MEDIZINREPORT
Ophthalmologie: Perfektes Sehen durch innovative Produkte und OP-Techniken


Neueste Technologien erobern die Ophthalmologie: Dazu gehören unter anderem elektronische Netzhautimplantate, Femtosekundenlaser und Linsenchirurgie. Damit werden höhere funktionelle Erfolgsraten erzielt.
Blindheit zu verhindern ist zweifellos das oberste Ziel in der Ophthalmologie, sieht man von jenen relativ seltenen Krankheitsbildern wie zum Beispiel den malignen okulären Tumoren ab, in denen, ähnlich wie in manch anderen Disziplinen, die vitale Prognose im Mittelpunkt ärztlicher Bemühungen steht. Während global die häufigste Erblindungsursache in vielen ärmeren Ländern aufgrund mangelnder ophthalmochirurgischer Infrastruktur nach wie vor ein reversibles Leiden ist, die Katarakt („grauer Star“, meist altersbedingte Linsentrübung), gehen Erblindungen in den westlichen Industrienationen fast immer auf ein irreversibles pathologisches Geschehen, typischerweise einen Zell-untergang von Photorezeptoren, zurück.
Modernste Technologie bei Retinopathia pigmentosa
Ein solcher spielt sich bei der Retinopathia pigmentosa (RP) ab, eine vor allem junge Erwachsene (Häufigkeit etwa 1/4 000) betreffende degenerative Erkrankung der Netzhaut, bei der sich das Gesichtsfeld immer mehr einengt und der Betroffene schließlich blind wird. Bei einigen Patienten hat man mit modernster Technologie den Prozess zumindest in Maßen umkehren können – eine neue, nach den Worten von Prof. Dr. med. Eberhard Zrenner (Tübingen) „ante portas“ stehende Behandlungsmöglichkeit.
Auf dem 1. Kongress der Swiss Academy of Ophthalmology (SAoO) berichtete Zrenner von ersten Erfolgen mit elektronischen Netzhautimplantaten: Eindrucksvolle Videos zeigten bislang faktisch blinde RP-Patienten, denen erstmals wieder eine – wenn auch vorsichtige – räumliche Orientierung gelang, das Erkennen von Geschirr auf einem Tisch oder in einem Fall das Lesen des eigenen Namens – in etwa 10 cm großen Buchstaben.
Der Chip wird unter die Netzhaut (subretinal) implantiert und ersetzt die natürlichen, bei der RP untergegangenen Fotorezeptoren; die Bildverarbeitung der kaum geschädigten inneren Netzhaut kann weiterhin benutzt werden. Im Gegensatz zu einem anderen elektronischen Chip, der weiter entfernt von dieser Zellschicht eingesetzt wird (epiretinal), kommt der Alpha-AMS-Chip ohne an eine Brille befestigte Kamera oder ein anderes, äußerlich am Kopf sichtbares Hilfsmittel aus. Der mit 1 600 Elektroden ausgestattete AMS hat 2013 das CE-Kennzeichen erhalten und ist das Nachfolgemodell des IMS-Chips, der bei 40 Patienten eingesetzt wurde. Das Alpha-AMS-Retina-Implantat einer Größe von 3 980 x 3 180 µm wurde seit 2014 an 4 operativen Zentren bei bislang 15 Patienten implantiert.
Zwar war das Vorgängermodell funktionell erfolgreich: 72 % der Patienten erreichten den primären (signifikante Verbesserungen im täglichen Leben, vor allem bei der Mobilität) und 86 % den sekundären Endpunkt (Verbesserung der Sehschärfe oder der Lichtperzeption), doch das Problem war die auf rund 1 Jahr begrenzte Lebensdauer.
