MEDIZIN: Übersichtsarbeit
Liquid Biopsy in der tumorgenetischen Diagnostik
Liquid biopsy in tumor genetic diagnosis
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Hintergrund: Bei der Liquid Biopsy werden zellfreie Nukleinsäuren, meist zirkulierende freie Desoxyribonukleinsäuren („circulating free“ DNA, cfDNA) in Körperflüssigkeiten wie Blut, analysiert. Die Liquid Biopsy erlaubt gegenüber der Gewebebiopsie eine patientenschonende Materialgewinnung, hat aber bestimmte Limitationen.
Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche.
Ergebnisse: Aufgrund der geringen Konzentration von < 0,001 % im Plasma muss die cfDNA mithilfe spezieller Amplifikationsmethoden angereichert werden, damit anschließend nach bestimmten Mutationen gesucht werden kann. Die Liquid Biopsy kann bei der Therapie des nichtkleinzelligen Karzinoms der Lunge (NSCLC) eingesetzt werden, wenn kein Gewebe zur Biopsie zur Verfügung steht. Bei dieser Indikation erreicht das Verfahren eine Sensitivität von 0,67 und eine Spezifität von 0,94. Wenn keine Mutation nachgewiesen wird, lässt sich dieser negative Befund nicht interpretieren, weil als Ursache dafür sowohl ein Fehlen der Mutation im Tumor als auch die ungenügende Sensitivität der Messmethode in Frage kommen. Diese Unsicherheit negativer Befunde kann durch den zusätzlichen Nachweis von Referenzmutationen, die aus einer primären Gewebeanalyse des Tumors stammen, reduziert werden. Im Vergleich zu Gewebeuntersuchungen weist die Liquid Biopsy tumorspezifische Mutationen mit einer Sensitivität von 0,7 und einer Spezifität von 0,69 nach; dies entspricht einem positiven prädiktiven Wert (pW) von 0,86 und einem negativen pW von 0,46.
Schlussfolgerung: Liquid Biopsy und Gewebeanalysen ergänzen sich in der therapierelevanten tumorgenetischen Untersuchung und stehen sich somit nicht als Alternativen gegenüber. Um weitere Indikationen für Liquid Biopsies in der Tumordiagnostik zu bestimmen, sind Vergleichsstudien notwendig.


Die Liquid Biopsy bezeichnet eine Diagnostik, bei der zellfreie Nukleinsäuren aus Körperflüssigkeiten, in der Regel zirkulierende freie Desoxyribonukleinsäuren („cirulating free“ DNA, cfDNA) aus dem Blut, angereichert und anschließend untersucht werden. Die cfDNA wurde das erste Mal 1948 beschrieben (1). Aber erst 50 Jahre später, nachdem gezeigt worden war, dass diagnostisch verwertbare fötale DNA im Blut der Mutter vorkommt, erreichte sie hohe klinische Relevanz (2). Als Folge entwickelten sich die Liquid Biopsy und die Untersuchung von cfDNA zu einem Standard in der Pränataldiagnostik (3). Bei einer solchen Pränataldiagnostik wurde bei einer werdenden Mutter zufällig ein Tumorleiden mittels Mutationsnachweis in der cfDNA entdeckt (2). Damit wurde die Möglichkeit der Liquid Biopsy für die tumorgenetische Diagnostik (Mutationsanalyse) erkannt und die Methode konsequent weiterentwickelt, um Tumorleiden abzuklären (3). Heute spielt die Liquid Biopsy eine bedeutende Rolle, wenn T790M-Resistenzmutationen im „epidermal growth factor receptor“(EGFR)-Gen in der zielgerichteten Therapie von nichtkleinzelligen Karzinomen der Lunge („non small cell lung cancer“, NSCLC) untersucht werden.
