MEDIZIN: Originalarbeit
Komplikationsrate der Vorsorgekoloskopie im Krebsfrüherkennungsprogramm
Prospektive Kohortenstudie zu Komplikationen während der Untersuchung und in den folgenden vier Wochen
Complication rates in colonoscopy screening for cancer—a prospective cohort study of complications arising during the procedure and in the ensuing four weeks
; ; ; ;
Hintergrund: Seit 2002 ist die Koloskopie Bestandteil des Krebsfrüherkennungsprogramms in Deutschland. Studien berichten von wenigen Komplikationen während der Koloskopie; es liegen jedoch nur unzureichende Daten zu Komplikationen nach der Koloskopie vor. In dieser Studie wird das Auftreten von Komplikationen während der Untersuchung und in den folgenden vier Wochen untersucht.
Methode: In die Studie eingeschlossen wurden im Saarland wohnhafte Personen ohne frühere Darmkrebserkrankung und ohne frühere Polypektomie, die im Zeitraum 2010–2013 eine Vorsorgekoloskopie durchführen ließen. Drei Monate nach der Koloskopie fand eine Nachbeobachtung statt. Diese erfolgte mithilfe eines von den Teilnehmern auszufüllenden Fragebogens und über die anschließende Validierung selbstberichteter Komplikationen im Untersuchungszeitraum durch die Koloskopieberichte und die behandelnden Ärzte. Eine umfassende Erhebung der Mortalität wurde bei allen Non-Respondern durchgeführt.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 5 527 Teilnehmer (medianes Alter 61 Jahre, 52 % Frauen) über 26 medizinische Praxen erfasst. 5 252 (95 %) Teilnehmer füllten den Fragebogen zu Komplikationen vollständig aus und wurden in die Studie eingeschlossen. 16 Blutungen (0,30 %) und 4 Perforationen (0,08 %) während oder innerhalb von 4 Wochen nach der Koloskopie wurden ärztlicherseits bestätigt. Patienten und Ärzte berichteten übereinstimmend von 5 Krankenhauseinweisungen (0,95 %) aufgrund von Blutungen und 2 (0,04 %) aufgrund von Perforationen. 3 Teilnehmer waren innerhalb von 3 Monaten nach der Koloskopie verstorben. In keinem dieser Todesfälle bestand ein Zusammenhang mit der Koloskopie.
Schlussfolgerung: Das Komplikationsrisiko ist bei der Früherkennungskoloskopie sehr gering, selbst wenn man eine mögliche Verzögerung von bis zu 4 Wochen berücksichtigt.


Darmkrebs ist die weltweit dritthäufigste Krebserkrankung und die vierthäufigste Krebstodesursache bei Männern und Frauen (1). In randomisierten Studien wurde die Effektivität der Sigmoidoskopie bei der Reduktion der Darmkrebsinzidenz und der Darmkrebsmortalität nachgewiesen (2–5). Ergebnisse aus randomisierten Studien zur Früherkennungskoloskopie liegen noch nicht vor. Jedoch weisen Ergebnisse aus Beobachtungsstudien auf noch stärkere Effekte hin, so dass durch die Entdeckung und Entfernung von Darmkrebsvorstufen bei der Früherkennungskoloskopie die Mehrzahl an Darmkrebsneuerkrankungen und -todesfällen verhindert werden könnte (6). Es gibt aber auch Bedenken wegen möglicher Komplikationen, wie Perforationen oder Blutungen, die bei einer Koloskopie zur Krebsfrüherkennung auftreten können. Die Häufigkeit von Komplikationen bei der Früherkennungskoloskopie wurde in zahlreichen Studien untersucht (7–17) (eTabelle). Diese Studien wurden überwiegend in den USA und in spezialisierten Zentren durchgeführt. Es gibt jedoch kaum Daten aus anderen Ländern mit bevölkerungsweiten Vorsorgeprogrammen.
