EDITORIAL
Reform der Psychotherapeutenausbildung: Auf der politischen Kippe


Sie protestierten erneut, denn es hat sich in der Praxis immer noch nichts geändert: Psychologiestudierende und Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) gingen am 20. Mai bundesweit in vielen Städten auf die Straße, um für bessere Ausbildungsbedingungen zu kämpfen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!“, steht auf den Plakaten und „Arbeit ohne Lohn, das ist ein Hohn!“. Seit 1999 müssen PiA ihr praktisches Jahr in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken absolvieren – in den meisten Fällen ohne angemessene Vergütung, manchmal auch ganz ohne. Hinzu kommen nach Angaben der Protestierenden Kosten von 20 000 bis 45 000 Euro, die für die drei- bis fünfjährige Ausbildung an die privaten Ausbildungsinstitute gezahlt werden müssen. Ein Teil der Gebühren wird zwar für geleistete Psychotherapiestunden verrechnet, doch hinzu kommen noch die Lebenshaltungskosten. „Man hat mehrere Jobs und verschuldet sich dennoch. Oder man hat Glück und wohlhabende Eltern, dabei sollte der Zugang zu diesem Beruf für alle gleich sein“, kritisiert Armin Ederer von der Psychologie-Fachschaften-Konferenz, die zusammen mit dem pia.Forum und Unterstützung vieler Berufsverbände die Proteste organisiert haben.
An Unterstützung aus den eigenen Reihen mangelt es den PiA nicht: Unzählige Psychotherapeutentage haben sich bereits mit der Reform der Ausbildung befasst, Konzepte hin und her überlegt und sich trotz aller Differenzen mit der sogenannten Direktausbildung und anschließenden Weiterbildung anfreunden können. Auf dem letzten Psychotherapeutentag in Hannover wurde das detaillierteste Konzept vorgestellt: ein elfsemestriges Studium der Psychotherapie mit der Möglichkeit zur Approbation und anschließender fünfjähriger Weiterbildung, die zur Niederlassung berechtigt (siehe Seite 255). Dieser „ordnungspolitische“ Rahmen – in Anlehnung an die ärztliche Ausbildung – ermöglicht es erst, den künftigen Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) Tarifgehälter auch in Kliniken rechtlich abgesichert zu gewähren. Aus so manchem prekär lebenden PiA würde ein PiW, der nach aktuellen Vorstellungen mit rund 4 600 Euro brutto monatlich nach Hause geht. Das Konzept zur Finanzierung der Weiterbildung, das die Bundespsychotherapeutenkammer aufgrund zweier Gutachten für den ambulanten und für den stationären Bereich erarbeitet hat, ist durchdacht und realisierbar. Ob es in dieser Legislaturperiode allerdings noch auf politischer Ebene diskutiert werden wird, ist fraglich. Sehr pessimistisch gedacht, ist unsicher, ob die Reform der Ausbildung überhaupt auf der Agenda der nächsten Bundesregierung stehen wird. Im günstigeren Fall legt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in den nächsten Wochen einen Arbeitsentwurf zur Ausbildungsreform vor, das politische Stellungnahmeverfahren könnte beginnen und ein Referentenentwurf folgen – ein straffer Zeitplan bis zur Sommerpause. Doch wie gesagt, die nächste Bundesregierung muss diesen Referentenentwurf auch wieder hervorholen, die Reform der Ausbildung muss im Koalitionsvertrag verankert sein. Schon andere gute Gesetzesinitiativen sind an Regierungswechseln gescheitert.
Es lohnt sich, dafür zu kämpfen – auf allen Ebenen. Denn sonst könnten wieder Jahre ins Land ziehen, in denen angehende Psychotherapeuten sich um ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.