MEDIZIN: Originalarbeit
Yoga bei arterieller Hypertonie
Eine dreiarmige randomisierte kontrollierte Studie
Yoga in arterial hypertension—a three-armed, randomized controlled trial
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Hintergrund: Yoga scheint bei arterieller Hypertonie insbesondere über Atem- und Meditationstechniken und weniger über Yogahaltungen zu wirken. Ziel dieser Studie war daher, die blutdrucksenkende Wirkung von Yogainterventionen mit und ohne Yogahaltungen bei Patienten mit arterieller Hypertonie zu vergleichen.
Methode: 75 Patienten mit pharmakologisch behandelter arterieller Hypertonie (72 % Frauen, Durchschnittsalter 58,7 ± 9,5 Jahre) wurden folgenden drei Studiengruppen randomisiert zugeordnet: einer Yogaintervention mit Yogaübungen (n = 25; fünf Studienabbrecher), einer Yogaintervention ohne Yogahaltungen (n = 25; drei Studienabbrecher) oder einer Wartekontrollgruppe (n = 25; ein Studienabbrecher). Die zwölfwöchigen Interventionen beinhalteten jeweils 90 Minuten Yoga-Praxis pro Woche. Die Daten erhebenden Personen waren verblindet und erfassten die primären Zielparameter „systolischer 24-Stunden-Blutdruck“ und „diastolischer 24-Stunden-Blutdruck“ vor und nach der Intervention. Außerdem werden in der vorliegenden Arbeit sekundäre Zielparameter inklusive Follow-up-Daten vorgestellt.
Ergebnisse: Nach der Intervention lag der systolische 24-Stunden-Blutdruck in der Yogagruppe, die keine Yogahaltungen ausübte, signifikant unter dem der Kontrollgruppe (Gruppenunterschied [Δ]= −3,8 mm Hg; [95-%-Konfidenzintervall (KI): (−0,3; −7,4) p = 0,035]) und dem der Yogagruppe, die Yogahaltungen praktizierte (Δ = −3,2 mm Hg; 95-%-KI: [−6,3; −0,8]; p = 0,045). Keine Gruppenunterschiede fanden sich bezüglich des diastolischen Blutdrucks. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten während der Studie nicht auf.
Schlussfolgerung: Übereinstimmend mit vorhergehenden Studien induzierte nur Yoga ohne Yogahaltungen eine kurzfristige Reduktion des systolischen ambulatorischen Blutdrucks. Da Yoga bei Patienten mit Hypertonie unter pharmakologischer Behandlung sicher und wirksam war, kann er als zusätzliche Behandlungsoption für Betroffene empfohlen werden.


Die arterielle Hypertonie bleibt ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem, auch wenn die mittleren Blutdruckwerte in Deutschland sinken und der Anteil behandelter Hypertoniker zunimmt (1). Weltweit sterben jährlich 9,4 Millionen Menschen an den Folgen zu hohen Blutdrucks. Die Weltgesundheitsorganisation hat Hypertonie als eine der Hauptursachen verfrühter Morbidität und Mortalität identifiziert – sowohl in hoch als auch in weniger entwickelten Ländern (2).
Internationale medizinische Leitlinien empfehlen für Patienten mit arterieller Hypertonie insbesondere Lebensstilveränderungen wie körperliche Aktivität und Stressmanagement (3). Yoga kann eine solche Lebensstil-modifizierende Intervention sein (4, 5). In westlichen Gesellschaften wird Yoga meist mit spezifischen Körperhaltungen, Atem- und/oder Meditationstechniken assoziiert (4, 6); hier haben sich verschiedene Yogastile entwickelt, die unterschiedliche Gewichtungen auf die körperlichen und mentalen Aspekte der Praxis legen (6).