Begriffsbestimmungen
Zirkulierende zellfreie Nukleinsäuren und
zirkulierende Tumorzellen
Mit einer Liquid Biopsy werden vor allem zellfreie Nukleinsäuren im peripheren Blut untersucht. Die Methode kann aber auch zur Analyse zellfreier Nukleinsäuren in anderen Körperflüssigkeiten wie Liquor oder Urin sowie bei Aszites eingesetzt werden. In der Tumordiagnostik wird meist die aus peripherem Blut gewonnene cfDNA zur genetischen Analyse genutzt (4). Die cfDNA stammt aus Geweben mit hohem Zellumsatz („turn-over“), das heißt einer hohen Rate von Proliferation und Zelluntergang. Die Quellen für die cfDNA sind daher neben einem Tumor auch normale Wechselgewebe in verschiedenen Zuständen, einschließlich Blutbildung, Immunreaktionen, Entzündungsprozessen oder durchblutungsbedingten Nekrosen. CfDNA, die aus Tumorzellen stammt, wird auch als zirkulierende freie Tumor-DNA („circulating free tumor“ DNA, ctDNA) bezeichnet. Die Abgabe von ctDNA ins Blut („shedding“) hängt vom Typ, der Lokalisation, der Vaskularisierung und der Größe eines Tumors ab (5, 6). Die ctDNA eines 100 g schweren kolorektalen Karzinoms (circa 3 × 1010 Tumorzellen) macht etwa 3,3 % der gesamten cfDNA eines Patienten aus (7). Durchschnittlich kommt cfDNA mit einer Konzentration von 180 ng/mL (0 bis > 1 000 ng/mL) im Plasma vor (8). Dabei sind die Fragmente der DNA sehr kurz, im Mittel nur 160 Basenpaare (4, 8), was nahelegt, dass sie aus apoptotischen Zellen hervorgehen (9).
Mit cfDNA beziehungsweise ctDNA können somatische tumorgenetische Alterationen in Form von Punktmutationen, Deletionen oder Amplifikationen detektiert werden. Nachweise von Translokationen (Genfusionen) erfolgen am besten auf Ebene der Messenger-Ribonukleinsäure (mRNA) (10), wofür zirkulierende freie RNA (cfRNA) oder zirkulierende freie Tumor-mRNA (ctRNA) erforderlich sind. Die cfRNA beziehungsweise die ctRNA sind so klein (durchschnittlich 40 Basenpaare), dass sie im Regelfall für den Nachweis von Mutationen ungeeignet sind (11). Daher werden für Untersuchungen der RNA andere Quellen wie Exosomen (12) oder „tumor educated platelets“ (TEP) (13, 14) erschlossen. Für die Routinediagnostik stehen diese bislang nicht zur Verfügung, so dass sich tumorgenetische Untersuchungen auf Translokationen momentan aus Liquid Biopsies nicht zuverlässig durchführen lassen.
Für eine tumorgenetische Diagnostik aus dem peripheren Blut kommen grundsätzlich auch zirkulierende Tumorzellen („circulating tumor cell“, CTC) in Betracht. Sie kommen jedoch nur in geringen Mengen (1–10 CTC/mL Blut) vor (15) und sind schwer anzureichern. Daher haben CTC momentan keinen Stellenwert in tumorgenetischen Analysen aus dem Blut (16).
Anwendungsgebiete
Liquid Biopsies lassen sich für eine Reihe diagnostischer Fragestellungen einsetzten wie „companion diagnostics“, molekulares Monitoring und molekulares Staging (4, 5).
Tumorgenetische Analyse für eine zielgerichtete Therapie („companion diagnostics“)
Vor dem Einsatz zielgerichteter Therapeutika muss im Regelfall der Mutationszustand eines Biomarkers bestimmt werden („companion diagnostics“). Eine interessante Indikation für die Liquid Biopsy liegt in der Detektion neuer oder resistenzvermittelnder Mutationen bei Tumorprogression nach einer Therapie, um die weitere Behandlung planen und zusätzliche zielgerichtete Therapieoptionen identifizieren zu können.
Ein Mutationsnachweis mittels Liquid Biopsy bietet sich an, wenn die Gewebe- oder zytologische Biopsie aufgrund der zu geringen Tumorzellmenge für eine tumorgenetische Analyse nicht ausreicht. Darüber hinaus empfiehlt sich dieses Verfahren bei schwer zugänglichen Tumorherden beziehungsweise bei Patienten mit Kontraindikationen für eine invasive Probenentnahme, da in diesen Fällen kein Gewebe- oder Zellmaterial aus einem Tumorherd gewonnen werden kann (Tabelle 1). Dies trifft für etwa 30 % der Patienten mit NSCLC zu (17, 18).
Ebenfalls liegen in der Krebsprogression häufig mehrere Tumorherde/-metastasen vor, die tumorgenetisch heterogen sein können (19). In dieser Konstellation hätte die Liquid Biopsy den Vorteil, freigesetzte ctDNA aus allen Tumorherden zu erfassen und damit auch bei tumorgenetischer Heterogenität ein repräsentatives Ergebnis zu liefern (Tabelle 1). Beim NSCLC mit aktivierender Mutation im EGFR-Gen entsteht unter zielgerichteter Therapie mit Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (TKI) häufig eine Resistenz durch die sekundäre T790M-Mutation im EGFR-Gen. Die Gabe von Osimertinib (TKI-Inhibitor der 3. Generation) in der Folgebehandlung führt zu einer geringeren Morbidität und einer besseren Lebensqualität als die Platin-basierte Standardbehandlung bei gleich langem Gesamtüberleben (20–23). In der Zulassungsstudie zeigten qualitative Vergleiche von Liquid Biopsy und Gewebebiopsie beim NSCLC, dass die Ergebnisse aus Liquid Biopsies mit einer durchschnittlichen Sensitivität von 0,67 und Spezifität von 0,94 deutlich schlechter sind (Tabelle 2) (24).
