

Porzsolt und Jauch heben auf angebliche „Idealbedingungen“ ab. Es mag sein, dass für bestimmte Fragestellungen eng definierte Rahmenbedingungen notwendig sind. Eine Gleichsetzung von Randomisierung und „Idealbedingungen“ ist jedoch grundfalsch. Wenn man sich überhaupt für den „Nutzen im Alltag“ interessiert – und diese Idee ist kaum mehr als ein Schlagwort – dann kann und sollte man diesen natürlich in RCT untersuchen. Nichts spricht hier gegen die Durchführung sogenannter pragmatischer RCT, wie in unserem Beitrag adressiert (1). Andere Instrumente als RCT braucht man in der Regel nicht, sie sind aufwendiger, und jeder kann wissen, dass sie unzuverlässigere Ergebnisse liefern. Erst unlängst haben sich Autoren einer Studie mit sogenannten Real-World-Daten quasi von ihren eigenen Ergebnissen distanziert: Trotz eines beobachteten deutlichen Unterschieds zugunsten einer Therapieeskalation wollten sie dennoch daraus keine Empfehlung ableiten („real-life data are exposed to important potential biases“) (2). So etwas braucht niemand (3).
Eigentlich geht es um die Frage, ob sich Effekte unter den als „ideal“ bezeichneten Bedingungen anders darstellen als unter anderen (Effektmodifikation). Falls einen eine solche Effektmodifikation interessiert, dann wäre es höchst unklug, zur Klärung im Rahmen einer weiteren Studie, für alle Studienteilnehmer nicht nur einen Faktor zu verändern („Alltag“ statt „ideal“), sondern gleichzeitig auch einen zweiten (non-RCT statt RCT). Denn dann wüsste man bei einem unterschiedlichen Ausgang der beiden Studien nicht, auf welchen Faktor der Unterschied zurückzuführen ist. Im Übrigen ist die Evidenz dafür, dass sich Effekte in dieser Weise überhaupt relevant unterscheiden, erstaunlich dürftig.
Torremante stellt zutreffend fest, dass randomisierte Studien nicht die ärztliche Beobachtungsgabe und Intuition ersetzen (sollen). Auch die Aussage, dass „eigenes Urteilsvermögen“ gefragt ist, möchten wir ausdrücklich unterstreichen. Dass bei Antibiotika und Impfungen RCT keine Rolle spielen, ist jedoch unzutreffend. Speziell bei Impfungen ist eine Meinungsbildung über positive oder negative Effekte aufgrund „klinischer Beurteilung“ schlechterdings unmöglich. Niemand wird sagen können, ob der Umstand, dass jemand nicht an Grippe erkrankt, darauf zurückzuführen ist, dass er geimpft wurde oder sich schlicht nicht angesteckt hat. RCTs sind bei Impfungen selbstverständlich (s. HPV-Impfung), aber auch bei Antibiotika, und sollten genauso selbstverständlich Grundlage ihrer Bewertung sein.
Tsamaloukas identifiziert das Equipoise als „zentrales Problem in der Ethik der klinischen Forschung“. Dass die Forderung nach Equipoise als die wichtigste ethische Voraussetzung für die Durchführbarkeit von RCTs in letzter Konsequenz vermutlich nicht hilfreich ist, und wenn überhaupt, dann auch für alle anderen Studientypen gelten muss, haben wir in einem weiteren Beitrag, der in Kürze in dieser Zeitschrift erscheinen soll, adressiert.
DOI: 10.3238/arztebl.2018.0115
Für die Autoren
Dr. med. Dipl.-Psych. Jörg Lauterberg
IQWiG – Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Joerg.lauterberg@iqwig.de
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Lange S, Sauerland S, Lauterberg J, Windeler J: The range and scientific value of randomized trials—part 24 of a series on evaluation of scientific publications. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 635–40 VOLLTEXT |
2. | Delaloge S, Pérol D, Courtinard C, et al.: Paclitaxel plus bevacizumab or paclitaxel as first-line treatment for HER2-negative metastatic breast cancer in a multicenter national observational study. Ann Oncol 2016; 27: 1725–32 CrossRef MEDLINE |
3. | Macleod MR, Michie S, Roberts I, et al.: Biomedical research: increasing value, reducing waste. Lancet 2014; 383: 101–4 CrossRef |
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