POLITIK
Ambulante Versorgung: Sprechstunde am Samstag?


Kurz vor der Präsentation erster Eckpunkte für ein Gesetz, welches die Verlängerung von Sprechzeiten vorsieht, fordern die Krankenkassen von Vertragsärzten mehr Sprechstunden am Abend und am Wochenende. Diese reagieren empört und verlangen ausreichende Honorarzahlungen.
Bei der Debatte um die Erhöhung der Sprechzeiten von niedergelassenen Ärzten forderte der Spitzenverband der Krankenkassen mehr Sprechstunden am Abend und am Wochenende. Nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, sollten Ärzte für GKV-Patienten zusätzliche Sprechstunden außerhalb der bisherigen Zeiten anbieten. Dafür könnte er sich auch vorstellen, eine zusätzliche Vergütung „im zweistelligen Millionenbereich“ zu zahlen. Eine generelle Anhebung der Vergütung im Zuge der Ausweitung der Sprechzeiten, wie es die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert, lehnte er ab. Die jährlichen Honorarverhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband finden im August statt.
Praxis- und Betriebszeiten
„Es geht ja um Mindestzeiten, nicht um Durchschnitte“, betonte von Stackelberg vor Journalisten. Er gehe davon aus, dass viele Ärzte in allen Fachrichtungen über dem Durchschnitt arbeiten. Im EBM wird mit einer Arbeitszeit von 51 Stunden pro Woche kalkuliert. In einem Gutachten des Zentralinstituts der kassenärztlichen Versorgung (Zi) wird darauf hingewiesen, dass es keine rechtlich bindende Definition von „Sprechstunden“ gibt. In seiner Analyse geht das Institut daher von „Betriebszeiten“ in Praxen aus und hat dafür durchschnittlich 38,5 Wochenstunden ermittelt. Nach Daten aus dem Praxispanel ZiPP arbeiten Praxisinhaber 51,5 Wochenstunden, von denen sie 35,8 Wochenstunden für die Versorgung von gesetzlich Versicherten nutzen. Für die Versorgung von Privatpatienten, die nicht in jeder Region eine Rolle spielen, werden 5,8 Wochenstunden benötigt. Zusätzlich müssen 14 Stunden pro Woche für Aufgaben ohne direkten Patientenkontakt aufgewendet werden.
Für die Sprechstunden in Randzeiten bis 19 Uhr oder am Wochenende könnte sich der GKV-Spitzenverband eine weitere finanzielle Förderung vorstellen. Bislang werden Wochenendsprechstunden, die um 14 Uhr enden, mit elf Euro pro Kontakt zusätzlich vergütet. „Wenn wir als GKV 90 Prozent der Menschen versichern, können wir auch verlangen, dass Ärzte ausreichend Zeit in ihrer Arbeitszeit für die Versicherten zur Verfügung stellen.“
Für das angekündigte Versorgungsgesetz, dass wahrscheinlich Anfang bis Mitte Juli vom Bundesgesundheitsministerium vorgestellt wird, haben die Krankenkassen weitere Vorschläge: „Man sollte auch darüber diskutieren, ob Ärzte, die unter dem Durchschnitt arbeiten, nicht besser nur eine halbe Zulassung beantragen“, sagte von Stackelberg. Im Zuge dessen will er auch eine bessere Berichtspflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen über die Arbeitszeiten der niedergelassenen Ärzte erreichen. Ebenso sollen Anreize dafür geschaffen werden, dass Patienten für den Facharzt-Erstkontakt schneller Termine bekommen. Hier könne er sich vorstellen, dass es einen schnelleren Zugang zu einem ersten Abklärungsgespräch geben könnte. Bei den vor eineinhalb Jahren eingeführten Terminservicestellen plädierte von Stackelberg für eine bundeseinheitliche Telefonnummer.
Heftige Kritik der Ärzteverbände
Deutliche Kritik an den Vorschlägen der Krankenkassen äußerten die Ärzteverbände: „Alle Überlegungen in Richtung zusätzlicher ärztlicher Leistung sind absurd, solange schon jetzt zehn bis 20 Prozent der erbrachten Leistungen nicht bezahlt werden“, monierte der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Andreas Gassen, in einer ersten Reaktion. „Zechprellerei lässt sich nicht dadurch heilen, dass man zusagt, sich zu überlegen, eventuell die nächste Rechnung zu bezahlen.“ Das Zi plädierte für eine „grundlegende Veränderung der Vergütung“, würde man Sprechstunden verlängern. „Die Anreize für längere Arbeitszeiten am Patienten werden durch die gegenwärtigen Budgetdeckel ausgebremst“, sagte Zi-Geschäftsführer Dr. rer. pol. Dominik von Stillfried. Auch der NAV-Virchow-Bund übte heftige Kritik: „Wer auf einem Riesenberg von Honorarschulden gegenüber der Ärzteschaft sitzt, Mehrarbeit einfordert und die Budgetierung als bewährtes Instrument sieht, hat jede Bodenhaftung verloren und nimmt die Verantwortung für eine gute Versorgung der gesetzlich Versicherten nicht mehr wahr“, kritisierte Verbandsvorsitzender Dr. med. Dirk Heinrich. Rebecca Beerheide
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