MEDIZINREPORT
Prehabilitation: „Fit“ werden für eine Operation


Die Prehabilitation steht noch am Anfang, doch das Potenzial ist erheblich. Individuell angepasste präoperative Bewegungs- und Sporttherapien können die Komplikationsrate reduzieren und verbessern die Lebensqualität der Patienten.
Die körperliche Leistungs- und Funktionsfähigkeit ist ein wesentlicher prognostischer Faktor für die Komplikationsrate und die Rehabilitation bei operativen Eingriffen – aber auch bei vielen nichtoperativen Behandlungen. Daher gilt es zunehmend, die Patienten bereits vor Operation und Therapie gezielt im Sinne einer Rehabilitation vorzubereiten. Diese Prehabilitation dient als Maßnahme zur weitestmöglichen präoperativen Optimierung der Körperfunktionen als Voraussetzung zum Erhalt eines „für den jeweiligen Patienten“ optimalen Levels der körperlichen Leistungs- und Funktionsfähigkeit während und nach Operationen (1).
Dosierte Reize
Dafür sind Maßnahmen gefragt, die die physischen und psychischen Voraussetzungen für ein möglichst komplikationsloses Überstehen von Operationen schaffen und eine möglichst optimale und schnelle Regeneration erlauben. Sport- und/oder Bewegungstherapie hilft, durch dosierte Reize nicht nur Muskulatur und Herzkreislaufsystem zu aktivieren, sondern auch Bewegungsapparat und Immunsystem auf die Operationsbelastung vorzubereiten.
Häufig wird der physische und psychische Zustand von Patienten durch verstärkte Inaktivität im Vorfeld von geplanten Operationen negativ beeinflusst und die Wiederherstellung des gewünschten Gesundheits- beziehungsweise Funktionszustands erschwert. Ziel sollte es daher sein, dass Patienten präoperativ einen möglichst guten Fitnesszustand mitbringen (2), um den Operationserfolg zu verbessern. Ein Weg dazu sind spezielle Trainingsprogramme (Physiotherapie, Bewegungs- und Sporttherapie) für:
- Bewegungsapparat,
- Herz-Kreislauf-System,
- Lungenfunktion,
- Stoffwechsel und/oder
- Immunsystem.
Nach neueren Studien kann eine – individuell angepasste – Prehabilitation den Operationserfolg auch bei schwer kranken Patienten verbessern (3). Prehabilitation wird derzeit vor allem vor orthopädischen Eingriffen genutzt. Aber auch herzchirurgische Operationen und große viszeralchirurgische Eingriffe können mit Bewegungs- und Sporttherapie vorbereitet werden. Zunehmend in den Blickpunkt rückt die Prehabilitation bei Tumorpatienten nicht nur präoperativ (4), sondern auch vor Chemotherapie oder Bestrahlung (5).
Die Prehabilitation unterliegt höheren Anforderungen als die klassischen präventiven und rehabilitativen Maßnahmen, um die kurze, meist nur wenige Wochen dauernde präoperative Zeit optimal nutzen zu können. Insbesondere Patienten mit erhöhtem Risikoprofil aufgrund eines schlechten körperlichen Fitnesszustands und Ältere profitieren von der Verbesserung der physischen Funktionen und des Leistungszustands (6, 7).
Die Funktion des Bewegungsapparats kann durch Prehabilitation bei Patienten vor Knie- und Hüftgelenkersatz verbessert werden, was wiederum die Rehabilitation positiv beeinflusst. Patienten mit schweren funktionellen Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit können besonders von der Prehabilitation durch Bewegungstherapie profitieren (8), auch wenn einige Studien infrage stellen, inwieweit es postoperativ zu einer direkten Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit kommt (9).
Der Erfolg der Prehabilitation kann nicht nur an der Wiederherstellung der Gelenkbeweglichkeit gemessen werden. Präoperatives Muskeltraining reduziert auch die postoperative Muskelatrophie. Alternativ kann die Elektromyostimulation zum Einsatz kommen (10).
