MEDIZIN: Originalarbeit
Operative und endovaskuläre Therapie extrakranieller Carotisstenosen
Sekundärdatenanalyse der gesetzlichen Qualitätssicherungsdaten von 2009 bis 2014
Surgical and endovascular treatment of extracranial carotid stenosis—a secondary analysis of statutory quality assurance data from 2009 to 2014
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Hintergrund: Die Carotisendarteriektomie (CEA) und das Carotisstenting (CAS) können zur Prävention von Schlaganfällen eingesetzt werden, die mit arteriosklerotischen Läsionen der Arteria carotis assoziiert sind. Die in Deutschland gesetzlich verpflichtende Qualitätssicherung (QS) ermöglicht die Evaluation der Ergebnisqualität von CEA und CAS unter Routinebedingungen.
Methode: Es erfolgte eine Analyse aller elektiven CEAs (2009–2014) und CAS (2012–2014). Endpunkte dieser Studie waren die kombinierte Schlaganfallrate und Letalität während des stationären Aufenthalts, Schlaganfallrate und Letalität sowie lokale und sonstige Komplikationen. Neben der deskriptiven Analyse der Rohdaten wurde eine risikoadjustierte Analyse der Assoziation klinisch nicht veränderbarer Variablen mit dem Schlaganfall- und Sterberisiko vorgenommen. Alle Analysen erfolgten getrennt für CEA und CAS.
Ergebnisse: Es wurden 142 074 CEA (67,8 % männlich) und 13 086 CAS (69,7 % männlich) erfasst. Das mediane Alter betrug 72 (CEA) und 71 Jahre (CAS). Die periprozedurale Schlaganfallrate/Letalität der CEA betrug 1,4 % bei asymptomatischen und 2,5 % bei symptomatischen Stenosen; bei CAS waren es 1,7 % beziehungsweise 3,7 %. Folgende Variablen waren mit einer Risikozunahme assoziiert: zunehmendes Lebensalter, ASA-Klassifikation (ASA, American Society of Anaesthesiologists), symptomatische versus asymptomatische Stenose, 50–69 %iger Stenosegrad und kontralateraler Carotisverschluss (nur bei CEA nachgewiesen).
Schlussfolgerung: Die Daten belegen ein niedriges periprozedurales Schlaganfall- und Sterberisiko von CEA und CAS. Eine Aussage zur Über- oder Unterlegenheit einer der beiden Methoden ist anhand dieser Daten nicht möglich.


Durch arteriosklerotische Läsionen der extrakraniellen Arteria carotis werden 10–20 % aller ischämischen Schlaganfälle verursacht. Für die Prävention Carotis-assoziierter Schlaganfälle stehen eine optimale medikamentöse Therapie, die Carotisendarteriektomie (CEA) und die stentgestützte Carotis-Angioplastie (CAS) zur Verfügung. Nationale und internationale Leitlinien geben eine starke Empfehlung für die früh-elektive CEA symptomatischer 50–99 %iger Stenosen. Bei hochgradigen asymptomatischen Carotisstenosen soll unter bestimmten Bedingungen ebenfalls eine CEA erwogen werden. CAS kann bei (a)symptomatischen Patienten als Alternative zur CEA erwogen werden, sofern das Komplikationsrisiko niedrig ist (schwache Empfehlung). Für CEA und CAS gilt die Einhaltung einer maximalen periprozeduralen Schlaganfallrate/Letalität von < 3 % bei asymptomatischen und < 6 % bei symptomatischen Stenosen (1–3).
Die CEA unterliegt seit dem Jahr 2003 der gesetzlich verpflichtenden externen Qualitätssicherung (QS), CAS seit dem Jahr 2012 (4). Die Qualitätsindikatoren dieses QS-Verfahrens richten sich auf die richtige Indikationsstellung sowie auf schwere Komplikationen während des stationären Aufenthalts (5). Die erhobenen Daten können zur Evaluation der Ergebnisqualität unter Routinebedingungen genutzt werden (6, 7). Darüber hinaus kann überprüft werden, ob die in randomisierten kontrollierten Studien (RCT) ermittelten Ergebnisse auch in einem unselektierten Patientenkollektiv erzielt werden können.
Patienten und Methoden
Patientenpopulation
Diese Studie stellt eine retrospektive Sekundärdatenanalyse der im Rahmen der verpflichtenden externen Qualitätssicherung erhobenen fallbezogenen Daten zur CEA und zu CAS dar (8).