Dreiviertel der Yogaübenden in Deutschland geben an, vor allem aus Gesundheitsgründen zu praktizieren (7) und auch klinische Studien zeigen eine positive Wirkung unter anderem auf körperliche und mentale Risikofaktoren für Hypertonie (8, 9). Allerdings liegen bisher keine deutschen Studien zur Wirkung des Yoga bei Hypertonie vor und die deutschen Leitlinien berücksichtigen auch die vorhandene internationale Evidenz für Yoga und verwandte Interventionen nicht (10). So fand eine aktuelle Metaanalyse internationaler Studien zu arterieller Hypertonie und Prähypertonie (11) signifikante Reduktionen des systolischen und diastolischen Blutdrucks durch Yoga. Diese Wirkungen konnten in Subgruppenanalysen jedoch nur für Studien zu arterieller Hypertonie nachgewiesen werden. In Arbeiten, die sowohl prähypertone als auch hypertone Patienten einschlossen, waren die Wirkungen nicht signifikant (Mittelwertsdifferenz: 0,9 mm Hg systolisch und 0,1 mm Hg diastolisch). Zudem waren Effekte für Studien nachweisbar, die eine individuelle antihypertensive Co-Medikation erlaubten, nicht aber für Studien, die eine solche ausschlossen (11). Und schließlich war Yoga nur in Untersuchungen wirksam, die Atem- und/oder Meditationstechniken, aber keine Yogahaltungen einschlossen. In Studien, die die Praxis von Yogahaltungen (allein oder gemeinsam mit Atem- und Meditationstechniken) einbezogen, traten keine signifikanten Wirkungen auf (11). Allerdings sind den Autoren bisher keine Arbeiten bekannt, in denen die blutdrucksenkenden Effekte verschiedener Yogastile direkt verglichen wurden. Ziel dieser Studie war daher, zu untersuchen, wie wirksam Yogainterventionen mit und ohne Yogahaltungen den 24-Stunden-Blutdruck bei Patienten mit arterieller Hypertonie – begleitend zur antihypertensiven Medikation – senken können. Die Hypothese lautete, dass der systolische und diastolische Blutdruck nach einer Intervention ohne Yogahaltungen niedriger sein würde als ohne spezifische Intervention beziehungsweise als nach einer mit Yogahaltungen.
Methoden
Studiendesign
Die Studie wurde zwischen Mai 2016 und April 2017 als dreiarmige, monozentrische, randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte verblindet. Die Studie wurde entsprechend der Deklaration von Helsinki (12) durchgeführt, der Bericht wurde in Übereinstimmung mit dem CONSORT 2010 Statement verfasst (13). Bevor die Patientenrekrutierung begann, wurde ein Votum der Ethik-Kommission der Universität Duisburg-Essen eingeholt (Zulassungsnummer: 15–6726-BO) und die Studie bei ClinicalTrials.gov registriert (Registrierungsnummer: NCT02727140).
Die Rekrutierung erfolgte über Aufrufe in der lokalen Presse und über E-Mail-Listen lokaler Unternehmen. Patienten, die die Einschlusskriterien erfüllten, wurden in die Studie aufgenommen. Sie erhielten, schriftlich und mündlich, ausführliche Informationen über die Studie, bevor eine Einwilligungserklärung in schriftlicher Form eingeholt wurde.
Einschlusskriterien
In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit primärer arterieller Hypertonie (> 140 mm Hg systolischer und/oder > 90 mm Hg diastolischer Blutdruck), sofern sie mindestens 18 Jahre alt waren. Zudem mussten sie sich zum Zeitpunkt der Untersuchung unter medikamentöser, antihypertensiver Therapie durch ihren behandelnden Haus- oder Facharzt befinden. Weitere Aufnahmekriterien waren erfüllt, wenn die Patienten zu Beginn der Studie bereit waren,
- ihre antihypertensive Medikation in den nächsten sieben Monaten nicht zu verändern
- an mindestens zehn der zwölf angebotenen Yoga-Einheiten teilzunehmen
- die Einheiten mit selbstständiger Yogapraxis daheim zu ergänzen.