Bewegungs- und Sporttherapie als Baustein einer komplexen Prehabilitation kann Ausdauer-, Kraft- sowie Koordinationstraining und – abgestimmt auf den Fitnesszustand des Patienten – Trainingseinheiten unterschiedlicher Intensität und Volumen beinhalten. Es kann reichen vom einfachen Training auf dem Fahrradergometer über Krafttraining mit und ohne Geräte bis hin zu Training im Wasser, sensomotorischem Training oder Atemtraining. Idealerweise sollte die Prehabilitation auch Ernährungsmanagement und psychologische Behandlung beinhalten (5).
Übersichtsarbeiten
Der erste systematische Review zur Prehabilitation umfasst 12 Studien mit Patienten vor herzchirurgischen, abdominalen und Gelenkersatzoperationen. Das Ergebnis: Nur für die kardiochirurgischen und abdominalen Eingriffe konnte eine kürzere Krankenhausverweildauer und eine Reduktion der postoperativen Komplikationen belegt werden (3).
Ein weiterer systematischer Review von 6 Prehabilitationsstudien zur Vorbereitung auf elektive Abdominaloperationen zeigt, dass zumindest in 2 Studien eine Verbesserung der körperlichen Fitness, in 2 eine Reduktion der postoperativen Komplikationen und in 3 Studien eine Verbesserung der Lungenfunktion erreicht werden konnte. Eine weitergehende Analyse – insbesondere zu den Trainingsmodalitäten – war aufgrund der heterogenen Trainingsinterventionen nicht möglich (11).
Ähnliche Verbesserungen der körperlichen Fitness und eine Reduktion der Komplikationsrate zeigt eine Metaanalyse bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSLC). Neben der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Komplikationsrate und der Krankenhausverweildauer wurde die Lebensqualität der Patienten durch die Prehabilitation positiv beeinflusst (12).
Der Effekt von Atem(muskel)training vor herzchirurgischen Eingriffen wurde in 17 Studien mit mehr als 2 000 Patienten analysiert; hier ergibt sich eine Evidenz für die Reduktion (Hazard-Ratio 0,39) pulmonaler Komplikation durch diese spezifische Prehabilitation (13).
Ausblick
- Trotz der insgesamt noch begrenzten klinischen Studienlage dürfte das Potenzial der Prehabilitation erheblich sein.
- Es sind jedoch dringend klinische Studien zur Evidenz und zu den genauen Effekten der Prehabilitation notwendig. Das Verständnis und Wissen um die Wirkmechanismen von spezifischen Bewegungs- und Sporttherapien sollte es ermöglichen, individualisierte Trainingsprogramme für die Patienten zu entwickeln, die den Nutzen der Prehabilitation erhöhen können.
- Die Trainingsprogramme müssen individualisiert werden, um den stark variierenden Anforderungen der verschiedenen Krankheitsentitäten zu entsprechen.
- Die bisherigen Studien im Bereich der Prehabilitation zeichnen sich durch eine hohe Heterogenität der Trainingsintervention, der Trainingsdauer (von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten) und der Trainingshäufigkeit aus. Dadurch ist ihre Vergleichbarkeit limitiert. Dies erklärt, warum die Ergebnisse der klinischen Studien trotz positiver Grundtendenz im Detail voneinander abweichen (11, 14).
- Die Prehabilitation dürfte nicht nur einen großen Nutzen für die Patienten haben, sondern auch zu finanziellen Vorteilen im Gesundheitssystem führen. Fittere Patienten, die schneller und besser ihre Funktionsfähigkeit weitestmöglich zurückgewinnen, belasten die Solidargemeinschaft in geringerem Maß. Diese Annahme wird durch eine randomisiert kontrollierte Studie untermauert, wonach die Prehabilitation in Kombination mit früher Rehabilitation kosteneffektiver ist als die konventionelle Rehabilitation allein (15).