Ein- und Ausschlusskriterien
Alle Carotisrevaskularisationen bei klinisch asymptomatischer Stenose (Indikationsgruppe A, IG-A) und bei klinisch symptomatischer Stenose (Indikationsgruppe B, IG-B) aus den Berichtsjahren 2009–2014 (CEA) und 2012–2014 (CAS) wurden eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden IG-C (Notfallindikationen bei progredientem Schlaganfall oder crescendo-transitorische ischämische Attacken (TIA), Carotisaneurysmen, Coiling der A. carotis interna und sonstige besondere Plaque-Morphologien mit einem Stenosegrad < 50 %, Rezidivstenosen und sogenannte Mehretagenläsionen) und IG-D (CEA oder CAS bei kombinierten Prozeduren an der extrakraniellen A. carotis [Koronararterien, periphere Gefäßeingriffe, simultane intrakranielle PTA/Stent]). IG-A und IG-B repräsentieren > 90 % aller extrakraniellen Carotis-Eingriffe, diese Indikationen sind in zahlreichen Leitlinien auf hohem Evidenzniveau hinterlegt (1–3). Die Zuordnung zu den Indikationsgruppen erfolgte unter Beachtung der in den Bundesauswertungen allgemein gültigen Definitionen (9).
Klinische, morphologische und strukturelle Variablen
Die Dokumentation erfolgte durch die behandelnden Kliniken und umfasste präprozedurale Daten (Patientencharakteristika, apparative Diagnostik, Stenosegrad der A. carotis, ASA-Klassifikation), intraprozedurale Daten (Anästhesie-, OP-Technik, Stentmaterialen, OP-Dauer, Neuromonitoring, Kontrollverfahren, Thrombozytenfunktionshemmung) und postprozedurale Daten (postprozedurale Verweildauer, Tod, Schlaganfall, sonstige lokale oder allgemeine Komplikationen). Zusätzlich wurden die fallführende Fachabteilung und eine prä- und/oder postprozedurale neurologische Untersuchung erfasst.
Primäre und sekundäre Endpunkte
Der primäre Endpunkt dieser Studie ist das kombinierte Risiko für Schlaganfall (ipsi- oder kontralateral) oder Tod während des stationären Aufenthalts. Ein Schlaganfall wurde definiert als jedes zerebral verursachte neu aufgetretene neurologische Defizit > 24 Stunden, quantifiziert anhand der modifizierten Rankin-Skala (mRS) (eTabelle 2). Ein periprozeduraler Schlaganfall mit einem bei Entlassung nicht mehr vorhandenen oder geringen neurologischen Defizit (mRS 0–2) wurde als leichter Schlaganfall, ein Schlaganfall mit einem mRS > 2 als schwerer Schlaganfall klassifiziert. Der Endpunkt „Tod“ wurde administrativ durch das Krankenhaus erfasst. Sekundäre Endpunkte waren das Risiko für Schlaganfall oder Krankenhaus-Letalität allein sowie lokale und sonstige Komplikationen während des stationären Aufenthalts.
Statistische Analyse
Das zusammen mit dem AQUA-Institut erstellte Studienprotokoll und die Datennutzung wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) genehmigt (8). Die Einzelfalldaten waren beim AQUA-Institut gespeichert, der Datenzugriff erfolgte unter Einhaltung des Datenschutzes ausschließlich per kontrollierter Datenfernverarbeitung.
Es erfolgte eine deskriptive Analyse der Patientencharakteristika und der prozeduralen Variablen. Zeitintervalle wurden als Median mit Interquartilsabstand (IQ) angegeben. Zerebrale, lokale und allgemeine Komplikationen wurden separat für CEA und CAS ermittelt. Darüber hinaus wurde die Assoziation klinisch nicht veränderbarer Variablen (Alter, Geschlecht, ASA-Kategorie, neurologischer Status bei Aufnahme, ipsi- und kontralateraler Stenosegrad) mit dem Risiko für Schlaganfall oder Tod (im Krankenhaus) getrennt für CEA und CAS mithilfe eines generalisiert linearen gemischten Regressionsmodells analysiert, welches das Clustering von Patienten in Zentren mit einbezog. Das Gesamtprojekt wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München genehmigt und orientierte sich an aktuellen Standards zu Sekundärdatenanalyse und Observationsstudien (10, 11).
