

Warum Zurückweisung tatsächlich körperlich schmerzhaft ist, analysierte der Autor im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm.
Schmerz?! Das kennt jeder. Jeder weiß, wie sehr es wehtun kann, wenn etwas „schmerzt“. Und jeder weiß augenscheinlich, was zu tun ist, wenn es akut schmerzt, also physikalisch. Das lehrt uns schon Muttern mit ihren Hausmittelchen. Und zu allererst ist da natürlich noch der Aspekt, Abhilfe zu schaffen, indem man versucht, die Quelle des Schmerzes auszuschalten.
Aber wie verhält es sich mit „sozialem Schmerz“? Was genau ist „sozialer Schmerz“ und wie fühlt man sich dabei? Nun, man kann solch einen Schmerz unterschiedlich beschreiben. Zum einen ist sozialer Schmerz der typische „Liebeskummer“. Es sind aber auch andere Situationen, in denen man gesellschaftliche Zurückweisung erfährt. Sozialer Schmerz entsteht zudem auch, wenn jemand, der einem nahesteht, verstirbt. Kurz: Sozialer Schmerz ist, wenn einem das Herz „bricht“, metaphorisch gesprochen – und das kann bekanntlich schon sehr wehtun.
Doch was genau passiert da eigentlich in uns, wenn wir einen solchen Schmerz erfahren? Schmerz bewirkt als Emotion eine Stresssituation in uns, der Blutdruck und der Puls steigen, Adrenalin wird ausgeschüttet und wir bereiten uns auf „flight or fight“ vor. Ähnlich verhält es sich bei sozialem Schmerz. Hier befinden wir uns in einer ähnlichen „Kampfsituation“, in der es zu reagieren gilt. Nun beginnt ein Prozess, bei welchem wir versuchen, diesen Schmerz einzuordnen. Wir möchten erfahren, wie wir mit ihm beim nächsten Mal besser umgehen können, also quasi reevaluieren. Für den physikalischen Schmerz bedeutet das: Wenn ich auf eine heiße Herdplatte fasse, mache ich das kein zweites Mal, zumindest nicht unbedingt. Beim sozialen Schmerz ist es das Gleiche: Wenn ich Zurückweisung erfahre, versuche ich das nächste Mal, es zu umgehen und suche Strategien, wie ich das umsetzen kann.
Dieser Zusammenhang wurde in diversen Studien bestätigt. Eine Studie von Naomi Eisenberger et al. (1) beispielsweise hat gezeigt, dass bei sozialer Zurückweisung die überwiegend gleichen Areale im Gehirn aktiviert werden, wie es bei physikalischem Schmerz der Fall ist (2–4). Dazu hat sie Probanden, die sich freiwillig dazu bereit erklärt hatten, in einem MRT-Scan einem sozialen Zurückweisungsparadigma unterzogen, indem sie ihnen in einem interaktiven Ballspiel nicht mehr den Ball zuspielen ließ. Der so erzeugte soziale Ausschluss führte zu einer Aktivierung eines Hirnareals, dem dorsalen anterioren cingulären Kortex, der vor allem für Emotionen, Schmerz und Lernen zuständig ist. Hier findet nun die Interpretation der Situation statt und man fühlt sich ausgeschlossen. Da eben in jenem Areal auch der physikalische Schmerz interpretiert wird, gibt es nun eine Überlappung beider Schmerzformen. Der soziale Schmerz „tut weh“. Das heißt ebenfalls, dass bei Menschen, die sich über längere Zeit ausgeschlossen fühlen, die Schmerzschwelle für den physikalischen Schmerz niedriger ist als bei jenen, bei denen das nicht so ist.
Was macht man bei gefühlten, vor allem physikalischen Schmerzen, wenn Muttis Hausmittelchen nicht mehr helfen? Man nimmt ein Schmerzmittel, um den Schmerz zumindest zu lindern. Das hat sich bei einer anderen Studie von Nathan Dewall et al. bei sozialem Schmerz ebenfalls gezeigt: Hier hat man Probanden über einen gewissen Zeitraum Acetaminophen – auch bekannt als Paracetamol – gegeben und dann ebenfalls einem MRT-Scan unterzogen, bei dem sie ebenfalls einem sozialen Ausschlussspiel ausgesetzt waren.
Die Ergebnisse waren erstaunlich: Es zeigte sich, dass die Areale im Gehirn bei den Kontrollprobanden wesentlich stärker aktiv waren als bei jenen, die Acetaminophen genommen hatten (5). Darin wird ebenfalls ein Zusammenhang des physikalischen und sozialen Schmerzsystems deutlich, die man jedoch beide auch unterdrücken kann und somit sozialer Schmerz gefühlt anders wahrgenommen wird. Hier überlässt man es der Forschung, wie man sich das zunutze machen kann (6).
Zusammenfassend kann man aber sagen, dass Schmerz, egal in welcher Weise, in zu langer Dauer oder Intensität, nicht gut ist. Zwar hilft er, uns in einer nicht immer geneigten sozialen Umwelt lernend zurechtzufinden oder körperliche Verletzung als Warnsignal einzuordnen und danach bestenfalls zukunftsweisend vorteilhaft zu handeln. Vielleicht gilt hier aber andererseits der altbekannte Spruch „alea dosis facit venenum“ – nur die Dosis macht das Gift. Dies gilt sowohl beim körperlichen, psychischen als auch beim sozialen Schmerzerleben. ■
Science (New York, NY). 2003; 302 (5643): 290–2.
Psychosomatic medicine. 2012; 74 (2): 126–35.
social pain. Nature reviews Neuroscience. 2012; 13 (6): 421–34.
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