In Deutschland wurde die Früherkennungskoloskopie als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung im Oktober 2002 eingeführt. Begleitend dazu wurde ein Nationales Koloskopieregister geschaffen, um sämtliche Befunde dieser Koloskopien zu dokumentieren (17). Die Routinedokumentation beinhaltet auch das Auftreten von Komplikationen. Allerdings werden hier nur die unmittelbar nach der Früherkennungskoloskopie auftretenden Komplikationen erfasst, was zu einer Unterschätzung der Komplikationen mit verzögerter Manifestation führen könnte. Die Auswertung der Daten zu 2 821 392 deutschlandweit dokumentierten Früherkennungskoloskopien ergab eine Gesamtkomplikationsrate von 2,8/1 000 Koloskopien (17). Diese Rate liegt unter der anderer Studien, die ebenfalls nur Komplikationen direkt nach der Koloskopie berücksichtigten (10–12). In einer weiteren Studie wurde ein Audit mit 18-monatiger Nachbeobachtung bei 12 134 Frauen und Männern durchgeführt, die eine Früherkennungskoloskopie in einer von 19 privaten Berliner Arztpraxen durchführen ließen; hier ergab sich eine Gesamtkomplikationsrate von 0,46 % (18). Das Risiko schwerwiegender Komplikationen, die einen Krankenhausaufenthalt innerhalb von 30 Tagen nach der Koloskopie zur Folge hatten, wurde in einer anderen Studie auf der Grundlage von Routinedaten untersucht (19). Die Inzidenz der Hospitalisierungen aufgrund von Perforationen und Blutungen lag bei 0,08 % beziehungsweise bei 0,05 %.
Das Ziel dieser Studie war es, das Auftreten von Komplikationen während und innerhalb von vier Wochen nach Koloskopien, die im Rahmen des deutschen Krebsfrüherkennungsprogramms durchgeführt wurden, umfassend zu untersuchen.
Methoden
Studiendesign und Studienpopulation
Die KolosSal-Studie („Effektivität der Früherkennungs-Koloskopie: Eine Saarland-weite Studie“) ist eine landesweit im Saarland (circa 1,02 Millionen Einwohner in 2010) durchgeführte prospektive Kohortenstudie mit Teilnehmern der Früherkennungskoloskopie. Das primäre Ziel der KolosSal-Studie ist die Untersuchung der Darmkrebsinzidenz und -mortalität bei Teilnehmern der Früherkennungskoloskopie, die zwischen 2005–2013 rekrutiert wurden und über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren nachbeobachtet werden. Die Einschlusskriterien dieser Studie waren die Fähigkeit zur Teilnahme, ausreichende Deutschkenntnisse sowie eine unterschriebene Einwilligungserklärung. Teilnehmer mit einer früheren Darmkrebserkrankung oder Polypektomie wurden ausgeschlossen. Es gab keine obere Altersgrenze. Weitere Informationen zu dieser Studie wurden bereits veröffentlicht (20–23). Die Studie wurde durch die Ethikkommissionen der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Saarländischen Ärztekammer genehmigt.
Bei 5 527 KolosSal-Teilnehmern, die zwischen 2010 und 2013 rekrutiert wurden, führten wir eine ergänzende Studie zu Beschwerden und Komplikationen während und innerhalb von vier Wochen nach der Früherkennungskoloskopie durch. In der hier vorgestellten Auswertung wurde untersucht, wie oft es in diesem Zeitraum zu Komplikationen, insbesondere zu Blutungen und Perforationen, kam. Es wurden keine durch Prämedikation verursachten Komplikationen berichtet. Unter den Non-Respondern wurde geprüft, ob innerhalb von drei Monaten nach der Früherkennungskoloskopie Todesfälle auftraten.
