ArchivDeutsches Ärzteblatt PP2/2018Psychotherapiepraxis als Unternehmen (6): Das Profil einer Praxis

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Psychotherapiepraxis als Unternehmen (6): Das Profil einer Praxis

Gross, Werner

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Erfolgreich sind selbst in einem überfüllten Markt vor allem diejenigen, die ein unverwechselbares Profil und ein überzeugendes Angebot vorweisen können.

Wenn Psychotherapeuten eine Praxis gründen, sind sie am Anfang mit vielen Themen beschäftigt: Rechtsfragen, Finanzierung, Werbung, Steuern. Nur selten machen sie sich Gedanken über Praxisprofil, Stilfragen und (zukünftiges) Image ihrer Praxis. Das Profil einer psychotherapeutischen Praxis wird gebildet von vielen Faktoren und ist so etwas wie das „Schaufenster“ dieser Einrichtung. Das ist wichtig, denn es hängt in einem hohen Maß mit dem langfristigen Image einer Praxis zusammen. Das wiederum führt dazu, welche Patienten oder Klienten langfristig kommen werden.

Das Profil ist also der sichtbare Ausdruck der Identität einer Praxis, der „Corporate Identity“. Dazu zählen folgende Faktoren: Standort, Lage, Räumlichkeiten, Ausstattung, Stil, Angebot und natürlich die Personen, die in der Praxis arbeiten: Welche Ausbildung haben Praxisinhaber und Angestellte, wie ist ihr Auftreten gegenüber Patienten und Zuweisern (vor allem Ärzte) gegenüber und in welche Netzwerke sind sie eingebunden?

Zielgruppe(n) und Angebot

Die Zielgruppe spielt eine wichtige Rolle. Relativ einfach ist noch die Frage, ob man ausschließlich mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern arbeiten will. Schwieriger wird es, wenn man auch Paare oder Familien behandeln oder gar Coaching oder Supervision für Unternehmen oder Institutionen anbieten will. Dahinter steht nämlich die Frage, wie hoch der Anteil von Privatversicherten und Selbstzahlern sein soll, oder wie sehr man sich ausschließlich auf GKV-Patienten konzentrieren will.

Zu den häufigsten Gründungsfehlern vieler Praxen gehört, dass die Zielgruppe zu groß und zu breit ist. Viele würden am liebsten alle Menschen als Patienten, Klienten oder Kunden ansprechen. Erfolgreich sind selbst in einem überfüllten Markt dagegen vor allem diejenigen, die ein unverwechselbares Profil und ein überzeugendes Angebot vorweisen können.

Corporate Design

Es lohnt außerdem, über das „Corporate Design“, das heißt über Benennung, Etikettierung und Designfragen genauer nachzudenken, denn auch das stellt einen nicht zu unterschätzenden Imagefaktor dar. Ob man seine Praxis „Psychologische Praxis“ oder „Psychotherapeutische Praxis“ nennt, macht einen Unterschied und auch ob man einen passenden Zusatz findet: „Psychotherapiepraxis im Ärztehaus“ ruft ganz andere Assoziationen hervor als „Privatpraxis am Kurpark“. Dabei geht es hierbei nicht nur um den Praxisnamen und ein eventuell passendes Logo oder Symbol, sondern auch um die Frage, ob Praxisschild, Briefbögen, Visitenkarten und Homepage aus einem Guss sind, also zum Beispiel in der gleichen Schrift und dem gleichen Design gestaltet sind oder ob es in Eigenregie mehr oder weniger zusammengestoppelt ist. Das ist natürlich auch eine Kostenfrage.

Wenn man sich langfristig einen Platz auf dem enger werdenden Gesundheitsmarkt sichern will, sind Marketing, Konkurrenzanalyse und Akquisition wichtige Aspekte, die genau untersucht werden wollen. Denn die finanzielle Dimension ist nicht zu unterschätzen: Was will man wirklich? Was kann man sich leisten? Welche Kosten entstehen bei einer Wunschselbstständigkeit? Wie soll die Praxis in zehn oder in 20 Jahren aussehen?

Kassenpraxis – Privatpraxis

Gerade, wenn man seine Kassenzulassung nicht mehr ganz ausschöpfen möchte oder schwerpunktmäßig in einem Feld arbeiten will, bei dem es keinen Kostenträger gibt (zum Beispiel Coaching, Beratung, Training) und die Klienten die psychologische Leistung privat zahlen müssen, stellt sich die Frage, ob sich diese das Angebot überhaupt leisten wollen und können. Wenn man also seine psychotherapeutische Arbeit auch als Tätigkeit versteht, um mehr soziale Gerechtigkeit in der Welt zu erreichen, dann wird man darauf abzielen müssen, einen Kostenträger zu finden oder für eine staatliche oder gemeinnützige Institution zu arbeiten.