Ergebnisse
Zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2014 wurden 182 033 Fälle dokumentiert, hiervon erfüllten 142 074 CEA und 13 086 CAS die Einschlusskriterien (Grafik 1). Es wurden überwiegend Männer behandelt (CEA 67,8 %, CAS 69,7 %), das Lebensalter betrug bei der CEA im Median 72 (IQ 65–77) und bei CAS 71 (63–76) Jahre. In der CEA-Gruppe befanden sich weniger Patienten in den ASA-Stadien I/II als im Stadium III (29,4 % versus 68,0 %). Die Daten zur klinischen Symptomatik, dem ipsi- und kontralateralen Stenosegrad der A. carotis, den Krankenhausvolumina/Jahr und den fallführenden Abteilungen finden sich in eTabelle 3. Die postprozedurale Verweildauer betrug im Median nach CEA 5 (IQ 2–6) und nach CAS 2 (IQ 2–4) Tage.
Unter einer antithrombozytären Therapie wurden circa 90 % aller CEA und 98 % aller CAS durchgeführt. Eine lokoregionäre Anästhesie erfolgte bei der CEA in 26,3 % aller Fälle. Bei CAS wurde in 67,1 % (IG-A) beziehungsweise 48,4 % (IG-B) ein Protektionssystem eingesetzt. Weitere Daten zu Operationsdauer, Opertionstechniken, Stenttypen und Stentdesign, neurophysiologischem Monitoring und intraprozeduralen morphologischen Kontrolluntersuchungen sind in eTabelle 4 aufgelistet.
Der primäre Endpunkt (jeder Schlaganfall oder Tod) wurde bei der CEA in 1,4 % (IG-A) und 2,5 % (IG-B) der Fälle dokumentiert, bei CAS in 1,7 % (IG-A) und 3,7 % (IG-B). Die periprozedurale Letalität betrug 0,5 % (IG-A) und 0,8 % (IG-B) nach CEA und 0,4 % (IG-A) und 1,5 % (IG-B) nach CAS.
Hirnnervenläsionen (zum Beispiel N. vagus, N. hypoglossus) traten nach CEA und CAS in 1,2 % und 0 % auf, operationspflichtige Nachblutungen sowie katheterassoziierte Leistenkomplikationen in 2,4 % beziehungsweise 0,9 %. Die Rate dokumentierter Myokardinfarkte betrug nach CEA 0,4 % und nach CAS 0,1 %. Sonstige schwere Komplikationen wurden in 3,4 % beziehungsweise 3,1 % aller Fälle beobachtet (Tabelle 1).
Die Assoziation zwischen klinisch nicht veränderbaren Variablen und dem relativen Risiko eines periprozeduralen Schlaganfalls oder Tods werden für CEA und CAS getrennt in Grafik 2a, b dargestellt. Folgende Variablen waren für CEA und CAS statistisch signifikant: zunehmendes Lebensalter in allen Altersgruppen ≥ 65 Jahren, eine zunehmende ASA-Klassifikation und das Vorliegen einer symptomatischen versus einer asymptomatischen Stenose. Bei der CEA waren zusätzlich das Vorhandensein einer 50–69 %igen Stenose und ein kontralateraler Carotisverschluss mit einem höheren Risiko assoziiert. Das Geschlecht stellt für beide Behandlungsmodalitäten keinen assoziierten Risikofaktor dar (alle Daten zum Relativen Risiko [RR] in Grafik 2 a, b).
Diskussion
Die Kooperation mit dem AQUA-Institut ermöglichte eine nahezu lückenlose Analyse aller in Deutschland durchgeführten operativen (CEA, 2009–2014, n = 142 074) und endovaskulären Behandlungen (CAS, 2012–2014, n = 13 086) zur Therapie einer extrakraniellen Carotisstenose. 18,7 % aller elektiven Eingriffe erfolgten endovaskulär (2012–2014). Zum Vergleich lag dieser Anteil in den Jahren 2005–2010 bei < 5 % (Schweiz, Ungarn, Finnland, Norwegen, Dänemark, Großbritannien), bei circa 11 % in Australien und den USA sowie 17,4 % in Italien (12–14).
