POLITIK: Medizinreport
Multiple Sklerose durch Hepatitis-B-Impfung: Studie entkräftet Verdacht


Seit 1981 sind Impfstoffe gegen Hepatitis B (HB) auf dem Markt. Während die ersten Vakzine aus dem Blut
Infizierter gewonnen wurden, kommen heute vorwiegend gentechnisch hergestellte Impfstoffe zur Anwendung.
Bisher sind etwa 200 Millionen Menschen vorbeugend geimpft worden. Obwohl die HB-Vakzine als besonders
sicher und arm an Nebenwirkungen gilt, kam immer wieder der Verdacht auf, daß die rekombinanten Impfstoffe
an der Entstehung von Autoimmunkrankheiten schuld sein könnten (Science 1998; 281: 630-631). Besonders
beunruhigend erschienen vereinzelt mitgeteilte Fälle über einen möglichen Zusammenhang zwischen der
Vakzinierung und dem Ausbruch von Multipler Sklerose.
Gedanklicher Hintergrund war das molekulare "Mimikry" - die Vorstellung, daß Partikel der Virushülle nicht
nur die Bildung von Antikörpern gegen das Virus in Gang setzen, sondern auch gegen körpereigene Moleküle,
die den Viruspartikeln sehr ähnlich sind und zur Zerstörung von Zellen führen. Ob molekulares Mimikry
allerdings bei Impfungen eine Rolle spielt, wird noch kritisch gesehen. Beweise fehlen.
Dennoch hat in Frankreich der Arzt Philippe Jacubowicz bis 1998 mehr als 600 Fälle gesammelt, bei denen nach
einer HB-Impfung Symptome auftraten, die vielfach denen der Multiplen Sklerose glichen. In England und
Kanada sind jeweils 100 derartige Fälle registriert worden. In den USA sammelt Bonnie Dunbar, Biologin am
Baylor College of Medicine in Houston/Texas, solche Fallgeschichten. Bei der amerikanischen
Arzneimittelbehörde FDA sind bis 1998 ebenfalls 111 Fälle dokumentiert worden. Nach Prüfung der Unterlagen
wurde jedoch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Autoimmunkrankheiten und Impfung gegen Hepatitis
B festgestellt.
Eine Studie im Auftrag der französischen Regierung ergab sogar, daß unter Geimpften Multiple Sklerose
seltener auftritt als unter Nicht-Geimpften. Dennoch formierten sich unter der Führung von Rechtsanwälten in
Frankreich, England und Kanada Gruppen von Geimpften, die ihre Autoimmunerkrankungen auf die Impfung
zurückführen und Schadensersatz von den Firmen zu erlangen suchen. FDA-Experten, Impfstoffhersteller und
Kritiker waren sich schnell einig, daß der Verdacht gegen die Impfstoffe durch epidemiologische Studien an
ausreichend großen Populationen überprüft werden müsse. 1998 wurden mehrere solcher Studien begonnen.
Neu diagnostizierte Entmarkungskrankheiten
Jetzt hat Dr. med. Frauke Zipp von der Neurologischen Klinik der Berliner Charité die erste große
epidemiologische Untersuchung zu dieser Fragestellung in Nature Medicine veröffentlicht (1999; 5: 964-965).
Dazu wurden die Krankenversicherungsdaten von 134 698 Amerikanern ausgewertet. 27 229 von ihnen waren
zwischen 1988 und 1995 mit rekombinanten HB-Vakzinen geimpft worden, die übrigen 107 469 dienten als
(nicht-geimpfte) Kontrollpersonen. Zipp fand für drei Jahre nach der Impfung keinen signifikanten Unterschied
in der Häufigkeit neu diagnostizierter Entmarkungskrankheiten zwischen Geimpften und Nichtgeimpften -
weder zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der Nachbeobachtungszeit, noch bezogen auf das Alter der
Geimpften. Dr. med. Silvia Schattenfroh