THEMEN DER ZEIT
USA: Vom Schmerzmittel zum Heroin


Die USA kämpfen gegen eine beispiellose Drogenkrise. US-Präsident Donald Trump hat nun den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Pharmaindustrie und Ärzte stehen in der Kritik.
Jeden Tag 140 Drogentote, 64 000 allein im Jahr 2016: Die Opioid-Krise in den USA hat beispiellose Ausmaße erreicht. Was mit dem Missbrauch von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln begann, hat sich zu einer Heroin- und Opioid-Krise entwickelt, von der Millionen betroffen sind. Die Epidemie hat das gesamte Land erfasst und trifft Bürger aus allen sozialen Schichten.
Ende Oktober hat Donald Trump den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Er gibt den Bundesstaaten dadurch mehr Spielraum, der Krise zu begegnen. Geltende Regularien – etwa für die telemedizinische Behandlung von Abhängigen – werden gelockert. Trump setzt außerdem auf Prävention, will Ärzte schulen, die Einfuhr von billigen synthetischen Opioiden aus China verhindern und neue, nicht abhängig machende Schmerzmittel entwickeln lassen. Zusätzliche Bundesmittel gibt es allerdings vorerst nicht, dafür hatte Trump den nationalen Notstand ausrufen müssen – so wie im Fall von Naturkatastrophen.
Trumps Erklärung gilt vor allem als symbolischer Schritt, um die Krise in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Seine Gegner kritisieren, der Präsident räume dem Problem nicht die richtige Priorität ein. Die Regierung argumentiert, das kurzfristige Freisetzen von Mitteln sei nicht geeignet, ein solch langfristiges Problem zu lösen.
Dass Gelder fließen müssen, weiß aber auch Washington: Das Weiße Haus kündigte an, gemeinsam mit dem Kongress daran arbeiten zu wollen, zusätzliche Gelder für den Kampf gegen die Opioid-Krise bereitzustellen. Auch sollen in den kommenden Wochen weitere konkrete Maßnahmen beschlossen werden.
Freizügig verschrieben
Experten schätzen, dass ein zweistelliger Milliardenbetrag gebraucht wird, um Versorgungsstrukturen aufzubauen und Ersthelfern den Zugang zum Opioid-Gegenmittel Naloxon zu erleichtern.
Die Gründe für die aktuelle Epidemie reichen Jahre zurück: Während schwere Schmerzmittel zunächst nur nach Operationen oder bei Krebs verabreicht worden sind, wurden Opioid-Schmerzmittel ab den 1990er-Jahren in den USA freizügiger verschrieben. Die Pharmaindustrie konnte Amerikas Ärzte mit aufwendigen Kampagnen überzeugen, dass das Verschreiben von Opioid-Schmerzmitteln auch bei Rückenschmerzen und anderen leichteren Beschwerden risikoärmer sei als angenommen und sich gleichzeitig die Lebensqualität der Patienten stark verbessere.
Viele Krankenhäuser, Fachgesellschaften und führende medizinische Organisationen schenkten den Ausführungen der Industrie Glauben und halfen so dabei, starke Schmerzmittel salonfähig zu machen. Erst zehn Jahre später setzte sich die Erkenntnis über die Gefahren dieser Praxis durch – zu spät, um die in Gang gesetzte Dynamik noch stoppen zu können. Bis heute darf die Pharmaindustrie ihre Produkte nahezu beliebig bewerben.
Pharmakonzerne in der Kritik
Der Industrie wird eine erhebliche Mitschuld an der dramatischen Lage gegeben. In mehreren Bundesstaaten laufen Gerichtsverfahren gegen Pharmakonzerne. Auch die Ärzte in den USA stehen wegen ihrer laxen Verschreibungspraxis in der Kritik. Ein weiterer gängiger Vorwurf an die US-Mediziner: Sie klärten ihre Patienten zu wenig über die Risiken von Abhängigkeit auf.
Für Deutschland gibt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin Entwarnung: Eine Opioid-Krise wie in den USA sei hierzulande nicht zu befürchten. Die gesetzlichen Regelungen und die vorhandenen Leitlinien zum Einsatz von Opioiden verhinderten in den meisten Fällen die Entwicklung einer Abhängigkeit, ließen die Schmerzmediziner verlauten.
Nora Schmitt-Sausen
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Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Mittwoch, 15. November 2017, 00:27
Heroin - ein speieller Hustensaft