Diese wurde signifikant verbessert: Für den Alpha AMS geht man von im Schnitt etwa 4,7 Jahren der Nutzung aus. 14 der 15 Patienten haben mit diesem Chip wieder Lichtwahrnehmung, 12 von ihnen eine messbare Sehschärfe von maximal 0,07. Eine Verbesserung der Alltagssituation – typischerweise nach einer etwa 4-wöchigen Lernphase – gaben 10 der 15 Patienten an. Nicht beherrschbare unerwünschte Ereignisse wurden nach Zrenners Worten nicht beobachtet. Verschiedentlich übernehmen die Kassen die Kosten – das Implantat und seine Positionierung im Auge kosten rund
95 000 Euro.
Neuer Typ von Kunstlinse nach Kataraktoperation
Während in der Technologie des Netzhautchips zur Restitution des Sehens bei Augen kleine Erfolge schwerwiegen und das maximale Ergebnis eines 7-%igen Sehvermögens für die Betroffenen einen gewaltigen Schritt hin zu Selbstständigkeit und Lebensqualität bedeutet, ist bei der häufigsten operativen Intervention in der zeitgenössischen Medizin überhaupt, der Operation des grauen Stars (geschätzt in Deutschland pro Jahr mehr als 700 000 Kataraktoperationen), ein postoperativer Visus von 1,0 (100 %) etwas, das viele Patienten mit aller Selbstverständlichkeit erwarten. Und ein Ziel, das häufig auch dank sicherer, minimal-traumatischer Operationstechnik und durch die Implantation moderner Intraokularlinsen (IOL) als Ersatz für die natürliche Linse auch erreicht wird.
Bei einem neuen Typ von Kunstlinse, bei dem der Bereich scharfen Sehens mit einem besonderen Design der Optik in die Länge gezogen wird („extended depth of focus“, EDOF), soll dem von den Patienten vielfach geäußerten Wunsch nach „Brillenfreiheit“ vor allem auf die Ferne (Autofahren, Fernsehen, Sport) und auf den Intermediärbereich (in dem sich typischerweise der Computer oder die Utensilien in der Küche befinden) entsprochen werden.
In einer Gruppe von 100 mit diesen IOL versorgten Augen brauchten nach Worten von Dr. Theo Signer (Basel) immerhin noch 12 % eine Brille für den mittleren Abstand, im Nahbereich bedurften 45 % einer zusätzlichen, wenn auch schwachen (in der Größenordnung von ca. + 1,0 Dioptrien) Brillenkorrektur. Wie bei anderen multifokalen IOL-Designs war auch bei diesen Linsen die Wahrnehmung von Halos (Ringe um Lichtquellen nachts) die mit 65 % häufigste optische Komplikation, die von 8 % der Patienten als störend bezeichnet wurde.
Ein anderes Konzept, eine trifokale Kunstlinse, erlaubt zwar fast immer brillefreies Lesen, doch brauchen dann – bei übrigens gleich hoher Halo-Rate – 88 % für den mittleren (PC-)Abstand eine zusätzliche Korrektur. An die Flexibilität einer natürlichen und jugendlichen (unter 40 Jahre) Linse kommt also bislang keine moderne Hightech-IOL heran.
Die Ausführung der Kataraktoperation hat an einigen Kliniken und operativen Zentren der Laser dem Chirurgen aus der Hand genommen – genauer gesagt: Mit dem Femtosekundenlaser erfolgt die Eröffnung der Linsenkapsel (Kapsulotomie) präziser, als es dem Operateur per Hand möglich ist, wobei rund 8 Jahre nach Einführung der Femtosekundenlaser-assistierten Kataraktchirurgie (FLACS) noch nicht restlos geklärt ist, wie groß der Vorteil dieser hohen Genauigkeit für den Patienten wirklich ist.
Es gilt immerhin als erwiesen, dass eine sichere und exakte Kapseleröffnung eine Grundvoraussetzung für einen festen Sitz der Linse ist; Dislokationen und Rotationen können vor allem bei den genannten multifokalen IOL-Typen („Premium IOL“) zu einer schweren Beeinträchtigung der optischen Qualität führen. Prof. Dr. Siegfried Priglinger (München) hob hervor, dass die Durchführung dieser Operation mit dem Laser nach gegenwärtigem Stand in der Literatur zu etwas besseren mittleren Visusergebnissen führt und offenbar schonender ist für die sensibelste innere Schicht der Hornhaut, das Endothel.
