

Auftaktpleite bei der Fußball-WM in Russland. Die Weltmeister von 2014 haben ihr erstes Spiel gegen Mexiko verloren. War es die falsche Taktik, eine mangelnde Einstellung oder sind die Helden von Brasilien schlichtweg zu alt? Sollte man nicht eher auf den Nachwuchs setzen? Schließlich war die Startelf die älteste deutsche WM-Mannschaft seit 2002. Beim Fußballnachwuchs ist man gerüstet: Die potenziellen Nationalspieler werden in Nachwuchszentren unter besten Bedingungen gehegt und gepflegt. Aus der katastrophalen EM 2000 hat man gelernt und professionelle Strukturen für sie aufgebaut.
In der medizinischen Versorgung sieht es wesentlich dramatischer aus: Man ist mitten im Umbruch. Der demografische Wandel führt zu immer mehr multimorbiden Patienten, die Ärzteschaft ist überaltert. Und im Gegensatz zum Fußball steht der medizinische Nachwuchs, der es richten soll, nicht im Fokus der politischen Bemühungen.
Dabei kommen die Probleme nicht überraschend. Ansätze für die Bewältigung dieser Herausforderungen sind zwar vielfältig: Förderprogramme der Länder zur Niederlassung in bevölkerungsschwachen Gebieten, die gerade viel diskutierte Landarztquote, mehr Studienplätze in der Medizin und eine bessere Steuerung der Patienten im Gesundheitswesen. Nicht zu vergessen die Diskussionen um Delegation und Substitution und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Politik ist nicht tatenlos, aber an Ärztinnen und Ärzten gehen die Maßnahmen oft vorbei. Terminservicestellen werden eingerichtet, die alles andere als erfolgreich sind. Die Vertragsärzte will man dazu zwingen, ihre Sprechstundenzeiten von 20 auf 25 pro Woche zu erhöhen. Woher die Stunden kommen sollen, weiß man nicht, zumal die Vertragsärzte de facto schon jetzt mehr als 50 Wochenstunden arbeiten. Hinzu kommen viele bürokratische Vorgaben sowie die Deckelung der Leistungen, die die Arbeitsbedingungen verschlechtern.
Motivieren wird man die künftige Ärztegeneration damit nicht. Im Gegenteil: Junge Mediziner, die vor der Frage einer Niederlassung stehen, sind im schlimmsten Fall abgeschreckt. Die politischen Entscheidungen können so den Ärztemangel auf dem Land sogar noch verschärfen, wenn sich immer weniger Mediziner auf eine Niederlassung einlassen.
Und diese Problematik beginnt schon weitaus früher. Bereits im Praktischen Jahr (PJ) fühlen sich Medizinstudierende oft ausgenutzt und nicht ausreichend angeleitet. Sie beklagen eine existenzbedrohende Bezahlung und überlange Arbeitszeiten, wie eine Umfrage des Marburger Bundes (MB) unter 1 300 PJlern ergab (Seite 1209). Nach dem PJ wird es nicht unbedingt besser, wie der MB-Monitor im vergangenen Jahr deutlich machte. Probleme auch hier: Zeitmangel und hohe Arbeitsbelastung. Jeder Fünfte trug sich mit dem Gedanken, die ärztliche Tätigkeit aufzugeben.
Sicherlich muss man Strukturen ändern, modernisieren und auch effizienter gestalten. Das gelingt aber nur, wenn die Akteure, die die medizinische Versorgung sicherstellen, neben den Ärzten auch Pflegekräfte und Gesundheitsberufe, motiviert sind. Die Politik hat für den Nachwuchs bislang zu wenig Akzente gesetzt. So kann es passieren, dass die künftigen Ärzte – um auf die Fußball-WM zurückzukommen – schon nach der Vorrunde ausscheiden, allerdings auf eigenen Wunsch.
Michael Schmedt
Stellv. Chefredakteur
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