ArchivDeutsches Ärzteblatt44/2017Diagnose Pneumonie im Kindesalter: Hypoxämie und erhöhte Atemarbeit sind die wichtigsten Zeichen

MEDIZINREPORT: Studien im Fokus

Diagnose Pneumonie im Kindesalter: Hypoxämie und erhöhte Atemarbeit sind die wichtigsten Zeichen

Siegmund-Schultze, Nicola

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Die Pneumonie gehört zu den häufigsten Infektionserkrankungen im Kindesalter, meist ist sie ambulant erworben (community-acquired pneumonia, CAP). Thoraxröntgen wird bei Kindern und Jugendlichen nur bei schwerem, kompliziertem Verlauf empfohlen. In der ambulanten Versorgung basiert die Diagnose im Allgemeinen auf einer Gesamtbewertung klinischer Kriterien. In einer Metaanalyse hat ein Team unter Federführung von Pädiatern der Harvard Medical School in Boston die Frage untersucht, welche Bedeutung einzelnen Symptomen für die klinische Diagnostik zukommt.

23 prospektive Kohortenstudien mit insgesamt 13 833 Kindern wurden berücksichtigt. Zu den Einschlusskriterien gehörten detaillierte Beschreibung von klinischen Befunden, die Hinweise auf eine Pneumonie gaben, und ein Röntgenbild vom Thorax, mit dessen Hilfe eine Diagnose bestätigt oder nicht bestätigt worden war. Die Altersbandbreite der Patienten über alle Studien war 1 Monat bis 21 Jahre.

Kein einzelnes Symptom erwies sich als maßgeblich für die Diagnose einer CAP. Assoziationen, wenn auch keine starken, ergaben sich für erhöhte Körpertemperatur (> 37,5° C) mit einer Sensitivität zwischen 80–92 % und einer Spezifität von 47–54 % und für eine Tachypnoe (Atemfrequenz > 40/Min bei Kindern > 12 Monate). Tachypnoe hatte eine Sensitivität von 79 % und eine Spezifität von 51 % für das Anzeigen einer Pneumonie. Auskultatorische Befunde waren in der Metaanalyse ebenfalls kein Faktor, der stark mit einer CAP bei Kindern und Jugendlichen assoziiert gewesen wäre. Eine mindestens moderate Hypoxämie (Sauerstoffsättigung ≤ 96 %; Sensitivität 64 %, Spezifität von 77 %) und erhöhte Atemarbeit mit den Merkmalen Atemgeräusche („grunting“), Nasenflügeln und thorakale Einziehungen dagegen korrelierten stark mit einer Lungenentzündung. Eine normale Sauerstoffsättigung im peripheren arteriellen Blut (> 96 %) reduzierte die Wahrscheinlichkeit.

Fazit: „Bei Kindern und Jugendlichen mit Husten und Fieber ist die Abgrenzung einer Pneumonie von unteren Atemwegsinfektionen wie Bronchitis oder Bronchiolitis nicht immer einfach“, kommentiert Priv.-Doz. Dr. med. Tobias Ankermann, Oberarzt an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel. Der systematische Review bestätige das Ergebnis früherer Arbeiten, sagt der Experte.

„Der Symptomenkomplex ‚Hypoxämie und Zeichen erschwerter Atemarbeit‘ hat eine höhere Aussagekraft für die Diagnose Pneumonie als einzelne Symptome wie Tachypnoe und auskultatorische Befunde. Dies war in allen Altersgruppen zwischen 1 Monat und 21 Jahren so. Der Großteil der untersuchten Patienten allerdings war jünger als 6 Jahre, sodass eine Übertragbarkeit auf alle Altersgruppen nicht gesichert ist. In 2 der einbezogenen Studien deutete auch das Symptom „Thoraxschmerz“ bei Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Pneumonie. Bei Kindern und Jugendlichen mit Atemwegsinfektionen, vor allem bei Verdacht auf Pneumonie, müssen im klinischen Alltag zusätzlich zu spezifischen Krankheitszeichen der Atemwege Allgemeinsymptome wie Trink- und Essverhalten, Zeichen einer Mikrozirkulationsstörung, Erbrechen, Fieber, das Alter des Patienten, die epidemiologische Situation (Exposition) und Vorerkrankungen (Disposition) bei der Diagnosestellung und Therapieführung von Atemwegserkrankungen weiterhin miterfasst werden.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

Shah SN, Bachur RG, Simel DL, et al.: Does this child have pneumonia? The rational clinical examination systematic review. JAMA 2017; 318: 462–71.

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