MEDIZIN: Originalarbeit
Spontanpneumothorax
Epidemiologie und Versorgung in Deutschland 2011–2015
Spontaneous pneumothorax—epidemiology and treatment in Germany between 2011 and 2015
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Hintergrund: Zur Epidemiologie und Versorgung des Spontanpneumothorax gibt es wenig aussagekräftige Daten. Diese Studie untersucht die Geschlechts- und Altersverteilung, die Häufigkeit der Hospitalisation, die Letalität sowie klinische konservative und operative Versorgung in Deutschland mit dem Ziel, diagnostische und therapeutische Konsequenzen für die stationäre Versorgung differenziert abzuleiten.
Methode: Daten aller stationär behandelten Fälle von Patienten ab dem 10. Lebensjahr mit Hauptdiagnose Pneumothorax bei Entlassung, die nicht traumatisch oder iatrogen bedingt waren, wurden beim Statistischen Bundesamt für die Jahre 2011–2015 abgefragt. Alle Daten beziehen sich daher auf Fall- und nicht auf Patientenzahlen.
Ergebnisse: 52 738 Fälle mit Hauptdiagnose Spontanpneumothorax wurden 2011–2015 stationär aufgenommen. Dies entspricht einer jährlichen Häufigkeit der Hospitalisation von 14,3/100 000 (14,0; 14,5/100 000). Männer waren häufiger betroffen als Frauen. Letalität (≤ 0,08 %) und Krankenhaussterblichkeit (≤ 0,3%) bei Spontanpneumothorax waren vom 15. bis zum 45. Lebensjahr gering und betrugen bei über 90-jährigen Patienten 9,4 % beziehungsweise 15,9 %. Ebenso stieg die Häufigkeit pulmonaler Nebendiagnosen mit dem Alter an. Eine Computertomographie (CT) wurde je nach Lebensalter in 38,9–54,6 % der stationären Aufnahmen durchgeführt. Ein intensivmedizinisches Monitoring wurde in 36 % der Fälle mit Spontanpneumothorax veranlasst. Operativ behandelt wurde mehr als ein Viertel der Patienten.
Schlussfolgerung: Die Vitalgefährdung sowie die Anzahl pulmonaler Nebendiagnosen sind bis zum 45. Lebensjahr gering. Die Indikation zur intensivmedizinischen Aufnahme und zur Anwendung der Thorax-CT sollte bis zum 45. Lebensjahr eher streng gestellt werden. Die pathophysiologische Grundlage der alters- und geschlechtsspezifischen Verteilung des Krankheitsbildes bedarf weiterer Aufklärung.


Zur Epidemiologie des Spontanpneumothorax gibt es kaum Daten. Es existieren lediglich zwei Untersuchungen mit höheren Fallzahlen aus England (n = 22 749) (1) und Frankreich (n = 59 637) (2).
Definitionsgemäß kann ätiologisch beim primären Spontanpneumothorax eine zugrundeliegende Lungenerkrankung als Ursache für den Pneumothorax nicht festgestellt werden, wohingegen diese beim sekundären Spontanpneumothorax besteht. Beim primären Spontanpneumothorax finden sich gleichwohl in 90 % der Fälle emphysematöse Läsionen wie Bullae oder Bläschen (3, 4). Der sekundäre Spontanpneumothorax tritt eher im höheren Lebensalter auf, am häufigsten bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), aber auch bei interstitiellen Lungenerkrankungen, Pneumonie, Malignomen und anderen Erkrankungen (5). 85 % der Spontanpneumothoraces sind primärer Genese, 15 % sind sekundärer Genese (2).
Die vorliegende Untersuchung soll Erkenntnisse zur Epidemiologie und Versorgung des Spontanpneumothorax in Deutschland aufzeigen, speziell zur Häufigkeit der Hospitalisation, der Letalität, der Computertomographie(CT)-Diagnostik und therapeutischen Maßnahmen, aus denen diagnostische und therapeutische Empfehlungen ableitbar sind. Da eine S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaften für Thoraxchirurgie, Pneumologie, Innere Medizin sowie der Deutschen Röntgengesellschaft dieses Jahr abgeschlossen und publiziert werden soll, kann nach einigen Jahren der Einfluss der Leitlinie auf Diagnostik und Therapie des Pneumothorax durch eine erneute Analyse der Daten des Statistischen Bundesamtes geprüft werden.
