MANAGEMENT
Hochkontagiöse Erreger: Ansteckung effektiv vermeiden


Noro-, Rota-, Masern- und Influenzaviren haben eines gemeinsam: Sie sind hochansteckend, im Nu werden Stationen oder Wartezimmer zum Hort von Keimmultiplikatoren. Es gibt jedoch wirksame und sinnvolle Maßnahmen, die im Umgang mit solchen Erregern eine weitere Ausbreitung in Schach halten.
Hochkontagiös ist nicht gleichzusetzen mit hochgefährlich. „Das wird leider immer wieder falsch verstanden und verwechselt“, so Prof. Dr. med. René Gottschalk, Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am Main. „Mit Ebola-, Lassa- oder Marburgviren steckt man sich längst nicht so schnell an wie mit Windpocken, Noroviren oder Influenza“, erklärt der Experte, „obwohl diese gefährlichen Erreger lange fälschlich unter hochkontagiös subsumiert worden sind.“
Als entscheidender Strategiewandel habe sich hier in der jüngsten Vergangenheit der Übergang von der „Agent-based“- zur „Action-based“-Planung erwiesen (1). Nicht einzelne Erreger stehen im Fokus, wenn eine Ausbreitung vermieden werden soll, sondern zunächst die Frage, ob eine Übertragung von Mensch zu Mensch erfolge oder aber durch belebte oder unbelebte Vektoren. Dann richte man die Maßnahmen gezielt darauf aus.
Kontaktisolierung als A und O
Hochkontagiöse Erreger wie Varizellen, Influenza- oder Masernviren werden vor allem durch die Atemluft (aerogen) oder über Tröpfchen weitergegeben. Husten, Niesen und Sprechen setzen Tröpfchen frei, aber auch Absaugen oder Intubieren.
Andere, etwa Rota- oder Noroviren, werden durch Kontakt mit Händen (fäkal-oral) oder verunreinigten Gegenständen (früher als Schmierinfektion bezeichnet) verbreitet (2). Als Vehikel kommen aber auch Nahrungsmittel oder verunreinigtes Wasser infrage. Zudem gibt es Mischformen.
Die Norogastroenteritis etwa ist die mit großem Abstand häufigste meldepflichtige Gastroenteritis in Deutschland, auch weltweit (3). Die Viren zeichnen sich durch eine hohe „attack rate“ aus, sehr viele der exponierten Personen erkranken auch, ein Ausbruch kann daher teuer werden. Hauptinfektionsweg ist die Kontaktübertragung. Infolgedessen ist eine der wichtigsten Maßnahmen die räumliche Isolierung infektiöser Patienten, eventuell auch von mehreren infizierten Patienten als „Kohorte“ in einem Zimmer. Kontaktisolierungen sind ebenfalls sinnvoll bei respiratorischen Viren wie Influenza und Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) oder Adenoviren bei Keratoconjunctivitis epidemica.
„Ab der Isolierung darf der Patient das Zimmer allenfalls in Ausnahmefällen verlassen“, sagt Dr. med. Nathalie Pausner, und: „Auch eine Mutter, die bei ihrem Kind untergebracht ist, sollte sich möglichst an diese Bedingungen halten“, so die Chefärztin der Infektionsprävention und Krankenhaushygiene im Helios Klinikum Duisburg.
Die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) besteht aus Schutzhandschuhen, Schutzkittel und Mund-Nasen-Schutz, der vor allem wichtig ist in der Nähe von Patienten, die sich übergeben. Hier kann auch eine Schutzbrille geboten sein. Rota- und Noroviren werden nur über kurze Distanzen weitergegeben, die aerogene Übertragung spielt praktisch keine Rolle. Deshalb darf die Zimmertür auf Wunsch des Patienten auch offenstehen. Das ist anders bei aerogener Übertragung über größere Entfernung, etwa bei Masern oder Varizellen. Hier sind langärmelige Kittel, Handschuhe und Atemschutzmasken zwingend.
Schutzmasken als Belastung
Aber auch bei Influenza sei spätestens im direkten Face-to-face-Kontakt zum Patienten die FFP2-Maske geboten, erläutert Pausner, bei Intubationen oder Bronchoskopien sogar eine FFP3-Maske (FFP1 filtert 80 % der Partikel, FFP2 95 % und FFP3 99,7 %). Das bedeute wegen des Atemwegswiderstandes der Maske durchaus eine Belastung und schränke die Mitarbeiter ein. Auch Reinigungs- oder Pflegepersonal, etwa beim EKG-Schreiben, müssten dies beachten. Hochkontagiöse Patienten sollten immer erst zum Schluss versorgt werden.
Das Händewaschen mit Wasser und Seife wird im häuslichen Bereich empfohlen, allerdings ist die Evidenz dafür niedrig. In der Klinik sollte die Händedesinfektion nach den 5 Indikationen der WHO erfolgen (4). Die Wahl des Flächendesinfektionsmittels richtet sich immer nach dem Erreger. In der Regel muss jedoch nicht mit einem Sauerstoffabspalter gearbeitet werden.