Aufgrund der Gesamtheit dieser Fakten hat die European Medicines Agency (EMA) für NSCLC im Jahr 2015 beim Einsatz des TKI Gefitinib und im Jahr 2016 bei der Verwendung des TKI Osimertinib den Nachweis der hierfür geforderten aktivierenden Mutationen (Geftinib) beziehungsweise inhibierenden T790M-Mutation im EGFR-Gen (Osimertinib) aus Blut zugelassen, wenn keine ausreichenden Mengen an Tumorgewebe zur Verfügung stehen (www.ema.europa.eu/ema). Dies ist bisher die einzige zugelassene Indikation für den Einsatz von Liquid Biopsies in der Diagnostik von Tumorerkrankungen. Da Tumoren verschiedener Entitäten unterschiedliche Mengen an ctDNA ins Blut abgeben (5), kommt eine Liquid Biopsy nicht für alle Tumorentitäten in der Routine-Diagnostik tumorgenetischer Gen-Mutationen in Frage (Tabelle 2). So bietet sich beim metastasierten kolorektalen Karzinom (Sensitivität: 0,90, Spezifität: 0,93) (Tabelle 2) (25) die Liquid Biopsy für die Suche nach Resistenzmechanismen in der Progression als Materialquelle für eine tumorgenetische Diagnostik an, wenn entsprechende Therapeutika vorliegen beziehungsweise zugelassen sind (4, 5, 26, 27). Vor einem flächendeckenden Einsatz der Liquid Biopsy sind Daten insbesondere aus klinischen Zulassungsstudien wie beim NSCLC (21, 23) notwendig.
Diagnostik eines Tumorrezidivs (molekulares Monitoring)
Sind durch vorhergehende tumorgenetische Untersuchungen des Primärtumors tumorspezifische Referenzmutationen bekannt, zum Beispiel im APC- oder KRAS-Gen bei kolorektalen Karzinomen, können diese für die Liquid Biopsy eingesetzt und bei einem unklaren Befund in der Bildgebung zur Rezidivdiagnose genutzt werden. Ebenfalls können auf diese Weise bei neu nachgewiesenen Tumorherden Hinweise darüber gewonnen werden, ob ein Rezidiv des bekannten Tumors oder ein Zweittumor vorliegt (4, 5, 26, 27). Die klinische Relevanz der Liquid Biopsy in diesem Kontext muss in intensiven klinischen Studien gezeigt werden und hat daher zurzeit experimentellen Wert.
Bestimmung eines Prognoseparameters
(molekulares Staging)
Tumoren, die in niedrigen Stadien („unio internationalis contra cancrum“ [UICC]: I, II) bereits cfDNA ins Blut abgeben, haben eine schlechtere Prognose (5). Liquid Biopsies können in der Zukunft für die prognoserelevante Unterscheidung von cfDNA-positiven beziehungsweise cfDNA-negativen Karzinomstadien herangezogen werden.
Damit ist ein molekulares Staging mit Relevanz für die Entscheidung zur adjuvanten Therapie möglich. Dies muss in klinischen Studien abgeklärt werden.
Tumorgenetische Mutationsanalysen aus Liquid Biopsies
Blutentnahme
Für die Blutentnahme sollten spezielle Röhrchen eingesetzt werden. Die meisten Standardröhrchen für die Blutentnahme bestehen aus positiv geladenen Kunststoffen, so dass die negativ geladene cfDNA adsorbiert wird und nicht mehr bei der Analyse nachgewiesen werden kann. Zudem beginnt der Zerfall der Blutzellen nach der Entnahme, wodurch genomische DNA freigesetzt und jede Analyse der tatsächlichen cfDNA verzerrt wird. Beide Prozesse beeinflussen die Sensitivität und das Ergebnis der Analyse von Liquid Biopsies. Daher sollen bewährte Blutentnahmeröhrchen aus der Pränataldiagnostik oder solche, die speziell für tumorgenetische Untersuchungen entwickelt wurden, eingesetzt werden. Sie bestehen aus negativ geladenen Werkstoffen und enthalten Stabilisatoren, die den Blutzellenzerfall etwa fünf Tage verhindern (28). Somit ist auch ein Transport auf dem Postweg ohne besondere Kühlketten möglich.