Datensammlung
Im deutschen Gesundheitssystem wird die Früherkennungskoloskopie fast ausschließlich ambulant von niedergelassenen Ärzten durchgeführt. Die Rekrutierung der Studienteilnehmer erfolgte über 26 Arztpraxen im Saarland, die zur Durchführung einer Früherkennungskoloskopie berechtigt sind. Die Basiserhebung bestand aus einen kurzen Patientenfragebogen zur Person (Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, Staatsangehörigkeit und Schulabschluss), zu bereits zuvor durchgeführten Vorsorgemaßnahmen (Krebsvorsorgeuntersuchung oder Gesundheits-Checkup); weiter wurden Angaben zu Medikamenteneinnahme, Lebensgewohnheiten sowie eigener und familiärer medizinischer Vorgeschichte erbeten und Informationen aus den (eingeholten) Koloskopiebefunden entnommen. Der Fragebogen wurde den Studienteilnehmern vor der Früherkennungskoloskopie ausgehändigt.
Im Rahmen der ergänzenden Erhebung wurden die behandelnden Ärzte gebeten, einen kurzen Fragebogen zu Komplikationen während der Früherkennungskoloskopie auszufüllen. Die Teilnehmer selbst wurden drei Monate nach der Früherkennungskoloskopie erneut kontaktiert und gebeten, einen kurzen Fragebogen zu Beschwerden und Komplikationen vor, während und innerhalb von vier Wochen nach der Koloskopie auszufüllen. Selbstberichtete Komplikationen während und innerhalb von vier Wochen nach der Koloskopie wurden anschließend durch Kontaktaufnahme mit den behandelnden Ärzten der Teilnehmer validiert.
Zu Teilnehmern, die auch nach zweimaliger Erinnerung den Fragebogen nicht zurückgesendet hatten, wurden Informationen zum Vitalstatus über das Einwohnermeldeamt eingeholt; falls sie verstorben waren, wurden Informationen über die Todesursache bei den lokalen Gesundheitsämtern eingeholt.
Statistische Auswertung
Eine deskriptive Analyse der Studienpopulation und des Auftretens von Komplikationen erfolgte anhand absoluter und relativer Häufigkeiten. Die Anzahl an Todesfällen innerhalb von drei Monaten nach der Früherkennungskoloskopie wurde in Relation zu der Anzahl der zu erwartenden Todesfälle in der Gesamtbevölkerung des Saarlands im selben Zeitraum gesetzt (24) (standardisierte Mortalitätsratio). Statistische Tests erfolgten zweiseitig mit einem Signifikanzniveau von p < 0,05. Die Auswertungen erfolgten mit der Statistiksoftware SAS, Version 9.4 (SAS Institute Inc., Cary, N.C., USA).
Ergebnisse
Drei Monate nach der Früherkennungskoloskopie wurden in der ergänzenden Erhebung insgesamt 5 527 Teilnehmer, die zwischen 2010 und 2013 rekrutiert worden waren, kontaktiert (Grafik). Von diesen sendeten 5 252 Teilnehmer (95 %) den Fragebogen zu Komplikationen zurück und erfüllten zusätzlich die Einschlusskriterien für die Analysen. Das mediane Alter der Teilnehmer war 61 Jahre, 52 % waren Frauen. Die Non-Responder waren im Durchschnitt nur wenig jünger (Median 60 Jahre) und wiesen einen höheren Männeranteil auf (57 %).
Insgesamt berichteten 12 Teilnehmer (0,23 %) Komplikationen während der Koloskopie, definiert als Blutungen (N = 9) und Perforationen (N = 3), und 34 Teilnehmer (0,65 %) berichteten von Komplikationen in den vier Wochen nach der Koloskopie (28 Blutungen, 6 Perforationen) (Grafik, Tabelle 1). Insgesamt wurden Blutungen und Perforationen von 35 (0,67 %) beziehungsweise 8 (0,15 %) Teilnehmern berichtet.
Die Anzahl an Blutungen und Perforationen, die von den Ärzten während der Koloskopie dokumentiert wurden, waren mit den Zahlen entsprechender Angaben der Teilnehmer vergleichbar (10 Blutungen, 0,19 %; 2 Perforationen, 0,04 %) (Tabelle 2). Jedoch gibt es kaum Überlappungen zwischen den selbstberichteten und den ärztlich berichteten Komplikationen. Nur 1 Perforation wurde sowohl vom Teilnehmer als auch vom Arzt berichtet. Die genauere Betrachtung der Koloskopiebefunde zeigte, dass die von den Ärzten verwendeten Clips zum Stillen oder Verhindern von Blutungen bei 3 beziehungsweise 1 Patienten mit selbstberichteten Blutungen dokumentiert worden sind. Allerdings scheinen diese Blutungen seitens der Ärzte nicht als Komplikation eingestuft worden zu sein, und sie wurden dementsprechend nicht als solche dokumentiert. Unter den 10 Teilnehmern, bei denen die Ärzte eine Blutung als Komplikation berichtet hatten, wurde bei 5 explizit die Verwendung von Clips im Koloskopiebefund genannt.
