ArchivDeutsches Ärzteblatt21/2017Stabile Seitenlage: Nicht unbedingt lebensrettend

MEDIZINREPORT

Stabile Seitenlage: Nicht unbedingt lebensrettend

Zylka-Menhorn, Vera

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Nach einer aktuellen Studie erschwert die stabile Seitenlage das frühzeitige Erkennen eines Atemstillstands und verzögert den Beginn der Herzdruckmassage.

Foto: 123rf_hfsimaging
Foto: 123rf_hfsimaging

Durch die stabile Seitenlage wird der Mund einer selbstständig atmenden bewusstseinsgetrübten oder bewusstlosen Personlosen zum tiefsten Punkt des Körpers. Damit wird sichergestellt, dass die Atemwege freigehalten werden und Erbrochenes oder Blut ablaufen kann. Der Betroffene wird so vor Aspiration bewahrt. Zu den vordringlichen Maßnahmen in der Notfallversorgung bewusstloser Patienten gehört es aber, das allmähliche Versagen der Atmung zu erkennen, um sofort mit der Herzdruckmassage zu beginnen. Hierfür wird in den Leitlinien zur Reanimation des European Resuscitation Council empfohlen, den Kopf des Patienten nach hinten zu überstrecken (Head Tilt Chin Lift-Position, HTCL).

Zu erkennen, ob die Spontanatmung allmählich nachlässt und schließlich sistiert, ist allerdings nicht immer einfach – insbesondere bei Patienten in stabiler Seitenlage. Wird dadurch eventuell die lebensrettende Herzdruckmassage verzögert? Dieser Frage sind spanische Notfallmediziner in einer Studie nachgegangen (1). Hierfür wurden 59 Studenten in 2 Gruppen eingeteilt: 1 erhielt einen standardisierten kardiopulmonalen Reanimations-Auffrischungskurs einschließlich der stabilen Seitenlagerung, die andere einen modifizierten Kurs mit kontinuierlicher Kopfneigung und Kinnanhebung der Patienten.

1 Woche später erfolgte ein Simulationstest, um die Bewertung der Atmung zu überprüfen. Freire-Tellado und Kollegen stoppten, wie schnell die Probanden in einer simulierten Notfallsituation den einsetzenden Atemstillstand eines Bewusstlosen bemerkten. Binnen 2 Minuten schafften das 14 von 27 Studienteilnehmern bei Seitenlagerung (51,85%) und 23 von 28 bei Lagerung in HTCL-Position (82,14%, p=0,006). Je 2 Probanden in beiden Gruppen hatten sofort nach Beginn der Notfallsimulation trotz normaler Atmung mit der Herzdruckmassage begonnen. „Die stabile Seitenlage behinderte die Einschätzung der Atemtätigkeit und verzögerte das Erkennen des Atemstillstands“, kommentieren die Autoren die Resultate ihrer Studie. Im Vergleich zur HTCL-Position habe dies den Beginn der Herzdruckmassage verzögert und die Wahrscheinlichkeit erhöht, nicht mit der kardiopulmonalen Reanimation zu beginnen.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

3 Fragen an . . .

Prof. Dr. med. Bernd W. Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Köln

Gibt es Studien, die einen Überlebensvorteil für die Patienten in stabiler Seitenlagerung belegen?

Ich kenne keine Studie, die zeigt, dass diese Position tatsächlich einen positiven Impact in diese Richtung hat. Daher könnte es sein, dass die stabile Seitenlage keine streng wissenschaftlich basierte Evidenz besitzt. Die stabile Seitenlage rettet ganz sicher bestenfalls nur sehr, sehr wenige Menschen, gefährdet gleichzeitig aber viel zu viele vital, weil sie nicht selten fälschlicherweise auch beim Herz-Kreislauf-Stillstand angewandt wird.

Die stabile Seitenlage gehört dennoch zu den wichtigen Lernzielen der Erste-Hilfe-Kurse, die ja auch alle Führerscheinbewerber durchlaufen müssen ...

Ja, und in der Notfallsituation erinnern sich die Menschen dann leider zu oft an die stabile Seitenlage und leiten nicht die dann einzig hilfreiche Herzdruckmassage ein. Wir finden daher viele Menschen in der stabilen Seitenlage, die eigentlich einen Herz-Kreislauf-Stillstand haben und sofort eine Herzdruckmassage benötigt hätten.

Gibt es diesbezüglich Gespräche zwischen den Fachgesellschaften und den Hilfsorganisation?

Ja, nachdem wir darauf aufmerksam gemacht und hierzu in die gemeinsame Diskussion gegangen sind, bewegen sich die Dinge langsam in die richtige Richtung. Und wir beginnen ja auch jetzt bereits in den Schulen mit der Ausbildung in Herzdruckmassage, sodass der Fokus in der Laienausbildung auch hier jetzt schon viel stärker und früher auf der Herzdruckmassage, der Reanimation und dem Herz-Kreislauf-Stillstand liegt.

1.
Freire-Tellado M, et al.: Does lying in the recovery position increase the likelihood of not delivering cardiopulmonary resuscitation? Resuscitation 2017, online 9. April. DOI: 10.1016/j.resuscitation.2017.03.00 CrossRef
1.Freire-Tellado M, et al.: Does lying in the recovery position increase the likelihood of not delivering cardiopulmonary resuscitation? Resuscitation 2017, online 9. April. DOI: 10.1016/j.resuscitation.2017.03.00 CrossRef

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