POLITIK
Telematik-Rollout: Mehr Zeit für die Anbindung


Es wird eng mit dem Ausbau der Telematikinfrastruktur. Noch gibt es wenige Konnektoren auf dem Markt. Zusätzlich drohten Praxisinhabern Honorarabzüge, wenn nicht bis Ende des Jahres die Technik installiert ist. Die KBV wirbt beim Bundesgesundheitsministerium für eine längere Frist.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat erneut dafür geworben, den Zeitplan für Ausstattung und Anschluss der Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) zu verlängern. Außerdem setzt sich die KBV dafür ein, die finanzielle Förderung für die Erstausstattung der benötigten Geräte zu erhöhen. „Ursprünglich waren ohnehin zwei Jahre für den technischen Rollout der TI vorgesehen. Die Schuld, dass dieser Zeitraum immer weiter zusammengeschrumpft ist und die Fristen nicht eingehalten werden können, liegt nicht bei den Ärzten, sondern es ist der Markt, der aktuell nicht ausreichend liefern kann“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. rer. oec. Thomas Kriedel Ende März in Berlin.
Weiterhin zu wenig Anbieter
Dabei machte er das zeitliche Dilemma der Arztpraxen deutlich: Es gebe weiterhin nur einen Anbieter für die Konnektoren, die zum Anschluss an die TI notwendig sind. Dieser Anbieter habe zwar die Hälfte der niedergelassenen Ärzte als Kunden für die Praxissoftware, für die andere Hälfte fehle es aber noch an entsprechenden Angeboten. Immerhin hätten für das Frühjahr etwa drei weitere Hersteller ihren Eintritt in den Markt angekündigt, aber: „Selbst wenn die Hardware zur Verfügung stünde, wäre es unrealistisch, alle 100 000 Praxen bis zum Ende des Jahres an die TI anzubinden“, erklärte Kriedel. Diese Frist war vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) im E-Health-Gesetz sowie in einer weiteren Rechtsverordnung festgelegt worden.
Die KBV wirbt nun dafür, diese Frist um weitere sechs Monate zu verlängern. Bislang seien zwischen 7 500 und 10 000 Praxen an die TI angeschlossen. Pro Praxis benötige es nach den bisherigen Erfahrungen zwischen vier bis sechs Stunden für einen Techniker, der Hard- und Software anschließt und installiert. „Angesichts der aktuellen Situation sehen wir uns gezwungen, die Fristen sowie die Finanzierung der Praxisausstattung für die TI neu zu definieren“, erklärte Kriedel.
Denn zum zeitlichen Problem des Anschlusses der Praxen an die TI kommt ein finanzielles: Wenn bis zum 31. Dezember 2018 das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) nicht durchgeführt wurde, droht dem Arzt ab dem 1. Januar 2019 laut Gesetz ein Honorarabzug von einem Prozent. Zweite Finanzierungslücke: Da es momentan nur einen Anbieter im Markt gibt, entwickeln sich die Preise für die Geräte nicht so, wie es in der ursprünglichen Kalkulation für die Kostenerstattung durch die Krankenkassen gedacht war. In den Berechnungen war man davon ausgegangen, dass spätestens bei Markteintritt von weiteren Anbietern die Preise insgesamt sinken. Dies ist aber nun nicht geschehen. „Wir haben es hier mit einer möglichen Unterdeckung im vierstelligen Bereich pro Praxis zu tun“, sagte Kriedel. Konkret geht die KBV von einer Unterdeckung von 1 190 Euro im dritten Quartal 2018 aus.
Um die mögliche Finanzierungslücke bei der Praxisausstattung abzuwenden, habe die KBV bereits die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband aufgenommen. Laut Gesetz ist vorgesehen, dass die Krankenkassen den Ärzten eine Erstausstattung bei der TI finanzieren. Um Fristen zu wahren, habe die KBV auch das Schiedsamt angerufen, sagte Kriedel.
Auch bei der elektronischen Patientenakte (ePA) sieht die KBV noch wichtige Weichenstellungen vor sich. Die Akte habe das Potenzial, zentrale Herausforderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu bewältigen, sagte Kriedel. So fordert die Körperschaft, dass bei technischen Fragen rund um die Interoperabilität die gematik der zentrale Akteur bleiben solle. „Die Inhalte und die damit verbundene Vergütung sollten aber diejenigen regeln, die die ärztliche Kompetenz haben, sowie diejenigen, die die Finanzierung tragen.“
KBV wirbt für Selbstverwaltung
Damit sieht Kriedel die KBV, aber auch den GKV-Spitzenverband in der Pflicht. „Dafür brauchen wir nicht lauter Einzelgesetze, sondern einen verbindlichen Rechtsrahmen, innerhalb dessen die Selbstverwaltung agieren kann.“ Außerdem fordert die KBV, dass es für jeden Patienten nur eine Akte geben dürfe und keine Insel- oder Parallellösungen von einzelnen Anbietern entstehen. Der Kern der Technik müsse immer gleich sein, damit die Akte des Patienten bei einem Kassenwechsel nicht verschwindet.
Darüber hinaus müsse es ein sinnvolles Zugriffs- und Berechtigungskonzept geben. Zu klären wäre auch, welche Daten vonseiten der Patienten dem Arzt nicht zugänglich gemacht werden. „Auch muss dokumentiert werden können, welche Informationen ein Arzt aus der Akte nicht hatte, wenn er eine Diagnose stellt“, forderte Kriedel. Ebenso müsse Vertrauen in die Akte geschaffen werden und klar sein: „Hinter der Technik steht weiterhin der Arzt als Mensch, der ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis aufbauen wird.“