer Erkrankungen einerseits und die fehlenden personellen Ressourcen in allen Gesundheitsberufen andererseits „zwingen uns zu engerer Kooperation“, betonte Dr. med. Max Kaplan, Vize-Präsident der BÄK und Vorsitzender der Fachberufekonferenz. „Die Digitalisierung wird zu einer stärkeren Vernetzung der Patientenversorgung beitragen. Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und Gesundheitsfachberufe werden leichter und effizienter Informationen austauschen können“, erklärte er. „Unsere Berufsbilder werden sich ändern, und wir müssen uns darauf einstellen und dem auch gerecht werden“, so Kaplan. Voraussetzung für den Nutzen der Digitalisierung sei aber, dass sich die neuen technischen Möglichkeiten ohne Reibungsverluste in die Arbeitsabläufe einfügen.

Welche Möglichkeiten digitale Technologien im Versorgungsalltag für Patienten und Behandler bieten, verdeutlichte Prof. Dr. Sascha Sommer von der Hochschule für Gesundheit, Bochum, anhand der logopädischen Behandlung von Sprech- und Sprachstörungen. Die Anwendungen reichen von einfachen Youtube-Videos etwa zur Visualisierung sprechmotorischer Abläufe bei kindlichen Aussprachestörungen bis zu ausgefeilten, evidenzbasierten Technologien. So kann die Kasseler Stottertherapie, die logopädische und verhaltenstherapeutische Aspekte verbindet, inzwischen auch als Internettherapie absolviert werden. Ein weiteres Beispiel ist eine speziell für Aphasiepatienten nach Schlaganfall entwickelte App, die ergänzend zur Präsenztherapie genutzt wird.

App-Beratung ist gefragt

Der Einsatz dieser Technologien verändert dabei auch die Beziehungen und Interaktionen zwischen Patienten und Behandelnden. Patienten erwarten von Letzteren inzwischen eine sachkundige Beratung zu Medizin-Apps und anderen E-Health-Angeboten. Apps werden zum Beispiel in der Diabetes-Beratung und beim Krankheitsmanagement immer wichtiger, nachgefragt vor allem von den jüngeren Typ-1-Diabetes-Patienten. Derzeit ist der Markt der Gesundheits-Apps jedoch intransparent. Maßnahmen zur besseren Verbraucherorientierung sind aus Sicht der Fachberufekonferenz daher dringend nötig. Zu gewährleisten seien die Transparenz bei der Datenverarbeitung und die Kontrolle der Nutzer über ihre Daten.

Anpassungsbedarf an neue Anforderungen besteht zudem in der Aus- und Fortbildung. Derzeit seien die Gesundheitsfachberufe nicht ausreichend auf die Herausforderungen der digitalen Technologien vorbereitet, kritisierte Prof. Dr. Manfred Hülsken-Giesler, Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar. Im Hinblick auf die Technikentwicklung seien die Verbände oft zu defensiv. Technikentwicklung müsse die Partizipation der Gesundheitsfachberufe mit beinhalten. Das erfordere etwa auch die Beherrschung von IT-Technologien.

Wie stark digitale Technologien bereits den Alltag vor allem der technischen Gesundheitsberufe dominieren, demonstrierte Andreas Pfeiffer vom Klinikum Stuttgart mit Beispielen aus der Strahlentherapie und der Labormedizin. Dort folgen viele Abläufe inzwischen den Prinzipien einer computerintegrierten Produktion, wie sie unter dem Schlagwort Industrie 4.0 in anderen Branchen schon länger üblich sind. Die Prozesse beim Planungs-CT oder in der Laborautomation sind hochstandardisiert. Der Ersatz mechanischer Arbeit durch IT erfordert ein deutlich höheres Abstraktionsvermögen als bisher. Risiko-, Prozess- und Ausfallmanagement erhalten einen immer höheren Stellenwert. Diese Kompetenzen müssen auch in den entsprechenden Ausbildungs- und Prüfungsordnungen sowie in der Fortbildung berücksichtigt werden.

Heike E. Krüger-Brand

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