MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Alternativ- und Komplementärmedizin bei Tumorpatienten: Werden konventionelle Verfahren durch alternative ersetzt, ist die Sterblichkeit erhöht


Alternative und komplementäre Therapien boomen. Viele Krebspatienten wenden als Ersatz für oder in Ergänzung zu konventionellen Krebsbehandlungen zum Beispiel Phytotherapeutika, Vitamine, Mineralstoffe, homöopathische Mittel oder spezielle Ernährungsformen an. In den USA wurde mithilfe einer nationalen Datenbank retrospektiv analysiert, ob sich Komplementärmedizin auf Therapieadhärenz und Überleben auswirkt.
Aus der National Cancer Database (NCDB) wurden unter 1 901 815 Patienten diejenigen ausgewählt, die zwischen Januar 2004 und Dezember 2013 an einem nicht metastasierten Brust-, Prostata-, Lungen- oder Kolorektalkarzinom erkrankt waren und die eine komplementäre Medizin (CM) zusätzlich zu mindestens einer standardisierten Therapie verwendeten.
Jedem dieser 258 CM-Patienten wurden 4 Patienten ohne CM gegenübergestellt (n = 1 032). Alter, Tumorentität und -stadium, Einkommen, Versicherungstyp und Diagnosejahr waren vergleichbar. Die CM-Patienten waren im Durchschnitt jünger, häufiger weiblich (199/258), gebildeter, wohlhabender und hatten weniger Begleiterkrankungen als die Vergleichspatienten. Brust-, Darmkrebs und ein Karzinom im Stadium 3 erhöhten die Wahrscheinlichkeit für die CM-Anwendung.
CM-Patienten lehnten häufiger als die übrigen eine weitere konventionelle Therapie ab. Die Ablehnquoten betrugen bei Operation 7,0 % vs. 0,1 %, bei Bestrahlung 53,0 % vs. 2,3 %, bei Chemotherapien 34,1 % vs. 3,2 % und bei Hormonbehandlung 33,7 % vs. 2,8 %.
Mit 82,2 % überlebten nach 5 Jahren signifikant weniger CM-Patienten als Patienten der Vergleichsgruppe (86,6 %, p = 0,001). Das Sterberisiko war bei den CM-Patienten in einem multivariaten Modell, welches Verzögerungen oder kategorische Verweigerungen der konventionellen Therapie nicht berücksichtigte, mit einer Hazard-Ratio von 2,08 verdoppelt. Wurden diese beiden Faktoren in das Modell einbezogen, ergab sich kein signifikanter Unterschied im Sterberisiko. Dies deutet darauf hin, dass die kürzere Überlebenszeit bei CM-Patienten in erster Linie durch die Verweigerung der konventionellen Therapie bedingt ist. Schwächen der Analyse seien retrospektives Design und die vermutlich nicht vollständige Dokumentation von komplementären Maßnahmen, so die Autoren. Möglicherweise sei eine komplementäre Maßnahme vom Behandler auch eher dokumentiert worden, wenn der Patient die Standardtherapie ablehnte. Außerdem ist unklar, welche komplementären Maßnahmen eingesetzt wurden.
Fazit: „Diese wichtige Studie bestätigt ältere vergleichbare Analysen und weist erneut darauf hin, dass die Alternativmedizin, auch wenn sie zunächst parallel zur Schulmedizin angeboten wird, ein erhebliches Schadenspotenzial hat“, so Prof. Dr. med. Jutta Hübner, Professorin für Integrative Onkologie, Klinikum für Innere Medizin II der Universität Jena. Komplementärmedizin müsse streng evidenzbasiert und mit einer sehr klaren Aufklärung des Patienten erfolgen. „Krebs kann nicht direkt mit natürlichen Methoden bekämpft werden.“ Die Verträglichkeit der Therapie könne aber durch gesunden Lebensstil und ausgewählte, sehr gut auf die Therapie abgestimmte naturheilkundliche Verfahren verbessert werden. Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Johnson SB, Park HS, Gross CP, et al.: Complementary medicine, refusal of conventional cancer therapy, and survival among patients with curable cancers. JAMA Oncol 2018; doi.org/10.1001/jamaoncol.2018.2487.
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