MANAGEMENT
Kommunikation mit Demenzerkrankten: Eintauchen in eine andere Welt


Mit Kindern kann man argumentieren, nicht aber mit Demenzerkrankten. Bei ihnen gelten andere Kommunikationsregeln. Bezugspersonen müssen sich anpassen.
Sie wiederholen bereits Erzähltes, laufen weg, sind ängstlich, anhänglich oder auch aggressiv. Einige halluzinieren, vergessen den Namen von Gegenständen, können dem Gespräch nicht folgen oder erkennen ihren Gesprächspartner nicht wieder, misstrauen und beschuldigen ihn. Das alles gehört in der Kommunikation mit Demenzpatienten zur Tagesordnung. Dennoch muss das Gespräch nicht zwangsweise schwierig verlaufen. Eines muss Ärzten, Pflegern und Angehörigen dabei klar sein: „Wir können Menschen mit Demenz nicht in unsere Welt zurückholen“, erklärt Kirsten Tammen, Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus Wittmund. Stattdessen fordert die Demenzexpertin die Teilnehmenden einer Fortbildung der Ärztekammer Niedersachsen dazu auf, den Blickwinkel zu ändern. „Wir müssen unsere Kommunikation ändern, aufhören ständig zu korrigieren und stattdessen in die Welt der Demenzpatienten eintauchen“, lautet ihr Tipp.
Eine Kommunikationstheorie, die im Umgang mit dementen oder auch verwirrten Menschen hilfreich sein kann, ist die klientenzentrierte Gesprächsführung. Sie wurde von Carl R. Rogers, einem US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten entwickelt und basiert auf drei Säulen: Empathie, Authentizität und Akzeptanz. Die Gerontologin Naomi Feil und Nicole Richard erweiterten das Konzept um die Validation, die dazu auffordert Verhaltensweisen und Äußerungen von verwirrten und dementen Menschen wertzuschätzen und einfühlsam zu akzeptieren. Mit knappen, klaren und personenbezogenen Formulierungen vermittelt man dabei Kontinuität und Sicherheit.
Aber was bedeuten diese Theorien für die Praxis? Ein Beispiel: Ein demenziell erkrankter Patient will beim Mittagessen vom Tisch aufstehen, um seine Frau am Bahnhof abzuholen. Er hat Angst diesen Termin zu verpassen. Obwohl seine Frau nicht mehr lebt, sagt er immer wieder: „Ich darf ihre Ankunft nicht verpassen.“ Die Bezugsperson sollte zunächst die Emotionen und Gewohnheiten des Patienten wahrnehmen und diese direkt und wertschätzend benennen. Etwa so: „Sie sind sehr unruhig und besorgt, das Treffen zu verpassen.“ „Zu spät kommen sollte man nicht. Sie sind gerne pünktlich. Auf Sie ist Verlass.“ Der Fokus der Reaktion sollte nicht auf den Defiziten liegen. Belehrende Aussagen wie, „Ihre Frau wird nicht am Bahnhof sein“ oder „Sie kennen den Weg zum Bahnhof doch gar nicht,“ sind hingegen unangebracht. Fokussiert sich der Betreuer auf die positiven Eigenschaften, könne aus einem Defizit ganz schnell eine Ressource werden, ist sich Tammen sicher. Die „Wegläuferin“ wird zur fürsorglichen Mutter, der „Wühler“ zum Ordnungsliebenden, der nervige „Frager“ zum Interessierten, die „laute Brüllerin“ zur liebesuchenden Frau, die „Unruhige“ zur pünktlichen Dame.
Schlüsselreize nutzen
Bleibt die Angst das vorherrschende Gefühl, sollten keine Notlügen zum Einsatz kommen. Ein positives Grundgefühl bei Menschen mit Demenz kann durch Schlüsselreize ausgelöst werden. Dabei thematisiert man bestimmte Ereignisse, an die sich der Patient erinnert und die er mit seinem Leben assoziieren kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Betreuer den Patienten und seine Geschichte kennt. Hatte dieser vielleicht eine Leidenschaft für Wandern, eine bestimmte Musik oder einen Fußballverein? Dann könnte eine Aussage wie „Toll, wie Hannover 96 damals als erster Zweitligist den DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach gewonnen hat.“ dem Patienten innerhalb kürzester Zeit die Angst nehmen und seine Gedanken auf dieses positive Ereignis lenken.
Emotionale Verständigung
In der späteren Krankheitsphase steht häufig eine nonverbale Kommunikation im Vordergrund. Emotionale Verständigungsformen werden zunehmend wichtig. Wie Bezugspersonen Demenzpatienten berühren und wie nahe sie ihnen kommen, zeigt ihnen, ob sie gemocht werden. „Demenziell veränderte Menschen kommunizieren sehr emotionsbezogen und spiegeln dabei oftmals das Verhalten ihres Gegenübers wider“, sagt Monika Wagemester, Abteilungsleiterin am Bildungszentrum des Klinikums Region Hannover. Körpersprachliche Signale anderer Menschen, die gute Laune, Wut oder Unruhe ausdrücken wirken ansteckend. „Sie bemühen sich zu verstehen, warum ein anderer Mensch ruft oder klopft und imitieren dabei das Verhalten“, erklärt Wagemester. Im Gespräch rät sie, die Patienten immer von vorne anzusprechen, sie dabei anzusehen und das Gesagte durch Mimik, Gestik und Berührungen zu unterstreichen. Der Klang der Stimme und die Körperhaltung verrät Demenzpatienten, ob der Betreuer entspannt oder gestresst ist. Eine entgegengestreckte Hand deuten sie als willkommenheißende Geste, ein Winken als Gruß.
Eine besondere Kommunikation ist bei Demenzpatienten angebracht, wenn sie im Sterben liegen. „Auch sie ahnen, dass der Tod naht und spüren die Hilflosigkeit der Begleiter“, sagt Tammen. Offene Gespräche, Berührungen und eine wertschätzende Haltung sollten daher bis ans Lebensende an erster Stelle stehen.
Kathrin Gießelmann
Kommunikations-Tipps
So gelingt das Gespräch mit Demenzerkrankten am besten:
- von vorne ansprechen
- Blickkontakt beim Gespräch halten
- mit vollem Namen ansprechen
- den Arm beim Gespräch berühren, um Sicherheit zu vermitteln
- kurze und klare Sätze formulieren
- positiv besetzte Schlüsselreize nutzen
- positive Eigenschaften wertschätzen, statt Defizite zu betonen
- Sätze durch Gestik oder Zeigen auf Gegenstände verständlicher
machen - Äußerungen wiederholen, nicht variieren
- „Ich“- statt „man“-Aussagen
Was man besser vermeiden sollte im Gespräch:
- mit dem Demenzkranken verstummen
- Reizwörter wie Geld, Krieg, Krankenhaus, Nein, trotzdem usw.
- schimpfen, argumentieren und zurechtweisen
- Ironie und Verständnisfragen
- Negativformulierungen können zu Missverständnissen führen
- Babysprache
Die wichtigsten psychischen Bedürfnisse
Im Mittelpunkt steht die Liebe, umgeben von Bindung, Trost, Identität, Einbeziehung und Beschäftigung. (nach Kitwood 2004, S.122)
Häufige Fehler
- Hektik zeigen, keine Zeit aufbringen
- den Patienten belehren und argumentieren
- Kommunikation von oben herab: der Arzt steht, der Patient liegt
- fehlendes Verständnis für die Lebenswirklichkeit des Erkrankten
- stationäre Untersuchungen, die auch ambulant laufen könnten
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