Von den 34 Teilnehmern, die Komplikationen innerhalb von vier Wochen nach der Koloskopie berichteten, gaben 8 (0,15 %) an, infolge der Komplikation beim Arzt gewesen zu sein; 9 Teilnehmer (0,17 %) gaben an, im Krankenhaus behandelt worden zu sein (Grafik, Tabelle 3). Die behandelnden Ärzte wurden um eine entsprechende Rückmeldung zu diesen Angaben gebeten. Die Blutungen und Perforationen wurden in nur 1 von 5 Fällen beziehungsweise in keinem der 3 Fälle bestätigt, in denen diese Komplikationen als Grund für die Arztbesuche angegeben wurden. Im Gegensatz dazu wurden selbstberichtete Blutungen und Perforationsfälle durch Krankenhäuser in 5 von 7 beziehungsweise in beiden 2 Fällen bestätigt.
Fasst man die Ergebnisse in Tabelle 2 und 3 zusammen, so wurden insgesamt 20 durch den Arzt bestätigte Komplikationen (0,38 %) während (n = 12, 0,23 %) oder innerhalb von vier Wochen nach der Koloskopie (n = 8, 0,15 %) dokumentiert (Tabelle 4). Dabei handelte es sich um 16 Blutungen (0,30 %) und 4 Perforationen (0,08 %).
Wie aus Tabelle 5 zu entnehmen ist, traten die 20 ärztlich bestätigten Blutungen und Perforationen ausschließlich bei Patienten mit Neoplasien (18/20) oder mit sonstigen Polypen (2/20) auf, darunter 13 (65 %) mit fortgeschrittenen Neoplasien (Darmkrebs oder fortgeschrittene Adenome). Dagegen lag bei den Teilnehmern ohne Komplikationen der Anteil fortgeschrittener Neoplasien bei nur 12 %. Die anderen Charakteristika waren bei beiden Gruppen ähnlich. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die meisten Komplikationen eher durch die Polypektomie als durch die Koloskopie selbst verursacht wurden.
Für 274 von 275 Teilnehmern (99,6 %), die sich nicht an der ergänzenden Erhebung beteiligten, konnten der Vitalstatus und die Todesursache ermittelt werden. Ein Teilnehmer konnte nicht nachverfolgt werden, da keine ihm zugehörigen Unterlagen im Einwohnermeldeamt gefunden werden konnten. Von den 274 Non-Respondern waren 3 (1,1 %) innerhalb von drei Monaten nach der Koloskopie verstorben. Die Anzahl der Todesfälle in den Monaten nach Früherkennungskoloskopie ist wesentlich geringer als die Anzahl an Todesfällen, die entsprechend der Sterbetafel für die Allgemeinbevölkerung des Saarlands zu erwarten gewesen wäre (n = 19,4; standardisierte Mortalitätsratio: 3/19,4 = 0,15; 95-%-Konfidenzintervall [0,039; 0,421], p < 0,0001). Darüber hinaus gab es bei keinem der Todesfälle Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Todesursache und der Früherkennungskoloskopie (Grafik).