Weiterhin sollten für die Blutentnahme Kanülen mit ausreichend großem Kaliber (mindestens 21G) eingesetzt werden, damit kernhaltige Blutzellen intakt bleiben. Perfekt eignen sich Entnahmesysteme, die für Blutkulturen eingesetzt werden und dafür ausgerichtet sind, Blutzellen intakt und vital zu erhalten. Schließlich ist es wichtig, die Blutentnahmeröhrchen maximal zu füllen, um eine Schaumbildung zu vermeiden. Wenn Schaumblasen platzen, entstehen an den Grenzflächen zur Blutflüssigkeit starke Scherkräfte, wodurch die Blutzellen zerfallen. Ein gutes Maß, zelluläre Schädigungen abzuschätzen, ist eine durch Hämolyse entstandene Rotfärbung des Plasmas nach Zentrifugation.
Nachweis tumorgenetischer Mutationen, digitale Polymerase-Kettenreaktion
Das Kernproblem im Einsatz von ctDNA für Untersuchungen tumorgenetischer Mutationen ist deren geringe Menge in der cfDNA, die unter 0,001 % liegen kann (23). Daher müssen hochsensitive Nachweissysteme zur Analyse von Liquid Biopsies eingesetzt werden. Standardmäßig verwendete Polymerase-Kettenreaktion (PCR)-Ansätze sind weniger gut geeignet, weil sie keine Kontrolle der eingesetzten Anzahl an ctDNA-Molekülen erlauben und durch PCR-Duplikate Messergebnisse verzerren können. Digitale PCR-Systeme (dPCR) ermöglichen es, die Anzahl eingesetzter cfDNA-Moleküle zu bestimmen. Dazu gehören:
- „beads amplification magnetics“ (BEAMing) (29)
- „digital droplet PCR“ (ddPCR) (30)
- „digital next-generation sequencing“ (dNGS) (31).
Für diese Nachweisverfahren liegt die Sensitivität unter 0,1 % (5, 29–32). Mit BEAMing und ddPCR können jedoch nur wenige Gene (Genloci) gleichzeitig untersucht werden, so dass sich diese Verfahren dafür eignen, bekannte tumorgenetische Alterationen nachzuweisen, beispielsweise eine T790M-Mutation im EGFR-Gen. Diese Mutation zeigt an, ob sich eine Resistenz nach TKI-Therapie entwickelt und somit eine Therapie mit dem 3. Generations-TKI Osimertinib für die Tumorbehandlung geeignet ist (21). Lediglich dNGS eignet sich für den hochsensitiven Nachweis einer Vielzahl unbekannter Mutationen, zum Beispiel bei Resistenzentwicklung (26, 33).
Referenzmutation
Das Kernproblem beim Einsatz von ctDNA in tumorgenetischen Analysen bleibt die Unkenntnis über deren Anteil in der cfDNA. Es gibt momentan keinen Marker, der ctDNA aus den Tumorzellen von der cfDNA aus normalen Zellen zuverlässig unterscheiden kann. Nur der Nachweis einer bekannten Mutation aus dem Primärtumor bietet die Sicherheit, dass die Analyse funktioniert hat und das Testergebnis aussagekräftig ist (21, 23). Wenn keine bekannte Mutation gefunden wird (Wildtyp, WT), kommen zwei Gründe dafür in Betracht: Entweder liegt keine ctDNA vor oder die Sensitivität des Verfahrens ist zu gering, um ctDNA nachzuweisen. Aufgrund dieser unüberwindbaren methodischen Gründe werden Liquid Biopsies nie die Güte von Untersuchungen an Tumorgewebe oder -zellen erreichen (21, 23).
Liquid Biopsies haben einen hohen positiven, aber geringen negativen prädiktiven Wert, wobei sich diese Werte in Abhängigkeit von der untersuchten Tumorentität erheblich voneinander unterscheiden können (Tabelle 2) (23–25). Diese Diagnoseunsicherheit der Liquid Biopsy kann durch die zusätzliche Untersuchung einer bekannten Mutation des vorliegenden Tumors minimiert werden. Die bekannte Mutation dient als Referenzwert oder Kontrolle für die Aussagekraft und Zuverlässigkeit der tumorgenetischen Analyse aus der Liquid Biopsy. Geeignete Referenzwerte können bekannte Mutationen sein, die früh in der Karzinogenese auftreten („truncal mutation“), zum Beispiel Mutationen im APC- („adenomatous polyposis coli“) oder KRAS-Gen („Kirsten-rat sarcoma“) bei kolorektalen Karzinomen (34).