Patientencharakteristika
Das mediane Lebensalter lag in unserer Studie bei 72 (CEA) beziehungsweise 71 Jahren (CAS), der Anteil an Männern bei 67,8 % (CEA) und 69,7 % (CAS). In einer vorherigen Studie konnten wir zeigen, dass das Durchschnittsalter der CEA-Patienten seit dem Jahr 2003 um circa 2 Jahre angestiegen ist (6). In internationalen Registern finden sich vergleichbare Alters- und Geschlechtsangaben (12, 13). Lediglich in den USA ist der Anteil weiblicher Patienten mit 42,2 % (CEA) und 40,9 % (CAS) höher (14).
In 60,3 % der Fälle (CEA) beziehungsweise 63,9 % (CAS) lag eine asymptomatische Carotisstenose vor. Dieser Anteil ist niedriger als in den USA (> 80 %) (14) und Italien (69 %, nur CEA), aber deutlich höher als zum Beispiel in Großbritannien (17 %, CEA) oder Dänemark (1,3 %, CEA) (12).
Im Gegensatz zu anderen Registerstudien lag der Anteil multimorbider Patienten (ASA-III bis V) bei der CEA mit > 70 % deutlich höher als bei CAS (38,4 %) (eTabelle 3) (13, 15–22). Es ist unklar, ob in Deutschland tatsächlich weniger schwerkranke Patienten mit CAS behandelt worden sind oder aber CEA-Patienten generell einer höheren ASA-Klassifikation zugeordnet werden.
Periprozedurale Schlaganfallrate und Letalität
Die Studie zeigt, dass die maximal akzeptierte periprozedurale Schlaganfallrate/Letalität von < 3 % für asymptomatische Stenosen und < 6 % für symptomatische Stenosen bei der CEA mit 1,4 % beziehungsweise 2,5 % und bei CAS mit 1,7 % beziehungsweise 3,7 % eingehalten wird. Die vorliegenden Daten und die genannten Leitlinienempfehlungen beziehen sich auf den stationären Aufenthalt (1–3). Aus nordamerikanischen Registerstudien ist allerdings bekannt, dass 20–40 % aller innerhalb der ersten 30 Tage aufgetretenen Todesfälle und Schlaganfälle erst nach der Entlassung aus der stationären Behandlung auftreten (siehe Limitationen) (21, 23, 24).
Die einleitend zitierten Empfehlungen für CEA und CAS beruhen auf mehreren RCT zum Vergleich der CEA mit CAS oder der alleinigen konservativen Therapie bei höhergradigen extrakraniellen Carotisstenosen. Insbesondere für die CEA symptomatischer Stenosen konnte im Vergleich zur alleinigen konservativen Therapie eine Reduktion des absoluten Schlaganfallrisikos von 10–20 % nach 5 Jahren gezeigt werden. Für die asymptomatische Carotisstenose beträgt diese nur circa 6 % nach 5 Jahren. Aufgrund einer verbesserten medikamentösen Primärprävention (Thrombozytenfunktionshemmer, Statine) wird die Indikation zur CEA (beziehungsweise CAS) zur Behandlung asymptomatischer Carotisstenosen zunehmend infrage gestellt (25).
Beim Vergleich von CEA und CAS konnte die gemeinsame Auswertung der vier industrie-unabhängigen Multi-Center-RCTs (SPACE, ICSS, EVA3-S, CREST, Carotid Stenosis Trialist Collaboration [Tabelle 2] nur symptomatische Stenosen) (26, 27) zeigen, dass die CEA mit einer niedrigeren kombinierten prozeduralen Schlaganfallrate/Letalität assoziiert ist. Subgruppenanalysen zeigen, dass dies in besonderem Maße auf > 70-jährige Patienten zutrifft (28). Im Langzeitverlauf treten nach beiden Verfahren nur wenige neue ipsilaterale Schlaganfälle auf (28). CAS ist mit einer niedrigeren Anzahl periprozeduraler Myokardinfarkte und einer deutlich niedrigeren Anzahl periprozeduraler Hirnnervenläsionen assoziiert (26, 29).