Diskussion
In dieser landesweit im Saarland durchgeführten Studie wurden umfassende Maßnahmen ergriffen, um alle Blutungen und Perforationen während und in den vier Wochen nach der Koloskopie sowie die Todesfälle unter den Non-Respondern in den drei Monaten nach der Koloskopie zu ermitteln. Komplikationen (Blutungen oder Perforationen) wurden von 43 Teilnehmern (0,82 %) berichtet. Allerdings konnte, bis auf sieben von neun selbstberichteten Krankenhausaufenthalten infolge der Komplikationen, nur ein geringer Anteil der selbstberichteten Komplikationen tatsächlich medizinisch bestätigt werden; andererseits wusste die Mehrzahl der Betroffenen nichts über die vom Arzt berichteten Blutungen. Es scheint keine einheitliche Definition von Blutungen als Komplikation zu geben, und es bleibt unklar, wie Blutungen, bei denen präventiv Clips eingesetzt werden, eingestuft und vom Arzt dokumentiert werden sollen. Für Patienten scheinen Blutungen unabhängig von der Verwendung von Clips eine Komplikation zu sein. Insgesamt traten 10 ärztlich bestätigte Blutungen und 2 Perforationen während der Koloskopie auf sowie 6 Blutungen und 2 Perforationen in den vier Wochen nach der Koloskopie, was insgesamt eine ärztlich bestätigte Komplikationsrate von 20/5 252 = 0,38 % bedeutet. Die Komplikationen waren fast ausschließlich Teilnehmern zuzuordnen, bei denen Neoplasien entdeckt und entfernt worden waren.
Die Anzahl der in unserer Studie gefundenen ärztlich bestätigten Blutungen und Perforationen während der Früherkennungskoloskopie (0,19 % und 0,04 %) stimmt weitgehend mit Zahlen einer anderen Studie überein, in der 55 993 Koloskopie-Teilnehmer aus Bayern im Jahr 2006 untersucht wurden (0,24 % und 0,04 %) (12), sowie mit denen von 2 821 392 an das nationale Koloskopieregister gemeldeten Früherkennungskoloskopien der Jahre 2003 bis 2008 (0,15 % und 0,02 %) (17). In letzterer Studie stuften Ärzte weniger als 1 von 5 Blutungen als „signifikant“ ein.
Allerdings schloss keine dieser großen, registerbasierten Studien Komplikationen ein, die innerhalb von Wochen oder Monaten nach der Koloskopie auftraten. Es gab bislang nur eine Studie, die in einem Audit Daten von 12 134 Teilnehmern der Früherkennungskoloskopie aus 19 Berliner Praxen während einer 18-monatigen Nachbeobachtungszeit untersuchte (18). In dieser Studie lag die Gesamtkomplikationsrate bei 0,46 % – etwa dreimal so hoch wie die Komplikationsrate, die im Koloskopieregister dokumentiert wurde. In unserer Studie traten 8 von 20 ärztlich bestätigten Komplikationen, darunter 2 von 4 Perforationen, in den vier Wochen nach der Koloskopie auf.
Dieses Ergebnis zeigt, wie notwendig es ist, verzögert auftretende Komplikationen mit in die Schätzung der Gesamtkomplikationsrate von Früherkennungskoloskopien einzubeziehen. Eine weitere registerbasierte Studie aus Deutschland mit 269 144 Früherkennungskoloskopien untersuchte ebenfalls Blutungen und Perforationen, die den durchführenden Ärzten nach der Koloskopie berichtet worden waren (13). Die insgesamt berichteten Häufigkeiten der Blutungen und Perforationen waren zwar niedriger als in unserer Studie (0,16 % und 0,02 %), aber aufgrund einer fehlenden systematischen Nachbeobachtung der Teilnehmer könnten Komplikationen, die dem Arzt nicht mitgeteilt worden sind, übersehen worden sein. Eine andere Studie schätzte anhand von Routinedaten zu Früherkennungskoloskopien, bei denen innerhalb von 30 Tagen ein Krankenhausaufenthalt notwendig wurde, das Risiko schwerwiegender Komplikationen (19). Die berichteten Inzidenzen (Perforationen 0,08 %, Blutungen 0,05 %) waren den Häufigkeiten in unserer Studie ähnlich. Studien aus anderen Ländern, die Komplikationen während und in den Wochen nach der Koloskopie berichteten, unterscheiden sich von unserer Studie sehr stark im Zeitfenster und in der Vollständigkeit der Erhebung von Komplikationen (7–11, 14, 15, 16) (eTabelle). Die meisten zeigten leicht niedrigere Gesamtraten an Blutungen und Perforationen.