Methode
Vom Statistischen Bundesamt haben wir für die Jahre 2011–2015 alle Fälle mit Hauptdiagnose Pneumothorax (ICD J93) bei Entlassung aus kontinuierlicher vollstationärer Behandlung im Krankenhaus, unabhängig von der Zahl dabei durchlaufener Fachabteilungen, nach Alterskohorten zu 5 Lebensjahren und Geschlecht abgefragt. Hierbei sind Mehrfachnennungen bei Pneumothoraxrezidiv möglich. Alle Patienten ab einem Alter von 10 Jahren sind in die Studie eingeschlossen worden, die Fälle von Patienten jenseits des 90. Lebensjahres wurden einer Alterskohorte zugeordnet. Nicht in die Studie miteinbezogen wurden Patienten mit traumatischem (ICD S27.0) und iatrogenem Pneumothorax (ICD J95.80). Um das Auftreten des sekundären Spontanpneumothorax zu bestimmen, haben wir die zu der Hauptdiagnose Pneumothorax verschlüsselbaren pulmonal relevanten Nebendiagnosen COPD (J44), interstitielle Lungenerkrankungen (J84), Pneumonie (J18) und Lungenkrebs (C34) mitaufgenommen.
Zusätzlich wurden die mit den Hauptdiagnosen verbundenen Sterbefälle sowie die nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) kodierten Daten zur radiologischen CT-Diagnostik, zum stationären Monitoring der Patienten, zur Drainageanlage, Punktion und operativen Maßnahmen mit atypischer Resektion an der Lunge, Pleurektomie und Pleurodese miteinbezogen.
Weiterhin wurden Daten zur Todesursache Pneumothorax (ICD J93) aus der Todesursachenstatistik (6) beim Statistischen Bundesamt im Zeitraum von 2011–2015 abgerufen.
Die zum Spontanpneumothorax durchgeführte Berechnung der Frequenz stationärer Aufnahmen, der krankheitsspezifischen Mortalität, der Krankenhaussterblichkeit und der Letalität ist im eKasten dargestellt.
Die Häufigkeiten in den verschiedenen Altersgruppen der in Tabelle 1 genannten operativen Maßnahmen wurden mit dem Chi-Quadrat-Test verglichen.
Ergebnisse
Stationäre Fallzahl, Geschlechterverteilung,
Häufigkeit hospitalisierter Fälle
Von 2011–2015 wurden 52 738 Fälle mit Hauptdiagnose Spontanpneumothorax bei Patienten in einem Alter über 10 Lebensjahre stationär behandelt.
Das Geschlechterverhältnis weiblich zu männlich betrug 1 : 3,2. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung (7) errechnet sich eine jährliche Häufigkeit hospitalisierter Fälle mit Spontanpneumothorax von 14,3/100 000 (95-%-Konfidenzintervall [14,0; 14,5], für männliche Patienten von 22,2/100 000 [21,8; 22,7], für weibliche Patienten von 6,7/100 000 [6,4; 6,9]).
Die Altersverteilung zeigt bei Männern im Unterschied zu Frauen einen zweigipfeligen Verlauf mit einem deutlichen ersten Gipfel im 20. bis 25. Lebensjahr und einem zweiten, niedrigeren Höhepunkt um das 70. bis 75. Lebensjahr (Grafik 1). Leider ergeben die von uns abrufbaren Daten keine Ergebnisse zur Rezidivhäufigkeit in Deutschland; in der französischen Studie (2) betrug die Rezidivrate 26,5 %.
Mortalität, Letalität und Sterbefälle
Aus der Todesursachenstatistik ergibt sich für den Spontanpneumothorax eine krankheitsspezifische Mortalität von jährlich 0,094/100 000 Einwohner sowie eine Letalität von 0,7 % für Deutschland. Insgesamt steigt die Letalität vom 10. bis 45. Lebensjahr an (0–0,08 %) auf das 117,5-Fache im ≥ 90. Lebensjahr (9,4 %) (eTabelle 1).