Eine Reihe von Studien, vor allem aus der Universitätsaugenklinik Bochum, hat einen deutlich geringeren Rückgang der Endo-thelzellzahl nach Laseranwendung im Vergleich zur herkömmlichen Phakoemulsifikation belegt. Der Grund liegt in der Reduzierung der im Auge freigesetzten Ultraschallenergie, die bei der bislang üblichen Technik der Kataraktoperation ausschließlich zur Fragmentierung der getrübten Linse angewendet wird, während nach Präfragmentierung durch den Laser nur noch wenig oder häufig sogar gar keine Ultraschallenergie zur Linsenentfernung mehr notwendig ist.
Angesichts der hohen funktionellen Erfolgsraten nach einer Kataraktoperation gerät die größte Gefahr durch diesen Eingriff oft ein wenig in den Hintergrund: eine massive, potenziell das ganze Auge zerstörende Infektion, eine sogenannte Endophthalmitis. Prozentual ist die Endophthalmitis zwar selten, doch bei einem Eingriff wie der Kataraktoperation mit den genannten hohen Patientenzahlen fällt auch eine niedrige Prozentzahl ins Gewicht. Schmerzen, Visusabfall und Rötung ist die charakteristische Symptomentrias dieser schweren Komplikation, die typischerweise in der ersten Woche nach dem Eingriff auftritt.
Die Auswertung von 42 Studien aus dem Zeitraum von 1991 bis 2012, die insgesamt mehr als 6,6 Millionen Kataraktoperationen erfassten, ergab 8 963 Fälle von Endophthalmitis – was einer Häufigkeit von 0,134 % entspricht. Hautkeime wie koagulasenegative Staphylokokken, Staph. aureus und Streptokokken sind die häufigsten Auslöser, seltener sind Pilze oder gramnegative Keime die Ursache. Die Inzidenz ist von Land zu Land verschieden, für Deutschland wird eine Rate von 0,06 % angenommen.
Die Antibiose nach der Kataraktoperation ist nach Einschätzung von Dr. Marco Bianchetti (Sursee) das probate Mittel, um die Rate so niedrig zu halten oder sie idealerweise noch weiter zu senken. Topische Antibiotika vor und nach dem Eingriff reduzieren die Bakterienpopulationen, die vor allem von der Lidhaut ins Auge gelangen können, nachhaltig. Die Antibiose ist besonders bei Risikofällen sinnvoll, wenn nicht sogar dringlich.
Perioperative, routinemäßige Antibiose in der Diskussion
Als wichtige Risikofaktoren für eine Endophthalmitis gelten unter anderem ein hohes Patientenalter, eine Hinterkapselruptur sowie eine aus anderen Gründen länger dauernde OP, eine bei dem Patienten vorliegende Immundefizienz, zum Beispiel unter Chemotherapie, und eine postoperative Wund-undichtigkeit.
Dem oft gegen die perioperative, routinemäßige Antibiose ins Feld geführten Argument, mit der Gabe von Ofloxacin oder einem ähnlichen Wirkstoff würden Antibiotikaresistenzen gefördert, hielt Bianchetti entgegen, welch verschwindend geringen Anteil am totalen Antibiotikaverbrauch diese augenärztliche Maßnahme ausmacht: Im Vergleich zu der (trotz aller Einschränkungen durch den Gesetzgeber) immer noch massiven Antibiotikagabe in der Landwirtschaft verhält sich die Antibiose vor, nach und während der OP (zahlreiche Operateure geben am Ende der OP ein Antibiotikum intrakameral in die Vorderkammer ein) wie 2 Minuten in Relation zu einem ganzen Jahr.
