POLITIK
Schwangerschaftsabbruch: Unterstützung aus der Politik


Der Fall der Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel, die zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie gegen den § 219 a StGB verstoßen hat, setzt einiges in Bewegung: Das Gesetz aus der Nazizeit kommt auf den Prüfstand.
Es soll die letzte öffentlichkeitswirksame Aktion der Gießener Ärztin für Allgemeinmedizin, Kristina Hänel, sein: Genau 150 434 Unterschriften für die Abschaffung des § 219 a Strafgesetzbuch (StGB) haben Hänel und ihr Unterstützerkreis Bundestagsabgeordneten der Grünen, Linken, FDP und SPD am 12. Dezember vor dem Deutschen Bundestag überreicht. Bei der anschließenden Pressekonferenz kündigte die 61-Jährige an, sich jetzt wieder um ihre Patienten, ihre Enkelkinder und ihren Bauernhof kümmern zu wollen. „Ich bin Ärztin und keine Politikerin.“
Angst vor Strafverfolgung
Am Zuge sei jetzt die Politik, den „veralteten und überflüssigen“ § 219 a abzuschaffen. „Der Paragraf steht einem echten Informationsrecht für Frauen beim Thema Schwangerschaftsabbruch entgegen“, sagte Hänel. In § 219 a, der 1933 von den Nationalsozialisten ins Strafgesetzbuch eingeführt wurde, heißt es: „Wer öffentlich (…) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise eigene oder fremde Dienst zu Vornahme oder Förderung des Schwangerschaftsabbruchs anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt“, wird bestraft. Die Ärztin wies darauf hin, dass Abtreibungsgegner den Tatbestand benutzten, um Ärzte anzuzeigen und einzuschüchtern. Diese würden aus Angst vor Strafverfolgung Informationen von ihren Webseiten herunternehmen.
Weder den Abtreibungsgegnern noch dem Urteil des Amtsgerichts Gießen will Kristina Hänel sich beugen. Letzteres hatte sie am 24. November zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt, weil sie nach Auffassung des Gerichts gegen besagten Paragrafen verstoßen hat. Hänel verlinkt auf ihrer Homepage auf eine PDF-Datei, in der sie allgemeine Informationen über Schwangerschaftsabbrüche mit dem Hinweis auf entsprechende Dienste in ihrer Praxis verbindet. „Die Homepage bleibt unverändert, ich stelle sachliche Informationen bereit“, erklärte Hänel. „Man kann für einen Schwangerschaftsabbruch nicht werben, denn die Entscheidung dafür entsteht aus einer inneren Not – sie ist sehr überlegt.“ Gegen das Urteil des Amtsgerichts hat sie Berufung eingelegt. „Dass die Unterstützung so riesengroß geworden ist, zeigt ja, dass ich auf dem richtigen Weg bin“, sagte Hänel. Neben der Unterschriftenkampagne haben sich viele Menschen solidarisch erklärt und die Ärztin, die zusammen mit einer Anästhesistin und zwei Angestellten ihre Praxis in Gießen führt, mit Spenden auch finanziell unterstützt.
In Gießen und Umland ist Hänel nach eigenen Angaben die einzige niedergelassene Ärztin, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. „Frauen in Notlagen haben immer weniger Möglichkeiten, einen Arzt zu finden – vor allem auf dem Land“, berichtete Kersten Artus von Pro Familia Hamburg, die Hänel unterstützt. Bei der Konfliktberatungsstelle meldeten sich zurzeit immer mehr Ärzte, die von Anfeindungen durch Abtreibungsgegner betroffen seien. „Wer dem nicht standhalten kann oder will, gibt auf“, sagte Artus.
Information ist keine Werbung
Die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass Ärzte die Vorschriften ihrer Berufsordnung zu beachten haben. „Diese enthält unter anderem Regelungen zur Achtung des Lebens und der Selbstbestimmung ihrer Patienten sowie zur zulässigen Werbung im Sinne einer sachgerechten und angemessenen Information.“ Eine solche Information sei indes keine Werbung. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung zu Schwangerschaftsnotlagen hätten Frauen das Recht zu erfahren, welche Hilfen zur Verfügung ständen und welche Ärzte ihnen helfen könnten.
Politische Initiativen zur Abschaffung des § 219 a StGB gibt es inzwischen einige. Die Linke hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Die Grünen haben einen Entwurf angekündigt. Die SPD beschloss einen Gesetzentwurf, auf dessen Grundlage die Partei nun eine interfraktionelle Initiative ausloten will. Aus der FDP kommt der Vorschlag, das Gesetz so abzuschwächen, dass künftig nur noch die „grob anstößige“ Werbung für Schwangerschaftsabbrüche strafbar ist. Demgegenüber lehnt die CDU/CSU die Abschaffung des umstrittenen Paragrafen ab. Unterstützung kommt auch aus vielen Länderparlamenten.
Petra Bühring
Beck, Peter
Cullen, Paul
Glaßmeyer, Michael