Diese Studie ist unseres Wissens die erste, die systematisch Komplikationen sowie Todesfälle bei Non-Respondern innerhalb von drei Monaten nach der Früherkennungskoloskopie untersuchte. Angesichts der Tatsache, dass Personen normalerweise keine Früherkennungskoloskopie durchführen, wenn zuvor eine lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert wurde, und dass Teilnehmer der Früherkennungskoloskopie im Allgemeinen eher gesundheitsbewusst sind, ist das Ergebnis der wesentlich niedrigeren Mortalität im Vergleich zur saarländischen Allgemeinbevölkerung nicht unerwartet. Es ist dennoch beruhigend, dass keine der Todesursachen der drei Non-Responder, die in den drei Monaten nach der Früherkennungskoloskopie verstarben, in einem Zusammenhang mit der Koloskopie stand.
Unsere Studie hat Stärken und Limitationen. Zu den Stärken dieser Studie gehören die große Anzahl an Teilnehmern und die systematische Datenerhebung zu Komplikationen während und nach der Früherkennungskoloskopie. Zum ersten Mal war es möglich, Komplikationen bis zu vier Wochen nach der Koloskopie zu erheben und zu validieren. In allen 5 252 Fällen lagen die Koloskopiebefunde sowie die Validierung durch medizinische Unterlagen vor, um die selbstberichteten Angaben aus dem Fragebogen vergleichen zu können (Antwortrate 95 %). Darüber hinaus wurde ein umfassendes Mortalitäts-Follow-up bei allen Personen durchgeführt, die keinen Fragebogen zurückgesendet hatten. Hierfür wurden Daten des Einwohnermeldeamts und der lokalen Gesundheitsbehörden herangezogen.
Die Studie hat auch Limitationen, die sich hauptsächlich aus der Datenqualität der Koloskopieberichte ergeben. Diese Auswertung war auf Blutungen und Perforationen beschränkt. Kardiopulmonale Komplikationen werden in der Literatur als weitere Komplikation infolge der Früherkennungskoloskopie beschrieben. In unserer Studie waren jedoch keine kardiopulmonalen Komplikationen in den Koloskopieberichten dokumentiert. Zudem war es nicht möglich, zwischen kleineren und größeren Blutungen zu unterscheiden. Dies würde eine eindeutige Definition und Dokumentation von Blutungen in medizinischen Unterlagen voraussetzen, was sehr wünschenswert wäre. Letztlich war es uns nicht möglich, die Daten mit Informationen über Qualifikation und Training der Gastroenterologen zu verknüpfen (25).
Schlussfolgerung
Diese große prospektive Studie zeigt: Es ist notwendig, den Zeitraum nach der Früherkennungskoloskopie für eine umfassende Bewertung der Komplikationen mit einzubeziehen. Gleichzeitig wird mit unserer Auswertung deutlich, dass die Komplikationsrate auch mit sorgfältiger Berücksichtigung eines vierwöchigen Zeitraums nach der Koloskopie niedrig ist. Dies bestätigt die Sicherheit der Früherkennungskoloskopie in einem Programm mit umfassender Qualitätssicherung, wie dem deutschen Krebsfrüherkennungsprogramm. Insbesondere sind Komplikationen bei Teilnehmern ohne kolorektale Neoplasien, die nicht unmittelbar von einer Früherkennungskoloskopie profitieren, extrem selten.
Danksagung
Wir danken allen teilnehmenden Gastroenterologen des Saarlandes für die Rekrutierung der Teilnehmer und natürlich allen Personen, die an der Studie selbst teilgenommen haben. Ein herzlicher Dank geht auch an Elke Fleck, Krebsregister Saarland (Studienzentrum), für ihre Arbeit und den kontinuierlichen Kontakt mit den gastroenterologischen Praxen sowie an Isabel Lerch und Dr. rer. nat. Utz Benscheid (Studiendokumentation) für die Koordination und umfassende Datenaufbereitung. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wäre es nicht möglich gewesen, weit mehr als die ursprünglich geplante Anzahl an Teilnehmern zu rekrutieren und so den Erfolg der Studie zu gewährleisten.