Bei Betrachtung der Sterbefälle im Krankenhaus (Krankenhaussterblichkeit) muss berücksichtigt werden, dass die Patienten mit der Hauptdiagnose Pneumothorax nicht zwingend an dieser Erkrankung verstorben sind. Ähnlich wie bei der Letalität nehmen die Sterbefälle mit Hauptdiagnose Pneumothorax ab einem Alter von 45 Lebensjahren zu (Grafik 2 sowie eTabelle 1). In der Altersklasse von 15–20 Lebensjahren sterben 0,06–0,32 % der Pneumothoraxpatienten im Krankenhaus, in den Alterskohorten über 80 Lebensjahre dagegen 11–15,9 %.
Sekundärer Spontanpneumothorax
Bei den für den sekundären Spontanpneumothorax relevanten pulmonalen Nebendiagnosen (eTabelle 2) ist die COPD (J44) mit 8 563 Fällen (16,2 %) führend, gefolgt von Pneumonie (J18) mit 2 262 Fällen (4,3 %), Lungenkrebs (C34) mit 1 625 Fällen (3,1 %) und interstitieller Lungenerkrankung (J84) mit 1 229 Fällen (2,3 %). In der Altersverteilung der zusammengefassten pulmonalen Nebendiagnosen findet sich ein Gipfel um das 70.–80. Lebensjahr, bei Patienten mit Spontanpneumothorax, die jünger als 45 Jahre sind, treten die genannten Nebendiagnosen selten auf (Grafik 3).
Computertomographische Diagnostik
Bei 52 738 Fällen von Spontanpneumothorax wurden insgesamt 24 842 Thorax-CT-Untersuchungen (47,1 %) mit und ohne Kontrastmittel durchgeführt (eTabelle 3). Die Altersverteilung (Tabelle 2) zeigt, dass die CT-Untersuchung bei 38,9 % der jüngeren Patienten bis zum 40. Lebensjahr indiziert war, in der mittleren Altersklasse bei 54,3 % und in der höheren Altersklasse bei 54,6 %.
Thoraxdrainage und Punktion
Im erfassten Zeitraum wurden bei Patienten mit derHauptdiagnose Pneumothorax insgesamt 40 039 Thoraxdrainagen gelegt (eTabelle 3). Die Anlage erfolgte als kleinlumige Drainage (OPS 8–144.1 oder OPS 8–144.2; n = 5 658 entsprechend 14,1 %) oder als großlumige Drainage beziehungsweise in offener chirurgischer Technik (OPS 8–144.0 oder OPS 5–340.0; n = 34 381 entsprechend 85,9 %). Angesichts der 52 738 betroffenen Fälle mit Spontanpneumothorax wurden bei mehrfach möglicher Kodierung pro stationärem Aufenthalt bis zu drei Viertel der Patienten mit einer Drainage versorgt. Mindestens 24 % der stationär aufgenommenen Pneumothoraxfälle waren nicht auf eine Drainage angewiesen. Eine thorakale Punktion, die nur einmalig pro stationärem Aufenthalt angegeben werden konnte, wurde in 1 168 Fällen (2,2 % aller Fälle) verschlüsselt.
Monitoring der Patienten
Die intensivmedizinische Überwachung erfolgte in 18 980 Fällen (36 % aller Fälle). In der Altersklasse 10. bis 40. Lebensjahr ergaben sich 7 520 Intensivaufenthalte (30 % der Fälle dieser Altersgruppe) (eTabelle 3).
Operative Therapie
Im Zeitraum von 2011–2015 wurden operativ mittels atypischer Resektion der Lunge, Pleurektomie und Pleurodese insgesamt 30 727 Eingriffe in unterschiedlichen Kombinationen synchron bei Hauptdiagnose Spontanpneumothorax verschlüsselt. Die Gesamtzahl spiegelt nicht die Anzahl operierter Patienten wider. Der Anteil thoraxchirurgischer Operationen an stationär aufgenommenen Fällen beträgt entsprechend der häufigsten Verschlüsselung einer einzelnen operativen Maßnahme mindestens 25,8 % (13 610 Fälle).
Die atypische Resektion der Lunge und die Pleurektomie wurde in 87 % beziehungsweise 88 % thorakoskopisch vorgenommen, in einem Anteil von 13 % beziehungsweise 12 % wurde die offene chirurgische Technik angegeben. Bei der Pleurodese war der Anteil in offenem chirurgischen Vorgehen etwa 7 %.
