ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2017Karpaltunnelsyndrom: Manuelle Therapie ist über ein Jahr so wirksam wie OP

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Karpaltunnelsyndrom: Manuelle Therapie ist über ein Jahr so wirksam wie OP

Siegmund-Schultze, Nicola

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Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) mit einer Druckschädigung des N. medianus ist das häufigste Nervenkompressionssyndrom: Schätzungen zufolge erkranken 10 % der Bevölkerung im Verlauf des Lebens an einem KTS. Zu den Ursachen für eine Verengung des Karpaltunnels, in dem der Nerv verläuft, gehören Anatomie, mechanische Belastungen des Handgelenks oder Entzündungen. Es kommt zu ausstrahlenden Schmerzen und Temperaturüberempfindlichkeiten infolge einer zentralen Sensibilisierung. Manuelle Therapien zur Mobilisierung des Bindegewebes gehören zu den konservativen Therapien und können Schmerzen verringern, bei der chirurgischen Therapie – offen oder minimal-invasiv – werden die die Nerven besonders einengenden Gewebestrukturen entfernt.

In einer randomisierten Studie sind die Effekte einer chirurgischen Behandlung mit wöchentlichen manuellen Therapien inklusive desensibilisierender Maßnahmen (3 × 30 Min.) verglichen worden. 50 der insgesamt 100 Teilnehmerinnen wurden chirurgisch versorgt. Alle hatten mindestens 6 Monate Schmerzen und Parästhesien im Versorgungsgebiet des N. medianus, Tinel- und Phalen-Test waren positiv. Ermittelt wurden Druckschmerzschwelle (PPT), Temperaturschmerzschwelle (Hitze- und Kälteschmerzschwelle) und Schmerzstärken auf einer Skala von 0–10 vor Therapie und 3, 6, 9 und 12 Monate danach.

Die manuell therapierten Patientinnen gaben nach 3 Monaten eine median geringere Schmerzstärke an als die operierten (p < 0,001), und in dieser Gruppe war nach 3, 6 und 9 Monaten die Druckschmerzschwelle über dem Karpalkanal stärker angestiegen als bei den operierten Frauen (alle p < 0,01). Nach 12 Monaten gab es keine signifikanten Unterschiede in den PPT-Werten zwischen den Gruppen. Weder die manuelle, noch die chirurgische Therapie verminderte die erhöhte Temperatursensibilität.

Fazit: Eine prospektive, randomisierte Studie kommt zu dem Schluss, dass manuelle und chirurgische Behandlungsformen die ausstrahlende Druckschmerzempfindlichkeit bei Karpaltunnelsyndrom im Zeitraum von 12 Monaten ähnlich gut verbessern. Kurzfristig – bis 3 Monate – waren die Ergebnisse der manuellen Therapie günstiger. Die Empfindlichkeit auf kalte und heiße Reize wurde durch keine der beiden Behandlungsmethoden wesentlich beeinflusst.

Die bisherige Auffassung sei, dass eine Operation zumindest langfristig zu besseren Therapieergebnissen führe als konservative Behandlungen, so die Studienautoren. In früheren Studien sei die chirurgische Intervention aber vor allem mit Schienen, Laser- oder Ultraschalltherapie oder mit Injektionen von schmerz- und entzündungshemmenden Substanzen verglichen worden. Auch der nozizeptive Schmerz sei bislang in Studien kaum berücksichtigt worden.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

 

Fernández-de-las-Peñas C, Cleland CJ, Palacios-Ceña M, et al.: Effectiveness of manual therapy versus surgery in pain processing due to carpal tunnel syndrome: A randomized clinical trial. Eur J Pain 2017; DOI: 10.1002/ ejp.1026.

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