Alleinstellungsmerkmal

Wenn man sich von den Mitbewerbern auf dem Gesundheitsmarkt abheben will oder muss, dann sollte man sich über ein „Alleinstellungsmerkmal“ (Unique Selling Proposition) Gedanken machen. Dies setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen:

  • Alles, was mit der Persönlichkeit des Praxisinhabers zu tun hat: Standing, Reife, Weiterbildung oder sonstige spezielle Fähigkeiten
  • Die Angebotspalette: Ist sie breit oder eng, eher heilkundlich oder nicht heilkundlich orientiert? Ist sie aufeinander abgestimmt oder ein „Bauchladen“? Gibt es Angebote, auf die man spezialisiert ist und die niemand sonst in der Region anbietet?
  • Daneben geht es um den Stil der Praxis: Räumlichkeiten, Standort, Erreichbarkeit, Corporate Design
  • Die Einbindung in die richtigen psychosozialen und beruflichen Netzwerke
  • Was denkt die Zielgruppe über die Praxisinhaber und das Angebot? Wie ist der Ruf der Praxis und kann sich die Zielgruppe damit identifizieren?

Formen der Niederlassung

Die Unternehmensstruktur einer psychologischen Institution ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Arbeit. Dabei gibt es verschiedene Formen der Niederlassung. Die Einzelpraxis ist dabei nur eine Option, obwohl noch immer weit über die Hälfte der niedergelassenen Psychotherapeuten in Einzelpraxen tätig ist. Allerdings gibt es einen klaren Trend hin zu Gruppenpraxen und anderen Formen.

  • Einzelpraxis: Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand. Man arbeitet „für das eigene Portemonnaie“, kann nach eigenem Gusto schalten und walten und hat den alleinigen Nutzen. Alles kann man allein entscheiden, muss es aber auch, denn man trägt die alleinige Verantwortung. Jede Form von Hilfe muss man sich von außen holen. Es gibt keine Kollegen auf Augenhöhe, mit denen man sich austauschen kann und die unterstützen, zum Beispiel bei „alltäglichen Niederschlägen“ wie schwierigen Therapie- oder Beratungssitzungen, Umgang mit Krankenkassen oder Ablehnung von Kostenübernahmen. Hinzu kommt: Gruppenpraxen sind unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten fast immer günstiger als Einzelpraxen. Allerdings besteht hierbei die Gefahr, dass die psychosozialen Konflikte überhand nehmen und den finanziellen Gewinn in den Hintergrund stellen.
  • Gemeinschaftspraxis (Sozietät): Unter einer Gemeinschaftspraxis versteht man eine Kooperationsform von Psychotherapeuten, bei der es sich um einen wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenschluss von mehreren Kollegen zur gemeinsamen Ausübung ihrer psychologischen Tätigkeit handelt. Diese Praxisform ist juristisch gesprochen eine „Außengesellschaft“, das heißt, sie wird als eine wirtschaftliche Einheit behandelt. Deswegen ist der „Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung“ für die Arbeit mit Patienten oder Klienten von zentraler Bedeutung, damit man nicht für die Behandlungsfehler eines Kollegen mit haftet.
  • Praxengemeinschaft: Diese Form ist ein Zusammenschluss von Einzelpraxen unter einem Dach. Das Verhältnis untereinander ist distanzierter als bei einer Gemeinschaftspraxis. Es sind mehrere selbstständige Psychotherapeuten unter einem Dach, die sich gemeinsame Räume teilen. Jeder Praxisinhaber hat seinen eigenen Verdienst, schließt seine eigenen Verträge mit Klienten/Patienten und zahlt nur seinen Anteil an Miete, Telefonkosten, Büromaterial oder für die Reinigungskraft. Juristisch spricht man von einer „Innengesellschaft“, da nur die Beziehungen der Kollegen untereinander vertraglich geregelt werden.
  • Partnergesellschaft: Bei dieser Form handelt es sich um einen beruflichen Zusammenschluss von Angehörigen (auch unterschiedlicher) freier Berufe. So können sich beispielsweise Psychotherapeuten mit Rechtsanwälten zusammenschließen, um eine juristisch-psychologische Mediationspraxis zu begründen, oder mit Betriebswirten in der Unternehmensberatung und Organisationsentwicklung tätig werden. Die Partnergesellschaft ist eine Personengesellschaft und kein Gewerbe. Im Unterschied zu einer Praxengemeinschaft haften die Partner für die Verbindlichkeiten der Partnerschaft als Gesamtschuldner persönlich – sofern das nicht vertraglich ausgeschlossen wird.
  • Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ): Diese Form ist eine ärztlich oder psychotherapeutisch geleitete Einrichtung, in denen Ärzte und Psychotherapeuten als Vertragsbehandler in der Kassenärztlichen Versorgung tätig sind. Psychologische Psychotherapeuten können ein MVZ inzwischen auch allein leiten – sofern kein Arzt darin tätig ist. Es gibt verschiedene Rechtsformen (GmbH, GbR, e. V., Partnergesellschaft), in denen MVZ gegründet werden können.

Dipl.-Psych. Werner Gross,

Psychologisches Forum Offenbach (PFO),

E-Mail: pfo-mail@t-online.de

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