Tabelle 1 sowie eTabelle 4 zeigen die Maßnahmen im Einzelnen:
- Die atypische Resektion an der Lunge erfolgte in 13 610 Fällen, entsprechend 25,8 % aller stationär aufgenommenen Fälle mit Spontanpneumothorax. In der Altersgruppe 10. bis 40. Lebensjahr (33,5 %) sind häufigere Eingriffe als in der Altersgruppe jenseits des 70. Lebensjahres (10,7 %, p < 0,001) festzustellen. Klammernahtgeräte wurden dabei intraoperativ in 29,5 % verwendet.
- Die Pleurektomie wurde in 11 403 Fällen (21,6 % aller Fälle mit Spontanpneumothorax) durchgeführt, in der jüngeren Altersgruppe wiederum signifikant häufiger (27,8 %) als in der älteren (9,5 %).
- Mittels Pleurodese wurden mit 5 714 Fällen (10,8 %) vergleichsweise wenige Patienten behandelt. Eine Untergruppe mit Pleurodese durch Poudrage (Einsprühen von Talkum-Puder in die Pleurahöhle zur Ausbildung einer aseptischen Pleuritis) wurde in etwa einem Drittel aller Pleurodesen angegeben, in der jüngeren Patientengruppe seltener (2,3 % aller Pneumothoraxfälle) als in der mittleren (5,2 %) und in der älteren (5,5 %).
- Als Reoperation waren 2 024 Fälle (3,8 %) kodiert.
Diskussion
Ziel der vorliegenden Studie war es, Ergebnisse zu Epidemiologie und Versorgungssituation des Pneumothorax in Deutschland aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes abzuleiten.
Stärken und Limitationen der Studie
Die wesentliche Stärke der Studie beruht auf der hohen Anzahl zur Verfügung stehender Daten zum Pneumothorax. Vom Statistischen Bundesamt sind alle Fälle mit Pneumothorax erfasst, die stationär aufgenommen waren. Somit sind lediglich die Fälle mit Pneumothorax von der Studie nicht erfasst worden, die in rein ambulanten medizinischen Institutionen diagnostiziert und im Weiteren dort betreut worden sind. Dies werden nach den Erfahrungen der Autoren nur einzelne Patienten mit akut erlittenem Spontanpneumothorax sein, da nach Diagnosestellung im ambulanten Bereich die überwiegende Zahl der Fälle bei unklarer Gefährdungslage ins nächste Akutkrankenhaus eingewiesen wird.
Limitiert ist die Studie durch datenschutzrechtliche Einschränkungen: Zwischen Neuerkrankung und Rezidiv kann nicht unterschieden werden, Informationen zu diagnostischen Parametern und Prozeduren können nicht bestimmten Patienten zugeordnet werden. So lassen sich detailliertere Aussagen zu folgenden Punkten nicht treffen:
- stationäre Wiederaufnahme
- Verlegung vom Versorgungskrankenhaus in eine Spezialklinik
- Rezidivpneumothorax
- Differenzierung des primären vom sekundären Spontanpneumothorax
- Kombination operativer Maßnahmen.
Nicht zuletzt hängt die Qualität der Daten von der Kodierungsqualität in den einzelnen Krankenhäusern ab. Ebenso gilt dies für die Dokumentationsqualität in der Todesursachenstatistik.
Epidemiologie
Die geschlechtsspezifischen Resultate zur Häufigkeit hospitalisierter Fälle mit Hauptdiagnose Pneumothorax sind inklusive des Geschlechterverhältnisses (1 : 3,2 weiblich zu männlich) konkordant zu den Ergebnissen von Bobbio et al. (2) (1 : 3,3 weiblich zu männlich) und Gupta et al. (1) (1 : 2,7 weiblich zu männlich). Die Altersverteilung beim Mann verlief zweigipflig wie in der Studie von Gupta et al. (1). Die Pathophysiologie der unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Verteilung vor allem beim jungen Patienten ist bis heute nicht geklärt. Ursächlich in Diskussion stehende unterschiedliche Rauchgewohnheiten bei Männern und Frauen (8) können durch aktuelle Statistiken des Robert Koch-Institutes (9) nicht belegt werden.