Finanzierung
Diese Studie wurde durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) gefördert.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten eingereicht: 11. 8. 2016, revidierte Fassung angenommen: 11. 10. 2016
Anschrift für die VerfasserPD Dr. sc. hum. Michael Hoffmeister
Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Im Neuenheimer Feld 581, 69120 Heidelberg
m.hoffmeister@dkfz.de
Zitierweise
Zwink N, Holleczek B, Stegmaier C, Hoffmeister M, Brenner H: Complication rates in colonoscopy screening for cancer—a prospective cohort study of complications arising during the procedure and in the ensuing four weeks. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 321–7. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0321
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
eSupplement:
www.aerzteblatt.de/17m0321 oder über QR-Code
N Engl J Med 2012; 366: 2345–57 CrossRef MEDLINE PubMed Central
Krebsregister Saarland, Saarbrücken: Dr. sc. hum. Holleczek, Dipl.-Inform. Med. Stegmaier
Abteilung Präventive Onkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg: Prof. Dr. med. Brenner
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg: Prof. Dr. med. Brenner
1. | Ferlay J, Soerjomataram I, Ervik M, et al.: GLOBOCAN 2012 v1.0, Cancer Incidence and Mortality Worldwide: IARC CancerBase No. 11. Lyon, France: International Agency for Research on Cancer; 2013. Available from: http://globocan.iarc.fr (last accessed on 27 July 2016). |
2. | Atkin WS, Edwards R, Kralj-Hans I, et al.: Once-only flexible sigmoidoscopy screening in prevention of colorectal cancer: a multicentre randomised controlled trial. Lancet 2010; 375: 1624–33 CrossRef |
3. | Segnan N, Armaroli P, Bonelli L, et al.: Once-only sigmoidoscopy in colorectal cancer screening: follow-up findings of the Italian randomized controlled trial—SCORE. J Natl Cancer Inst 2011; 103: 1310–22 CrossRef MEDLINE |
4. | Schoen RE, Pinsky PF, Weissfeld JL, et al.: Colorectal-cancer incidence and mortality with screening flexible sigmoidoscopy. N Engl J Med 2012; 366: 2345–57 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
5. | Holme Ø, Løberg M, Kalager M, et al.: Effect of flexible sigmoidoscopy screening on colorectal cancer incidence and mortality: a randomized clinical trial. JAMA 2014; 312: 606–15 CrossRef CrossRef MEDLINE PubMed Central |
6. | Brenner H, Stock C, Hoffmeister M: Effect of screening sigmoidoscopy and screening colonoscopy on colorectal cancer incidence and mortality: systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials and observational studies. BMJ 2014; 348: g2467 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
7. | Castro G, Azrak M, Seeff L, Royalty J: Outpatient colonoscopy complications in the CDC’s colorectal cancer screening demonstration program: a prospective analysis. Cancer 2013; 119, Suppl 15: 2849–54 CrossRef MEDLINE |
8. | Rutter C, Johnson E, Miglioretti D, Mandelson M, Inadomi J, Buist D: Adverse events after screening and follow-up colonoscopy. Cancer Causes Control 2012; 23: 289–96 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
9. | Nelson D, McQuaid K, Bond J, Lieberman D, Weiss D, Johnston T: Procedural success and complications of large-scale screening colonoscopy. Gastrointest Endosc 2002; 55: 307–14 CrossRef MEDLINE |
10. | Imperiale T, Wagner D, Lin C, Larkin G, Rogge J, Ransohoff D: Risk of advanced proximal neoplasms in asymptomatic adults according to the distal colorectal findings. N Engl J Med 2000; 343: 169–74 CrossRef MEDLINE |
