MEDIZIN: Diskussion
Ursache und Prävention der Frühgeborenensymptomatik
The Causes and Prevention of Symptoms in Premature Babies


Die Nachuntersuchungen von Frühgeborenen zeigen die erheblichen Defizite in der späteren Entwicklung dieser Kinder. Ursache dieser Entwicklungsstörungen ist der Sauerstoffmangel in der ersten Lebensphase. Er wird durch die Tatsache verursacht, dass Frühgeborene ein anderes Sauerstofftransportsystem im Vergleich zu reifen Neugeborenen aufweisen. Es entsteht durch hohe Konzentrationen an fetalen Erythrozyten mit fetalem Hämoglobin (HbF) in den ersten Lebensmonaten. Die Sauerstoffaffinität dieser fetalen Erythrozyten ist sehr viel größer als bei adulten Erythrozyten, so dass eine chronische Hypoxie im Gewebe entsteht. Diese chronische Unterversorgung mit Sauerstoff verursacht an der Retina die Frühgeborenenretinopathie und am ZNS die Defizite, die von Voss et al. bei späteren Nachuntersuchungen beobachtet wurden (1).
Eine Vermeidung dieser Schädigung der Frühgeborenen ist nur durch Prävention möglich, indem die Ursache beseitigt und die Sauerstoffunterversorgung vermieden wird (2). Die Bestimmung von HbF bei dieser Risikogruppe ergibt hohe Konzentrationen. Ein Austausch von fetalen Erythrozyten gegen adulte Erythrozyten bei Hochrisikogruppen kann die Hypoxie in dieser Lebensphase vermeiden. Dieser Austausch muss allerdings rechtzeitig, das heißt nach der Geburt, und ausreichend erfolgen, damit die Prävention erfolgreich sein kann. Der Effekt dieser Maßnahme sollte durch die Bestimmung der HbF-Konzentration kontrolliert werden.
Die Neonatologie muss sich dieser Herausforderung stellen, damit sowohl zerebrale Defizite als auch die Retinopathia praematurorum vermieden werden können. Diese Notwendigkeit ergibt sich insbesondere dadurch, dass 0,6 % der Kinder vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren werden. In dieser Risikogruppe versterben insgesamt 25,1 % wie die Autoren feststellten. Die Möglichkeiten der Prävention sollten deshalb genutzt werden.
DOI: 10.3238/arztebl.2017.0298a
Prof. Dr. med. Wolfgang Hammerstein, Kyritz
prof.hammerstein@t-online.de
Lower Saxony Longitudinal Study of Prematurity (Niedersächsisches Frühgeborenen-Nachuntersuchungsprojekt). Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 871–8 VOLLTEXT
1. | Voss W, Hobbiebrunken E, Ungermann U, Wagner M, Damm G: The development of extremely premature infants—results from the Lower Saxony Longitudinal Study of Prematurity (Niedersächsisches Frühgeborenen-Nachuntersuchungsprojekt). Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 871–8 VOLLTEXT |
2. | Hammerstein W: Pathophysiology and prevention of retinopathy of prematurity. Klin Monbl Augenheilkd 1991; 199: 177–82 CrossRef MEDLINE |