Das trockene Auge: ein inflammatorischer Prozess
Bei Weitem nicht so dramatisch wie eine solche Komplikation oder das Erlebnis, nach Implantation eines Netzhautchips wieder sehen zu können, ist ein Problem, das in manchen augenärztlichen Wartezimmern von einem Viertel bis zur Hälfte der Patienten geteilt wird. Das trockene Auge ist häufig mehr als nur ein Mangel an Tränenfilm, der die Binde- und Hornhautschützt, sondern auch ein inflammatorischer Prozess. Symptome sind Brennen, Lichtscheu, das Gefühl, Sandkörner in den Augen zu haben, und oft auch eine Verminderung der Sehschärfe.
Für das weitverbreitete, auch Sicca-Syndrom genannte Leiden werden vielerlei Ursachen verantwortlich gemacht, darunter zu lange Arbeit am Computer, zu trockene Luft oder bestimmte Grunderkrankungen wie Allergien oder Rosazea. In den letzten Jahren sind indes vermehrt Zeichen chronischen Entzündungsgeschehens im Tränenfilm vieler Patienten nachgewiesen worden: Entzündungsmediatoren wie Zytokine und Matrix-Metalloproteinase 9 (MMP-9). Dementsprechend hat sich zu dem klassischen Therapieansatz, der Gabe von Tränenersatzmitteln („künstlichen Tränen“), nun in jenen Fällen, in denen bereits Veränderungen an der Hornhaut (die ständig feuchtgehalten werden muss, weil es sonst zum Aufbrechen ihrer Epithelschicht kommt) vorliegen, die Gabe von Entzündungshemmern in Form von Augentropfen gesellt.
Das Immunsuppressivum Ciclosporin A, das vor allem in der Transplantationsmedizin eingesetzt wird, ist neuerdings in Form von Augentropfen (Ikervis®) für schwere Sicca-Fälle erhältlich. In einer neuen italienischen Studie hat die 6-monatige Therapie mit topischem Ciclosporin A zu einer Vermehrung der Zelldichte der äußeren Hornhaut von im Schnitt 1 969 Zellen/mm2 auf 4 881 Zellen/mm2 geführt, ein deutlicher Hinweis auf eine Erholung dieser bei schwerer Sicca-Symptomatik gestörten Zellschicht. Ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher, aber aus immunologischer Sicht sinnvoller und bei der klinischen Anwendung erfolgreicher Ansatz ist die Herstellung von Augentropfen aus dem Eigenblutserum des Patienten.
Ebenfalls relativ neu ist die lokale Anwendung von Trehalose, einem von Bakterien gebildeten Disaccharid, das den Mikroorganismen zum Schutz in Stresssituationen wie Austrocknung hilft. Die Substanz wird inzwischen verschiedentlich von Operateuren den Patienten nach einem Lasereingriff zur Behebung einer Fehlsichtigkeit (Lasik) gegeben – das trockene Auge ist eine der häufigsten Nebenwirkungen dieser häufigen Operation, bei der zahlreiche Nerven in der Hornhaut zerstört werden.
Diese Ansätze sollen die Tränenersatzmittel ergänzen, die in leichteren Fällen von trockenem Auge, bei denen die Hornhaut noch intakt ist, zusammen mit Lidhygiene – Entzündungen der Drüsen in den Lidern tragen häufig zur Entstehung des trockenen Auges bei – oft als Therapie ausreichen. Allerdings tragen manche dieser „künstlichen Tränen“ auf paradoxe Weise zu dem Leiden bei, das sie behandeln sollen. Das in älteren Präparaten enthaltene Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid führt, so SAoO-Präsident Dietmar Thumm (Luzern), zu Schädigungen der äußeren Zellschichten von Hornhaut und Bindehaut, sodass die hochempfindlichen Augen von Patienten mit Sicca-Symptomatik nur mit Augentropfen ohne Konservierungsmittel in Kontakt kommen sollten.
Dr. med. Ronald D. Gerste
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass
kein Interessenkonflikt vorliegt.