

Der Ausbruch der Spanischen Grippe jährt sich in diesem Frühjahr zum 100. Mal. Das Influenzavirus tötete damals schätzungsweise zwischen 27 bis 50 Millionen Menschen.
Es war eine der schlimmsten Grippeepidemien der Geschichte. Die Spanische Grippe tötete in nur wenigen Monaten Schätzungen zufolge zwischen 27 bis 50 Millionen Menschen. Manche Quellen sprechen sogar von noch mehr Toten. Der Ausbruch der Pandemie, die in drei Wellen vom Frühjahr 1918 bis 1920 weltweit über die Menschen hereinbrach, liegt nun fast 100 Jahre zurück.
Anders als bei anderen derartigen Katastrophen sucht man Denkmäler und Relikte jener Zeit nahezu vergeblich, selbst Fotos sind eher rar. Das Ärztliche Vereinsblatt befasste sich zur damaligen Zeit ebenfalls kaum mit der tödlichen Grippewelle. In einer Ausgabe unmittelbar nach Ende des 1. Weltkriegs am 23. Dezember 1918 hieß es in der Zeitschrift aber, für die Ärzte würden vielfache Aufgaben erwachsen.
„Der Gesundheitszustand des Volkes ist geschwächt; neben den furchtbaren Verlusten an Menschenleben und Manneskraft im Felde haben Entbehrungen, Unterernährung und die Folgen einer schweren Epidemie die Volkskraft zerrüttet“, erklärte das Blatt. Die Ärzte mahnten damals, ein weiteres Umsichgreifen von Krankheiten müsse verhütet werden. „Mehr wie je ist ein verständnisvolles Zusammenwirken der öffentlichen Gesundheitsbehörden mit der Ärzteschaft vonnöten, und daher erhebt sich, weil straffste Zusammenfassung geordneter Kräfte das Gebot der Stunde ist, verstärkt der Ruf nach selbstständigen Behördenorganisationen für Volksgesundheit“, heißt es in der Zeitschrift weiter.
Einer Art kollektivem Vergessen sei die vielleicht größte Vernichtungswelle der Menschheitsgeschichte anheimgefallen, heißt es sogar in dem Buch „1918 – Die Welt im Fieber“ der Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney, das im Januar dieses Jahres erschienen ist. Erst in jüngerer Vergangenheit sei die Spanische Grippe vermehrt ins Bewusstsein der Menschen gerückt, auch weil sie zum Stoff von Büchern, Filmen und Serien wie „Downtown Abbey“ wurde. Zuvor war sie nicht viel mehr als eine Fußnote des 1. Weltkriegs.
Dabei sollen allein im Deutschen Reich einer Untersuchung zufolge rund 426 000 Menschen der Grippe zum Opfer gefallen sein. „Bei unserem heutigen Gesundheitssystem wäre das unerträglich, praktisch nicht vorstellbar“, sagte die Grippe-Expertin Silke Buda vom Robert Koch-Institut in Berlin.
Aussagen mit letzter Sicherheit sind daher schwierig. Der Berliner Historiker und Oberarzt der Charité, Wilfried Witte, hat über die Spanische Grippe geforscht. Er sagte, es habe damals alles relativ harmlos begonnen. Während der ersten Ansteckungswelle im Frühjahr 1918 erkrankten zwar sehr viele Menschen, aber relativ wenige starben. Im Herbst nahm jedoch eine weitere, tödliche Welle ihren Lauf. Gerade dort, wo Menschen geballt aufeinandertrafen, wie in Rekruten- und Kriegsgefangenenlagern, hätten sich auf einen Schlag zahlreiche Menschen angesteckt. „Die meisten sind an einem akuten Lungenversagen gestorben.“
Ärzte sahen bei Infizierten gewisse Muster: Nicht nur starben ungewöhnlich oft vermeintlich robuste Menschen zwischen 20 und 40 Jahren. Auch hatte sich die Haut der Erkrankten oft dunkelblau verfärbt – Zeichen der Unterversorgung mit Sauerstoff, wie Witte sagt. Wegen des fast schon schwarzen Teints hätten sich die Menschen an die Pest erinnert gefühlt. Zeitgenössische Ärzte hielten ein „Grippe-Bakterium“ für die Ursache, obwohl man diese Theorie damals schon anzweifelte. Der wahre Auslöser, das Influenzavirus, sollte später entdeckt werden – 1933.
Inzwischen sehen Wissenschaftler die Spanische Grippe nicht mehr unbedingt als Einzelfall, sondern als Prototyp von Pandemien. Sie kann sich wiederholen – das zeigten etwa die Asiatische Grippe (1957) und die Hongkong-Grippe (1968), wenn auch in geringerem Ausmaß. ■
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