11. | Lieberman DA, Weiss DG, Bond JH, Ahnen DJ, Garewal H, Chejfec G: Use of colonoscopy to screen asymptomatic adults for colorectal cancer. Veterans Affairs Cooperative Study Group 380. N Engl J Med 2000; 343: 162–8 CrossRef MEDLINE |
12. | Crispin A, Birkner B, Munte A, Nusko G, Mansmann U: Process quality and incidence of acute complications in a series of more than 230 000 outpatient colonoscopies. Endoscopy 2009; 41: 1018–25 CrossRef MEDLINE |
13. | Bokemeyer B, Bock H, Huppe D, et al.: Screening colonoscopy for colorectal cancer prevention: results from a German online registry on 269 000 cases. Eur J Gastroenterol Hepatol 2009; 21: 650–5 CrossRef MEDLINE |
14. | Lee TJW, Rutter MD, Blanks RG, et al.: Colonoscopy quality measures: experience from the NHS bowel cancer screening programme. Gut 2012; 61: 1050–7 CrossRef MEDLINE |
15. | Regula J, Rupinski M, Kraszewska E, et al.: Colonoscopy in colorectal-cancer screening for detection of advanced neoplasia. N Engl J Med 2006; 355: 1863–72 CrossRef MEDLINE |
16. | Suissa A, Bentur O, Lachter J, et al.: Outcome and complications of colonoscopy: a prospective multicenter study in northern Israel. Diagn Ther Endosc 2012; 2012: 612542 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
17. | Pox CP, Altenhofen L, Brenner H, Theilmeier A, von Stillfried D, Schmiegel W: Efficacy of a nationwide screening colonoscopy program for colorectal cancer. Gastroenterology 2012; 142: 1460–7.e2 CrossRef MEDLINE |
18. | Adler A, Lieberman D, Aminalai A, et al.: Data quality of the German screening colonoscopy registry. Endoscopy 2013; 45: 813–8 CrossRef MEDLINE |
19. | Stock C, Ihle P, Sieg A, Schubert I, Hoffmeister M, Brenner H: Adverse events requiring hospitalization within 30 days after out-patient screening and nonscreening colonoscopies. Gastrointest Endosc 2013; 77: 419–29 CrossRef MEDLINE |
20. | Brenner H, Haug U, Arndt V, Stegmaier C, Altenhofen L, Hoffmeister M: Low risk of colorectal cancer and advanced adenomas more than 10 years after negative colonoscopy. Gastroenterology 2010; 138: 870–6 CrossRef MEDLINE |
21. | Brenner H, Hoffmeister M, Arndt V, Stegmaier C, Altenhofen L, Haug U: Protection from right- and left-sided colorectal neoplasms after colonoscopy: population-based study. J Natl Cancer Inst 2010; 102: 89–95 CrossRef MEDLINE |
22. | Hoffmeister M, Schmitz S, Karmrodt E, et al.: Male sex and smoking have a larger impact on the prevalence of colorectal neoplasia than family history of colorectal cancer. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 870–6 CrossRef MEDLINE |
23. | Tao S, Hoffmeister M, Brenner H: Development and validation of a scoring system to identify individuals at high risk for advanced colorectal neoplasms who should undergo colonoscopy screening. Clin Gastroenterol Hepatol 2014; 12: 478–85 CrossRef MEDLINE |
24. | Statistisches Amt Saarland: Sterbetafel 2013/2015 (männlich/weiblich). www.saarland.de/6772.htm (last accessed on 23 February 2017). |
25. | Adler A, Wegscheider K, Lieberman D, et al.: Factors determining the quality of screening colonoscopy: a prospective study on adenoma detection rates, from 12 134 examinations (Berlin colonoscopy project 3, BECOP-3). Gut 2012; 62: 236–41 CrossRef MEDLINE |
-
Deutsches Ärzteblatt international, 201810.3238/arztebl.2018.0715
-
JMIR Research Protocols, 202010.2196/17516
-
Middle East Journal of Digestive Diseases, 201810.15171/mejdd.2018.119
-
Allgemeinmedizin up2date, 202310.1055/a-1761-8626
-
Cancer Management and Research, 202310.2147/CMAR.S283668
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.