ArchivDeutsches Ärzteblatt48/2018Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden: Was erlaubt ist – und was nicht

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Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden: Was erlaubt ist – und was nicht

Neelmeier, Eva-Maria

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In Krankenhäusern lässt der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen eine Therapie mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu.

Foto: hin255/stock.adobe.com
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Eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode ist nach ständiger Rechtsprechung neu, wenn der medizinischen Vorgehensweise ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Verfahren unterscheidet und ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigt. Um das zu prüfen, werden klinische Studien und medizinische Forschungsvorhaben durchgeführt.

Medizinischen Fortschritt berücksichtigen

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen grundsätzlich dem allgemein anerkannten Stand der Leistungen entsprechen. Allerdings sollen die Leistungen auf der anderen Seite auch den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Insbesondere wenn Patienten unter lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheiten leiden, dürfen Ärzte von dem zuvor genannten Grundsatz abweichen.

Für Krankenhäuser stellt sich die Frage, wie sie mit neuen Methoden und Forschungsvorhaben umgehen. Aufgrund der vielen verschiedenen Regularien ist es zunächst sinnvoll, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Leistungen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernimmt, wenn das Krankenhaus sich an einer Studie beteiligt oder selbst eine Studie initiiert.

Für die Überprüfung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zuständig. Er prüft unter anderem solche Methoden, die in Zukunft in der Versorgung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen angewandt werden sollen. Dabei bewertet er, ob die Methode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten erforderlich ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Stands der medizinischen Erkenntnisse. Ist dies nicht der Fall, hält der G-BA in einer Richtlinie fest, dass Ärzte diese Methode nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erbringen dürfen.

Erprobung: Leistungen mit Potenzial

Zudem kann der G-BA in einer Richtlinie festhalten, dass der Nutzen einer Methode noch nicht ausreichend belegt ist, sie aber ein gewisses Potenzial birgt. In einer solchen sogenannten Erprobungsphase lässt der G-BA die Methode dann für einen befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenhausbehandlung zu. In dieser Zeit beobachtet er, ob die Methode einen Nutzen bringt oder nicht.

Auch legt der G-BA in der Richtlinie fest, welche Voraussetzungen einzuhalten sind, beispielsweise die Anforderungen an die Erprobung, die wissenschaftliche Begleitung der Erprobung oder deren Auswertung. Wenn ein Krankenhaus die entsprechenden Anforderungen nachweist, kann es an der Erprobung teilnehmen. Das Haus erhält dann unmittelbar von den gesetzlichen Krankenkassen eine Vergütung seiner erbrachten und verordneten Leistungen.

Eine Besonderheit gilt es zu beachten, wenn die technische Anwendung einer neuen Methode auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht. Dann darf der G-BA eine Richtlinie zur Erprobung nur erlassen, wenn sich die Hersteller des Medizinprodukts oder das Unternehmen, das die Methode anbietet, gegenüber dem G-BA erklären, die Kosten der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung in angemessenem Umfang zu übernehmen. Ein Medizinprodukt als neue Methode kann im Übrigen auch ohne ein solches Verfahren eingesetzt werden. Dafür reicht ein aussagekräftiger Antrag beim G-BA aus. Ist die Erprobung nicht erfolgreich, hält der G-BA dies wiederum in einer Richtlinie fest. Die Methode darf dann nicht mehr zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden.

Unabhängig von seinem Ergebnis hat der G-BA die von ihm beschlossene Richtlinie dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen. Das BMG kann diese Richtlinie innerhalb von zwei Monaten beanstanden und gegebenenfalls vom G-BA zusätzliche Informationen oder eine ergänzende Stellungnahme anfordern. Auch hat das Ministerium die Möglichkeit, die Richtlinie nicht zu beanstanden, doch mit Auflagen zu versehen.

Urteil des Bundessozialgerichts

Im Arbeitsalltag kommt es immer wieder vor, dass neue Behandlungs- und Untersuchungsmethoden zulasten der GKV erbracht werden sollen, obgleich sie noch gar nicht Inhalt einer G-BA-Richtlinie sind. Beispielsweise stellte dazu das Sozialgericht Aachen in einem zu entscheidenden Fall fest, dass die bronchiale Thermoplastie bei einer Asthmaerkrankung abrechnungsfähig war, obwohl sie der G-BA zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Untersuchungs- und Behandlungsmethode überprüft und zugelassen hatte (Az.: S 13 KR 83/17).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich damit auseinandergesetzt, ob Krankenhäuser eine generelle Erlaubnis haben, alle beliebigen Methoden bis zum Erlass eines Verbots zu erbringen. Doch dies haben die Richter eindeutig verneint (BSG-Urteil vom 7. Mai 2013, Az.: B1 KR 44/12 R).

Voraussetzung bleibt, die Methode muss das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und sie muss zudem nach den Regeln der ärztlichen Kunst und somit nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards angewendet werden. Das unterscheidet die stationäre von der ambulanten Versorgung. Im ambulanten Sektor gilt ein grundsätzliches Verbot, bis der G-BA die medizinische Notwendigkeit einer neuen Methode überprüft und positiv bewertet hat. Krankenhäuser haben demgegenüber die Möglichkeit, in jedem Einzelfall individuell und präventiv zu prüfen, ob sie eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode einsetzen können. Anschließend beanstanden dann gegebenenfalls retrospektiv die Krankenkassen dessen Einsatz. Im Streitfall klärt das Gericht, ob der Einsatz im Einzelfall erforderlich und angemessen war.

Ambulante und stationäre Versorgung

In seiner Entscheidung hat das BSG zudem betont, dass die Regelungen zur vertragsärztlichen Versorgung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs auch für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Sektor herangezogen werden, wenn sie gebietsübergreifende Aussagen umfassen. Sie können daher berücksichtigt werden, wenn sie nicht nur für die ambulante, sondern auch die stationäre Form gelten, etwa weil das aufbereitete wissenschaftliche Material generelle Bewertungen beinhaltet.

Der Gesetzgeber trägt der besonderen Situation einer stationären Behandlung Rechnung, indem er eine Behandlung mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, auch wenn der G-BA diese Methode generell noch nicht positiv bewertet hat. Dadurch erhalten Krankenhäuser die Möglichkeit, neue, gegebenenfalls lebensrettende Methoden anwenden zu können.

Eva-Maria Neelmeier

Rechtsanwältin

Kanzlei 34

30175 Hannover

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