POLITIK
Präventionsgesetz: Umsetzung hakt in den Details


Krankenkassen sollen mehr Geld für Versicherte ausgeben und Ärzte Empfehlungen für Patienten aussprechen können. Die Verhandlungen für die Präventionsempfehlungen laufen aber noch.
Eine „brauchbare Arbeitsgrundlage“ oder „Symbolpolitik auf Kosten der Beitragszahler“: Über das Präventionsgesetz gingen die Meinungen bei der Verabschiedung im Bundestag im Juli 2015 deutlich auseinander. Inzwischen wurde das Gesetz mit der sehr wechselvollen Geschichte – erste Entwürfe wurden bereits 2004 erarbeitet und scheiterten in zwei Legislaturperioden unter anderem am Bundesrat – in einigen Bereichen umgesetzt: So müssen Krankenkassen seit 2016 pro Versicherten sieben Euro ausgeben, um gesundheitliche Prävention in den „Lebenswelten“, also Kindertagesstätten, Schulen oder Betrieben, zu fördern. 2015 lag der Betrag bei 3,17 Euro. Im Vergleich zu 2015 haben Kassen nach vorläufigen Zahlen 2016 somit bereits 485 Millionen Euro für Prävention ausgegeben. Dazu zählen individuelle Präventionskurse, Primärprävention im Settingansatz sowie betriebliche Gesundheitsförderung. 2015 lag die Summe bei 317 Millionen Euro.
Auch Ärztinnen und Ärzte sind mit dem neuen Gesetz gefragt: Seit dem 1. Januar 2017 ist die sogenannte ärztliche Präventionsempfehlung in Kraft. Damit sollen Patienten beispielsweise bei Früherkennungsuntersuchungen eine Empfehlung für „verhaltensbezogene Prävention“ durch den Arzt erhalten. Hier rechnet der Gesetzgeber damit, dass eine Empfehlung durch den Arzt die Motivation der Patienten deutlich steigert (siehe Folgeseiten). Die Inhalte der Präventionsempfehlung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Mitte Juli 2016 festgelegt. Demnach kann die Ärztin oder der Arzt Prävention bei Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressmanagement oder Suchtmittelkonsum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene empfehlen. Je nach Diagnose kann es auch konkretere Anweisungen geben. Patienten können dann bei ihrer Krankenkasse nachfragen, welche empfohlenen Kurse angeboten werden. Krankenkassen sind dazu angehalten, die Empfehlungen des Arztes bei der Bewilligung von Präventionskursen zu beachten. Allerdings: Noch haben sich Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband nicht auf eine – finanzielle – Ausgestaltung der Empfehlung geeinigt. Das werde derzeit im Bewertungsausschuss diskutiert, heißt es bei der KBV.
Regionaler Flickenteppich
Ein weiterer Bestandteil des Gesetzes ist die Nationale Präventionskonferenz, die eine Präventionsstrategie entwickeln soll. Mit dieser Strategie sollen einheitliche Empfehlungen und Ziele festgelegt werden. Über den Fortschritt dabei soll alle vier Jahre ein entsprechender Bericht verfasst werden. Dieser wird zum 1. Juli 2019 zum ersten Mal vorliegen. In dieser Konferenz sind Standesvertreter der Ärzte allerdings nicht beteiligt – ein großer Kritikpunkt der Ärzteschaft in den Beratungen zum Gesetz.
Um die nationale Präventionsstrategie umzusetzen, müssen auf Landesebene nun Vereinbarungen zwischen den Ländern, den Kranken- und Pflegekassen sowie der Renten- und Unfallversicherung geschlossen werden. Diese Landesrahmenvereinbarungen sind in den meisten Bundesländern bereits abgeschlossen, es fehlen Beschlüsse aus Bayern und Berlin. Das geht aus einer Aufstellung hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
In dieser zeigt sich, dass es in jedem Bundesland unterschiedliche Rahmenbedingungen geben wird: Nicht jedes Land wird eine jährliche Präventionskonferenz einberufen, in einigen Ländern wird es eher „Austausch“, „Strategieforum Prävention“ oder „Dialogforum“ heißen. In anderen Bundesländern muss sich eine entsprechende Steuerungsgruppe noch bilden, in sechs Ländern haben die Krankenkassen den Vorsitz der Gruppe inne, dazu zählen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen und Hessen. In Baden-Württemberg übernimmt dies das Landesministerium selbst, in Schleswig-Holstein rotiert das Amt zwischen den Beteiligten.
Viele Länder setzen zusätzliche Schwerpunkte der Präventionsförderung: So nennt Hamburg explizit Pflegeheime, viele Länder wollen Vorschläge für Arbeitslose, Alleinerziehende sowie Menschen mit Migrationshintergrund erarbeiten. Andere Länder, darunter Sachsen-Anhalt, wollen jährliche Schwerpunktthemen bestimmen.
Rebecca Beerheide
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