Die Darstellung der sekundären Pneumothoraces mit pulmonalen Nebendiagnosen (Grafik 3) weist darauf hin, dass ab dem 45. Lebensjahr zunehmend zugrunde liegende pulmonale Erkrankungen das Auftreten des Pneumothorax bestimmen. Die Befunde stützen die in der British Thoracic Society(BTS)- Guideline (10) pragmatisch festgelegte Grenze von 50 Lebensjahren, ab der jeder Spontanpneumothorax mit signifikanter Raucheranamnese als sekundär eingestuft wird.
Die aus der Todesursachenstatistik errechnete Letalität sowie die Krankenhaussterblichkeit sind deutlich altersabhängig. Im Alter von 15–40 Jahren versterben 0,06–0,32 % der stationär mit Hauptdiagnose Pneumothorax aufgenommenen Patienten, im Alter von 70–95 Jahren 8–18 %. Die Letalität weist einen ähnlichen Unterschied auf: 0,02–0,07 % respektive 1,5–9 % der Fälle. Die Krankenhausterblichkeit muss höher liegen als die Letalität, denn zu den Todesfällen durch Spontanpneumothorax kommen Todesfälle durch andere Erkrankungen bei bestehender Hauptdiagnose J93. Die Zahlen legen nahe, dass dem Spontanpneumothorax im jüngeren Alter nicht die vitale Gefährdung zugewiesen werden kann, die im höheren Alter zweifelsohne besteht. Dies gilt es differenziert gerade bei jungen Patienten zu betrachten und zu vermitteln, um diesen Patienten unnötige Ängste zu nehmen.
Computertomographische Diagnostik
Die Thorax-CT-Untersuchung wird in der jüngeren Altersklasse in 38,9 %, in der mittleren in 54,3 % sowie in der älteren in 54,6 % der Fälle mit Spontanpneumothorax eingesetzt (Tabelle 2). Aus Sicht der Autoren wird die Thorax-CT-Untersuchung in der jüngeren Altersgruppe (10. bis 40. Lebensjahr) zu häufig angewendet. Die aktuelle BTS-Guideline (10) empfiehlt die CT in unklaren Fällen wie bei kleinem, in der Thoraxübersichtsaufnahme kaum sichtbarem Pneumothorax oder in komplexen Fällen mit zusätzlichem Weichteilemphysem, Lungenerkrankungen oder Drainagefehllagen. In einem aktuellen Review wird die CT bei speziellen Fragestellungen und nicht in der Standarddiagnostik empfohlen (11). In unserer Studie haben die verschlüsselten pulmonalen Nebendiagnosen, die eine CT indizieren könnten, bei Patienten jünger als 40 Lebensjahre einen maximalen Anteil von 5,8 % (Grafik 3, eTabelle 2). Komplizierte Fälle werden in der Literatur mit 4,9–16,7 % angegeben (12–14). Eine präoperativ durchgeführte CT führt beim primärem Spontanpneumothorax nicht zu besseren Ergebnissen der thorakoskopischen Operation (15, 16). Der Grad der Ausdehnung des Pneumothorax im normalen Röntgen-Thorax lässt bereits Einschätzungen zur Rezidivhäufigkeit und der Häufigkeit prolongierter Luftfistelung zu, wie Sayar et al. (17) prospektiv zeigen konnten. Weiterhin ist im jüngeren Lebensalter die hohe Strahlenbelastung (18) und die geringe vitale Gefährdung zu bedenken. Insgesamt lassen die verschiedenen Aspekte eine strenge Indikation zur CT in der jüngeren Altersgruppe gerechtfertigt erscheinen, die die bisherige Anwendungshäufigkeit halbieren könnte.
Demgegenüber kann im höheren Alter die großzügige Indikationsstellung zur CT-Untersuchung bei häufigerem sekundären Spontanpneumothorax eine bessere Klärung der dem Pneumothorax zugrunde liegenden pulmologischen Erkrankungen erreichen. Pulmonale Nebendiagnosen traten in der Altersgruppe vom 40. bis 70. Lebensjahr bei 9–63 % und in der Altersgruppe über 70 Jahre bei 40–66 % der Patienten auf (Grafik 3, eTabelle 2).