Aktuelle Leitlinien empfehlen, symptomatische Carotisstenosen innerhalb der ersten 14 Tage zu behandeln. Diese Vorgabe wird im Median von 9 Tagen für die CEA und für CAS erreicht. In einer vorherigen Studie konnten wir zeigen, dass das Intervall zwischen dem neurologischen Indexereignis und der CEA seit 2003 von 28 auf 8 Tage (Median) in 2012 reduziert werden konnte (6). Da das Rezidivrisiko einer zerebralen Ischämie in den ersten 14 Tagen besonders hoch ist (30), sind weitere Anstrengungen notwendig, um symptomatische Carotisstenosen noch früher zu behandeln. Hierbei ist zu beachten, dass in der CSTC-Studie (Tabelle 2) die periprozedurale Schlaganfallrate/Letalität von CAS innerhalb der ersten Woche deutlich höher war als bei der CEA (31). In einer weiteren Analyse der deutschen Registerdaten konnten wir die niedrige Komplikationsrate der frühen CEA bestätigen (32).
Gründe für die auch in Deutschland bei symptomatischen Stenosen um 1,2 % höhere Schlaganfallrate bei CAS könnten eine höhere Embolierate bei der Katheterpassage der arteriosklerotischen Läsion, die Durchführung bei morphologisch ungeeigneten Läsionen (zum Beispiel starke Verkalkung, instabile Plaques) sowie eine unzureichende Erfahrung der Behandler sein.
Die Über- oder Unterlegenheit von CEA, CAS oder einer alleinigen konservativen Therapie von asymptomatischen Carotisstenosen ist Gegenstand laufender Studien (CREST-2, ECST-2, Langzeitdaten aus SPACE-2). Das Behandlungsrisiko von CEA und CAS ist niedriger als bei einer symptomatischen Stenose.
Die auch im Vergleich zu den oben genannten RCT niedrigen Komplikationsraten der CEA könnten auch durch ein optimiertes perioperatives Management erklärt werden. So konnten wir in einer aktuellen Substudie zeigen, dass die perioperative Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern (RR: 0,83; 95-%-KI: [0,71; 0,97]), die Lokalanästhesie (RR: 0,85; 95-%-KI: [1,22; 2,01]) und intraoperative Kontrollverfahren (Angiographie: RR: 0,80; 95-%-KI: [0,71; 0,90], Sonographie: RR: 0,74; 95-%-KI: [0,63; 0,88]) mit einem signifikant niedrigeren perioperativen Schlaganfallrisiko assoziiert waren (6, 33). Zum Vergleich war bei CAS die Anwendung eines Protektionssystems mit einer um 35 % niedrigeren Komplikationsrate assoziiert (RR: 0,65; 95-%-KI: [0,43; 0,77]) (34).
Assoziation klinischer Variablen mit dem Behandlungsrisiko
Unsere Studie zeigt, dass ab dem 65. Lebensjahr das Risiko, einen periprozeduralen Schlaganfall oder Tod zu erleiden, ansteigt. Dieser Effekt ist bei CAS stärker als bei der CEA und wird vermutlich durch den bei der endovaskulären Therapie größeren Einfluss des Lebensalters auf das prozedurale Schlaganfallrisiko verursacht und weniger durch einen Anstieg des periprozeduralen Sterberisikos (35).
Vergleichbar zu Daten aus den USA war auch in unserer Studie die ASA-Kategorie und das Vorliegen einer symptomatischen Stenose bei beiden Behandlungsmodalitäten mit einem höheren prozeduralen Risiko assoziiert (36). Auch dieser Effekt war bei CAS etwas deutlicher ausgeprägt. Die Indikation zu einer revaskularisierenden Therapie sollte also bei schwerkranken Patienten individuell abgewogen werden.
Lokale Komplikationen der CEA
Lokale Komplikationen der CEA betrafen in der vorliegenden Studie operationspflichtige Nachblutungen/ Hämatome (in 2,4 %) und dokumentierte Hirnnervenläsionen (in 1,3 % aller Fälle). In einer Studie aus Großbritannien lagen diese Komplikationsraten bei 4,2 % und 2,1 % (37). In der Literatur werden Hirnnervenläsionen (zum Beispiel N. hypoglossus) in bis zu 5,6 % beschrieben. Die Rate permanenter Hirnnervenläsionen beträgt in der Literatur 0,7 % nach 10 Monaten (38).
Die Rate dokumentierter perioperativer Myokardinfarkte war bei beiden Behandlungsmodalitäten mit 0,3–0,4 % (CEA) beziehungsweise 0,1 % (CAS) sehr gering. In einer aktuellen Übersichtsarbeit wurde eine etwas höhere 30-Tages-Rate an Myokardinfarkten von 0,9 % (CEA) und 0,7 % (CAS) beschrieben (39). Da im Rahmen der Qualitätssicherung keine systematische Detektion myokardialer Ischämien (Biomarker, EKGs et cetera) erfolgt, könnte die tatsächliche Anzahl klinisch apparenter und subklinischer Myokardischämien höher sein.