Prof. Dr. med. Wilhelm Bloch
Institut für Kreislaufforschung und
Sportmedizin, Deutsche Sporthochschule Köln
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit2217
oder über QR-Code.
comes of primary total knee arthroplasty. Singapore Med J 2016; 57 (3): 138–43 CrossRef MEDLINE PubMed Central
after surgery of the lumbar spine. BMC Health Serv Res 2008; 8: 209 CrossRef MEDLINE PubMed Central
1. | Cabilan CJ, Hines S, Munday J: The impact of prehabilitation on postoperative functional status, healthcare utilization, pain, and quality of life: a systematic review. Orthop Nurs 2016; 35 (4): 224–37 CrossRef MEDLINE |
2. | Myers JN, Fonda H: The impact of fitness on surgical outcomes: the case for prehabilitation. Curr Sports Med Rep 2016; 15 (4): 282–9 MEDLINE |
3. | Valkenet K, van de Port IG, Dronkers JJ, de Vries WR, Lindeman E, Backx FJ: The effects of preoperative exercise therapy on postoperative outcome: a systematic review. Clin Rehabil 2011; 25 (2): 99–111 CrossRef MEDLINE |
4. | Heldens AF, Bongers BC, de Vos-Geelen J, van Meeteren NL, Lenssen AF: Feasibility and preliminary effectiveness of a physical exercise training program during neoadjuvant chemoradiotherapy in individual patients with rectal cancer prior to major elective surgery. Eur J Surg Oncol 2016; 42 (9): 1322–30 CrossRef MEDLINE |
5. | Le Roy B, Pereira B, Bouteloup C, et al.: Effect of prehabilitation in gastro-oesophageal adenocarcinoma: study protocol of a multicentric, randomised, control trial – the PREHAB study. BMJ Open 2016; 6 (12): e012876 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
6. | Levett DZ, Edwards M, Grocott M, Mythen M: Preparing the patient for surgery to improve outcomes. Best Pract Res Clin Anaesthesiol 2016; 30 (2): 145–57 CrossRef MEDLINE |
7. | Le Roy B, Selvy M, Slim K: The concept of prehabilitation: What the surgeon needs to know? J Visc Surg. 2016; 153 (2): 109–12 CrossRef MEDLINE |
8. | Desmeules F, Hall J, Woodhouse LJ: Prehabilitation improves physical function of individuals with severe disability from hip or knee osteoarthritis. Physiother Can 2013; 65 (2): 116–24 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
9. | Mat Eil Ismail MS, Sharifudin MA, Shokri AA, Ab Rahman S: Preoperative physiotherapy and short-term functional out- comes of primary total knee arthroplasty. Singapore Med J 2016; 57 (3): 138–43 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
10. | Walls RJ, McHugh G, O‘Gorman DJ, Moyna NM, O‘Byrne JM: Effects of preopera-tive neuromuscular electrical stimulation on quadriceps strength and functional recovery in total knee arthroplasty. A pilot study. BMC Musculoskeletal Disorders 2010; 11: 119–27 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
11. | Pouwels S, Stokmans RA, Willigendael EM, et al.: Preoperative exercise therapy for elective major abdominal surgery: a systematic review. Int J Surg 2014; 12 (2): 134–40 CrossRef MEDLINE |
12. | Ni HJ, Pudasaini B, Yuan XT, Li HF, Shi L, Yuan P: Exercise training for patients pre- and postsurgically treated for non-small cell lung cancer: a systematic review and meta-analysis. Integr Cancer Ther 2017; 16 (1): 63–73. doi: 10.1177/1534735416645180 CrossRef |
13. | Snowdon D, Haines TP, Skinner EH: Preoperative intervention reduces postoperative pulmonary complications but not length of stay in cardiac surgical patients: a systematic review. J Physiother 2014; 60 (2): 66–77 CrossRef MEDLINE |
14. | Perry R, Scott LJ, Richards A, et al.: Pre-admission interventions to improve out-come after elective surgery-protocol for a systematic review. Syst Rev 2016; 5: 88 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
15. | Nielsen PR, Andreasen J, Asmussen M, Tønnesen H: Costs and quality of life for prehabilitation and early rehabilitation after surgery of the lumbar spine. BMC Health Serv Res 2008; 8: 209 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.