Diese Referenzmutationen werden gewonnen, indem Gewebe des Primärtumors untersucht wird. Bei der resistenzvermittelnden T790M-Mutation von NSCLC unter TKI-Therapie kann insbesondere die primäre aktivierende EGFR-Genmutation ein verlässlicher Referenzwert in der Liquid Biopsy sein, da diese in allen Zellen mit der T790M-Mutation vorkommt. Wenn die Referenzwert-Mutation nicht nachweisbar ist, weist dies auf zu geringe Mengen an ctDNA in der cfDNA hin. Dieses Defizit kommt bei einem Drittel aller Untersuchungen aus Liquid Biopsies vor (23). Die tumorgenetische Analyse aus einer Gewebebiopsie ist in solchen Fällen anzustreben (Grafik 1).
Vergleich von Gewebebiopsie und Liquid Biopsy
Trotz vieler Publikationen zur Liquid Biopsy liegen bislang nur aus der Osimertinib-Zulassungsstudie zuverlässige, auf einer großen Patientenzahl basierende, tumor- und therapierelevante Daten vor, die den Mutationsnachweis in der Gewebebiopsie und in der Liquid Biopsy direkt gegenüberstellen (21, 23). Im Vergleich zur Untersuchung am Gewebe detektiert die Liquid Biopsy tumorgenetische Mutationen mit einer Sensitivität von 0,7, einer Spezifität von 0,69, mit einem positiv prädiktiven Wert von 0,86 beziehungsweise einem negativ prädiktiven Wert von 0,46.
Weiterhin kann eine Liquid Biopsy in 31 % der Fälle (18 von 58) ein negatives Ergebnis aus einer Gewebeuntersuchung in einen positiven Mutationsbefund umwandeln. Andersherum kehrt die Gewebeanalyse in 54 % der Fälle (47 von 87) ein negatives Untersuchungsergebnis aus einer Liquid Biopsy in einen positiven Tumormutationsnachweis um (23).
Diese Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass sich für den Nachweis der T790M-Mutation beim NSCLC die tumorgenetischen Mutationsergebnisse aus der Gewebebiopsie sowie der Liquid Biopsy ergänzen und in der Kombination das sicherste Ergebnis für einen Patienten liefern. Zudem belegen die Daten, dass die Gewebeprobe mit einer höheren Sicherheit das richtige Ergebnis liefert und einer Liquid Biopsy nach Möglichkeit vorgezogen werden sollte. Liegen eine Gewebebiopsie und eine Liquid Biopsy gleichzeitig vor, sollte zunächst die tumorgenetische Analyse des Gewebes durchgeführt und erst bei einem negativen Befund die Liquid Biopsy untersucht werden.
Bei der Analyse auf die T790M-Mutation sollte wegen der geringeren Sensitivität und vor allem aufgrund des geringen negativ prädiktiven Werts immer die bekannte primäre aktivierende EGFR-Mutation als Referenzwert mitüberprüft werden, um ein aussagekräftiges Testergebnis zu erzielen (Grafik 2).
Die Diagnostik von Liquid Biopsies und Gewebebiopsien sind im Aufwand vergleichbar, so dass sich hier keine großen Steigerungen in den Kosten abzeichnen.
Interessenkonflikt
Prof. Jung erhielt Beraterhonorare von den Firmen Amgen, AstraZeneca, Biocartis, Bristol Myers Squibb, Novartis und Roche Pharma. Er bekam Reisekostenerstattung von den Firmen AstraZeneca und Biocartis und wurde für Vorträge honoriert von der Firma AstraZeneca.
Prof. Kirchner bekam Beraterhonorare von den Firmen Amgen, AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Merck KGaA, MSD Sharp-Dome, Novartis, Pfizer und Roche Pharma. Er erhielt Vortragshonorare und Reisekostenerstattung von der Firma AstraZeneca.
Manuskriptdaten
eingereicht: 16. 10. 2016, revidierte Fassung angenommen: 27. 11. 2017
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. rer. nat. Andreas Jung, Dipl.-Biol.
Prof. Dr. med. Thomas Kirchner
Pathologisches Institut der Universität München
Thalkirchner Straße 36, 80337 München
andreas.jung@lmu.de
thomas.kirchner@med.uni-muenchen.de
Zitierweise
Jung A, Kirchner T: Liquid biopsy in tumor genetic diagnosis.
Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 169–74. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0169
►The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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