Transporte dieser Patienten innerhalb der Klinik sollten möglichst unterbleiben. Für eine Bildgebung müsse die Indikation ganz eng gestellt werden, so Pausner, Besuch sollte, wenn überhaupt, auf ein Minimum reduziert sein. Die Kontaktisolierung ist bei Noroviren für mindestens 48 Stunden nach Sistieren der Symptome aufrechtzuerhalten. Das gilt auch für erkrankte Mitarbeiter. „Wichtig ist, dass diese tatsächlich zu Hause bleiben, um weitere Ansteckungen zu vermeiden“, so Pausner. Allerdings können jene Mitarbeiter, die eine akute Norogastroenteritis überstanden haben, bei der Versorgung von symptomatischen Patienten eingesetzt werden.
Dr. med. Georg-Christian Zinn, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Hygiene bei Bioscientia in Ingelheim, empfiehlt für den ambulanten Sektor, gleich bei jedem Patienten mit heftigen Erbrechen, Durchfall oder Erkältungssymptomen mit einer Verbreitungsverhütung zu beginnen: „Nicht zu unterschätzen ist hier die aufmerksame Anamnese schon bei Vereinbarung eines Termins durch geschultes Personal in der Arztpraxis“, so Zinn, „sie sollten bei einschlägigen Symptomen hellhörig werden.“
Er macht außerdem auf die Problematik von Spielzeug und Zeitschriften im Wartezimmer aufmerksam, alles Kontaktflächen, die Infektionen weitergeben: „Die gehören eigentlich entsorgt, wenn eine Praxis über längere Zeit mit hochkontagiösen Patienten zu tun hat“, empfiehlt der Infektionsexperte. Ein solches Szenario ist auch für die Ambulanzen der Kliniken bedeutsam, denn immer öfter gingen in der letzten Grippesaision die Patienten nicht zum Hausarzt, statt dessen in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser.
Damit Mitarbeiter nicht erkranken
Den Patienten müsse man ebenfalls erklären, wie sie sich zu Hause richtig verhalten. Um etwa Gastroenteritiden nicht zu verbreiten, sei eine separate Toilette ideal, sorgfältiges Händewaschen und Reinigung der Kontaktflächen nach dem Stuhlgang oder nach Erbrechen Pflicht. Wäsche und Geschirr ist normal zu reinigen, aber Mahlzeiten sollte ein Infizierter nicht zubereiten.
Kein Experte versäumt es, auf den Impfschutz hinzuweisen, zuallererst den des Personals: „Es gibt leider immer noch Kollegen und Pflegekräfte, die weder gegen Masern, noch gegen Grippe geimpft sind und dann auch noch mit Immunsupprimierten arbeiten“, kritisiert Pausner. Zudem fielen solche Mitarbeiter gerade dann aus, wenn man sie angesichts von Ausbrüchen am dringendsten benötigte. Eine Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswe- sen gegen impfpräventable Erkrankungen gibt es nicht, so hochkonta- giös der Erreger auch sein mag.
Dr. med. Martina Lenzen-Schulte
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4118
oder über QR-Code.
Weitere Informationen
Wenn Erreger Saison haben
- Bei Terminvergabe nach Erbrechen, Niesen, roten Flecken etc. fragen lassen
- Zwei-Wartezimmer-Lösung als Königsweg
- Erkennbar infizierte Patienten gleich in einen eigenen Raum lotsen
- Infizierte möglichst am Ende der Sprechstunde einbestellen
- Immunsupprimierte Patienten möglichst am Anfang des Tagesprogramms behandeln
- Zeitschriften und Spielzeug vorübergehend aus dem Wartezimmer verbannen
- Kontaktflächen tagsüber auch zwischendurch reinigen
- Mundschutz für das Personal bereithalten
- Impfschutz des Personals rechtzeitig prüfen
Wie ich Patienten aufkläre
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bietet unter www.infektionsschutz.de verständliche Merkblätter/Erregersteckbriefe in verschiedenen Sprachen u. a. zu:
- Grippe
- Masern
- Noroviren
- Rotaviren
- Windpocken
Für Kinder gibt es zusätzlich Piktogramme darüber, wie man richtig Hände wäscht oder auch zum richtigen Husten und Niesen. Ärzte können sich zahlreiche Materialien (Plakate, Patienten-Broschüren oder auch Filme) für die Praxis kostenlos bestellen oder herunterladen, darunter speziell Hygienetipps für Magen-Darm- oder Atemwegserkrankungen.
Tipp
Das Robert Koch Institutes stellt in der Reihe RKI-Ratgeber sehr gute Merkblätter für alle relevanten Infektionskrankheiten, auch für die erwähnten hochkontagiösen Erreger zur Verfügung (5).