Limitationen
Diese Studie erfasst keine konservativ behandelten Patienten mit extrakranieller Carotisstenose. Außerdem gibt es keine ausreichenden Informationen zur Differenzialindikation CEA oder CAS (zum Beispiel Morphologie der Stenose, Aortenbogenkonfiguration, Zuweiser- und Patientenwunsch, Profil der behandelnden Klinik, interdisziplinäre Fallbesprechung).
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können Zusammenhänge lediglich als Assoziationen, nicht jedoch als Kausalzusammenhänge interpretiert werden. Die Dokumentation der Prozeduren erfolgte zumeist durch die Behandler selbst, ein externes Audit erfolgte nicht. Der G-BA hat das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen beauftragt, die Validität der Daten und den in den Ländern durchgeführten Strukturierten Dialog (bei rechnerischen Auffälligkeiten) zu analysieren. Der letzte Bericht zum Strukturierten Dialog 2015 (Erfassungsjahr 2014) ergab bundesweit eine Rate von 223 rechnerischen Auffälligkeiten, von denen 16 (= 7,1 %) einem tatsächlichen qualitativen Defizit entsprachen (5).
Unsere Studie erlaubt keinen direkten Vergleich mit 30-Tages-Endpunkt-Studien, da nur die stationäre Behandlung erfasst wird. Die in der deutsch-österreichischen Leitlinie zur Carotisstenose empfohlene prä- und postprozedurale neurologische Untersuchung erfolgt nicht bei allen Patienten (3).
Für diese Studie sind zudem ein Selektionsbias (Indikationsstellung für Revaskularisierung, Methodenwahl) und ein Informationsbias (hinsichtlich Qualität der Befunderhebung und Dokumentation) denkbar.
Zusammenfassung
Die vorliegende Sekundärdatenanalyse erfolgte zur Evaluation der Ergebnisqualität der operativen (CEA) und endovaskulären Therapie (CAS) extrakranieller Carotisstenosen in Deutschland. Die maximal akzeptierten Komplikationsraten von < 3 % (asymptomatische Stenose) und < 6 % (symptomatische Stenose) werden bei der CEA und bei CAS unterschritten. Bei beiden Verfahren steigt das Behandlungsrisiko mit zunehmendem Lebensalter, hoher ASA-Kategorie und dem Vorliegen einer symptomatischen Stenose. Das Geschlecht hat keinen Einfluss auf das Risiko. Eine ipsilaterale 50–69 %ige Stenose und ein kontralateraler Carotisverschluss sind mit einem höheren OP-Risiko assoziiert. Diese Studie erlaubt keine Aussage zu Über- oder Unterlegenheit von CEA oder CAS. Die Indikation zu einer revaskularisierenden Therapie sollte auch weiterhin individuell unter Beachtung der verschiedenen Behandlungsmodalitäten (konservativ, CEA, CAS) gestellt werden.
Interessenkonflikt
Prof. Eckstein war zusammen mit der Firma Silkroad an Studien zum transcarotidalen Stenting beteiligt.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 16. 3. 2017, revidierte Fassung angenommen: 19. 7. 2017
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Hans-Henning Eckstein
Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Ismaninger Straße 22
81675 München
Hans-Henning.Eckstein@mri.tum.de
Zitierweise
Eckstein HH, Tsantilas P, Kühnl A, Haller B, Breitkreuz T, Zimmermann A, Kallmayer M: Surgical and endovascular treatment of extracranial carotid stenosis—a secondary analysis of statutory quality assurance data from 2009 to 2014. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 729–36.
DOI: 10.3238/arztebl.2017.0729
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
eTabellen:
www.aerzteblatt.de/17m0729 oder über QR-Code
Technische Universität München: Univ.-Prof. Dr. med. Eckstein, Dr. med. univ. Tsantilas, PD Dr. med. Kühnl, MPH,, PD Dr. med. Zimmermann, MHBA, Dr. med. Kallmayer
Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie, Klinikum rechts der Isar,
Technische Universität München: Bernhard Haller, PhD
AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen: Thorben Breitkreuz, PhD
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