Stationäre Versorgung/operative Therapie
Auffällig ist die häufige Unterbringung jüngerer Patienten in intensivmedizinischen Einheiten, etwa 30 % im Lebensabschnitt von 10–40 Jahren. Dieses Vorgehen entspricht nicht der oben dargestellten vitalen Gefährdung in dieser Altersgruppe. Ein hohes Überwachungsbedürfnis ärztlicherseits mag nach Anlage einer Thoraxdrainage oder für eine notwendige Sauerstoffapplikation vorliegen, ist aber aus Sicht der Autoren bei diesen jungen Patienten nur in Einzelfällen bei respiratorischer Kompromittierung auf der Intensivstation gerechtfertigt (Spannungspneumothorax, Reexpansionsödem). Liegt der Grund zur Unterbringung auf Intensivstationen in deren besserer Ausstattung beziehungsweise personeller Qualifikation, könnte durch mobile Pumpen und Schulungen Abhilfe geschaffen werden.
In unsere Studie kann der exakte Anteil operierter Patienten mit Hauptdiagnose Pneumothorax nicht festgestellt werden. Bobbio et al. (2) geben in ihrer Studie einen gesamten Anteil von 24 % an, in unserer Studie findet sich ein Anteil atypischer Resektionen der Lunge von 25,8 %, Pleurektomien von 21,6 %, Pleurodesen von 10,8 %. Da die drei operativen Verfahren mehrheitlich in Kombination durchgeführt werden, ist zu erwarten, dass die Gesamtzahl nur wenig höher liegt als die der atypischen Resektion, mithin geringfügig höher als bei Bobbio et al.
Trotz klarer Vorteile und seit Längerem etablierter minimalinvasiver Verfahren (19, 20) bei leicht erhöhtem Rezidivrisiko (21) werden noch etwa 12 % der Operationen im offenen chirurgischen Verfahren durchgeführt. Dies könnte sich aus einer individuellen Bevorzugung des offenen Verfahrens durch den Operateur in bestimmten Situationen (zum Beispiel Rezidiv, Verwachsungen) oder aus einer intraoperativen Konversion vom minimalinvasiven Verfahren auf die Thorakotomie begründen.
In der Altersverteilung fällt auf, dass Patienten in höherem Alter signifikant weniger häufig operiert werden, was auf das steigende OP-Risiko zurückzuführen ist. Neben extrapulmonalen Komorbiditäten gibt es Formen des sekundären Pneumothorax, die laut Ichinose et al. (5) und Nakajima et al. (22) zu Zurückhaltung bei der Indikation zur OP Anlass geben. Isaka et al. (23) konnten das höhere Lebensalter selbst als Risikofaktor identifizieren. Diese Vorsicht bei der Indikationsstellung zur operativen Versorgung könnte jedoch auch mit zur erhöhten Sterblichkeit im höheren Alter beitragen:
- Zum einen verhindert die verkürzte Immobilität nach operativem Fistelverschluss im Vergleich zu konservativem Vorgehen mit gerade beim sekundären Spontanpneumothorax länger liegender Thoraxdrainage das Entstehen von Komplikationen,
- zum anderen sind die Rezidivraten nach der Operation geringer (10).
In diesem Zusammenhang erklärt sich die Anwendung der Poudrage als risikoärmeres operatives Verfahren mit häufigerer Durchführung im höheren als im niedrigeren Lebensalter in unserer Studie.
Danksagung
Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Statistischen Bundesamtes für ihre stets freundliche, wertvolle und schnelle Unterstützung.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 13. 3. 2017, revidierte Fassung angenommen: 31. 7. 2017
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Jost Schnell
Lungenklinik Köln-Merheim
Lehrstuhl für Thoraxchirurgie der Universität Witten-Herdecke
Kliniken der Stadt Köln
Ostmerheimer Straße 200, 51109 Köln
schnellj@kliniken-koeln.de
Zitierweise
Schnell J, Koryllos A, Lopez-Pastorini A, Lefering R, Stoelben E: Spontaneous pneumothorax—epidemiology and treatment in Germany between 2011 and 2015. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 739–44.
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Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
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