

Die schlimmste Generation ist in den Augen der Arrivierten immer die kommende. Wer so denkt, hat schon mal Menschen wie Aristoteles, Platon und Sokrates auf seiner Seite. Auch die waren nicht gut auf ihren Nachwuchs zu sprechen. Das hält sich scheinbar auch heute noch, ausgenommen vielleicht der Fortschritt einer positiveren Bewertung eigener Kinder.
Wer hingegen der jetzt antretenden Ärztegeneration zuhört, gewinnt einen anderen Eindruck (siehe ab Seite 2044). „Wir sind nicht die Generation Spaß“, kommentiert beispielsweise die berufspolitisch aktive Berliner Ärztin Katharina Thiede den immer wieder hörbaren Vorwurf, ihre Generation setze auf Freizeit und Familie statt auf Berufung. Mit welcher Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit junge Ärzte ihre Aufgabe angehen, haben einige auf dem vergangenen Deutschen Ärztetag in Erfurt beeindruckend unter Beweis gestellt.
Was eine Gruppe von Ärztinnen und Ärzten dieser jungen Generation jetzt in dem gemeinsamen Aufruf in dieser Ausgabe fordert – bessere Arbeitsbedingungen für den Berufsstand, Zeit für die Patienten, aber auch die Vereinbarkeit der Arbeit mit einem vernünftigen Privatleben, Schutz vor Überlastung und überbordende Ökonomisierung – all das gleicht dem, was der Ärzteschaft seit Jahrzehnten am Herzen liegt, was sie als notwendige Änderungen einfordert. Der wohl entscheidende Unterschied zwischen den Generationen ist: Nie waren die Chancen dafür, dass man gehört wird, besser als jetzt. Die Berufsstarter können fordern, weil man jeden Einzelnen von ihnen braucht. Aktuell stärkt ein Nachfragemarkt die Position jedes Arztes. Skepsis gegenüber diesen jungen Ärzten, die übrigens Teil des gesamtgesellschaftlich ausgetragenen Generationenstreits ist, schafft keinen Nutzen. Die Forderungen der heute zur Verantwortung Antretenden als anmaßend, wirklichkeitsfremd oder noch mit schlimmeren Attributen zu belegen, wird nicht dadurch treffender, dass man auf die Notwendigkeit ständiger Verfügbarkeit, Dauerbelastung und Aufopferung verweist – selbst, wenn man so in die eigene Berufswelt hineingewachsen ist.
Den Jungen Gleiches abzufordern, damit diese selbst als unzulänglich erkannte Situation zu prolongieren, korrespondiert ganz sicher nicht mit den erklärten Zielen der Ärzteschaft. Nur weil die gegenwärtige Mangelsituation Anlass zur Sorge bietet, macht das die Forderungen der jetzt startenden Generation für die Ärzteschaft nicht falsch.
Bund- und Länderorganisationen haben seit geraumer Zeit – mal mehr, mal weniger erfolgreich – aktiv daran gearbeitet, junge Ärzte berufspolitisch zu motivieren. Inzwischen sind, wenn auch in den Augen der Organisationen nicht genug, so doch einige junge Ärzte aktiv. Natürlich setzen sie in der politischen Arbeit ihre eigenen Schwerpunkte, wollen gezielt Änderungen herbeiführen. Und die gesteckten Ziele sind nicht neu. Berechtigterweise liegt der Fokus da, wo die Erfahrungen aus dem eigenen Alltag gezogen werden. Und der ist von der vorgefundenen Sachlage und von persönlicher Betroffenheit geprägt: Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben, eine ethisch erfüllende Berufsausübung, vernünftige Weiterbildung – das alles sind keine Fremdworte für Arrivierte, die sich erinnern.
Beruhigend ist, dass ärztliche Selbstverwaltung so Zukunft gewinnt. Eine Zukunft mit Motivierten, die ihre Forderungen in Zeiten des Mangels setzen, der die Gesellschaft zum Zuhören und Handeln zwingt.
Egbert Maibach-Nagel
Chefredakteur
Herud, Marcus
Furkert, Dietrich