Ausschlusskriterien beinhalteten folgende Erkrankungen beziehungsweise Umstände:
- sekundäre Hypertonie
- schwere psychiatrische Komorbiditäten (Major-Depression, Suchtstörungen oder Psychosen)
- koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Lungenembolie oder Apoplexie in den letzten drei Monaten
- Herzinsuffizienz im Stadium ≥ I NYHA
- periphäre arterielle Verschlusskrankheit im Stadium ≥ 1
- Niereninsuffizienz im Stadium > 2 mit glomerulärer Filtrationsrate (GFR) < 60 mL/min/1,73m²
- Teilnahme an weiteren klinischen Studien zu Untersuchungsbeginn oder geplante Teilnahme in den darauf folgenden 28 Wochen
- Schwangerschaft oder Stillzeit.
Randomisierung
Die Patienten wurden nach Geschlecht stratifiziert und durch Block-Randomisierung mit zufällig variierender Blocklänge folgenden Studiengruppen im Verhältnis 1 : 1 : 1 zugewiesen:
- einer Intervention mit Yogahaltungen
- einer Intervention ohne Yogahaltungen
- einer Wartekontrollgruppe.
Ein Biometriker, der nicht an der Patientenrekrutierung oder Datenerhebung beteiligt war, erstellte mit der Random Allocation Software (14) eine passwortgesicherte Randomisierungsliste, auf die nur er zugreifen konnte. Auf Basis der Randomisierungsliste wurden undurchsichtige Umschläge, welche die Zuordnung zu den Studiengruppen enthielten, fortlaufend nummeriert und verschlossen. Nach schriftlicher Einwilligungserklärung und Abschluss der Baseline-Datenerhebung wurde der Umschlag mit der niedrigsten Nummer durch den Studienarzt geöffnet und der Patient der entsprechenden Gruppe zugewiesen. Diese Randomisierungsmethode wird von Cochrane als mit geringem Bias-Risiko behaftet angesehen (15). Nach Ende der Studie wurde die Zuweisung zu den jeweiligen Teilnehmergruppen durch den Biometriker kontrolliert; diese Prüfung ergab, dass alle Patienten korrekt und entsprechend der Randomisierungsliste zugeteilt worden waren.
Interventionen
Yoga
Dieselben zwei zertifizierten Yogatherapeutinnen führten beide Interventionen durch, die wöchentlich jeweils eine 90-Minuten-Einheit über einen Zeitraum von zwölf Wochen umfasste. In der Intervention mit Yogahaltungen beinhaltete jede Einheit 45 Minuten Yogahaltungen und 45 Minuten Atem-, Meditations- und Entspannungstechniken sowie Kurzvorträge und Frage-Antwort-Runden. Die Yogaintervention ohne Yogahaltungen hingegen umfasste nur Atem-, Meditations- und Entspannungstechniken, Kurzvorträge und Frage-Antwort-Runden (eSupplement).
Die Studienteilnehmer wurden ermutigt, daheim täglich Yoga und Meditation zu praktizieren, wobei aber keine minimale Dauer vorgegeben war. Vor den entsprechenden Übungen zu Hause fand eine detaillierte Einführung in die Yogaeinheiten statt. Darüber hinaus wurden den Patienten Audioaufnahmen der Yogaeinheiten sowie Trainingsmanuale zur Unterstützung des selbstständigen Übens zur Verfügung gestellt. Während des zwölfwöchigen Interventionszeitraums vermerkten die Teilnehmenden in einem Tagebuch ihre tägliche Übungszeit in Minuten. Zum Ende der Studie (Woche 28) wurden die Patienten gebeten, ihre durchschnittliche wöchentliche Übungsdauer während des Follow-up-Zeitraums anzugeben.
Kontrollgruppe
Der Kontrollgruppe zugewiesene Studienteilnehmer wurden auf einer Warteliste geführt. Sie nahmen während der ersten zwölf Studienwochen an keiner Yoga-Intervention teil und wurden gebeten, während dieser Zeit keine Yogapraxis oder andere neue körperliche Aktivitäten aufzunehmen. Nach Ende der 28. Studienwoche wurde den Patienten angeboten, an einer Intervention entsprechend einer der beiden übrigen Studiengruppen teilzunehmen.
Zielparameter
Die Person, die die Daten erhob, war nicht an der Patientenrekrutierung, Gruppenzuordnung oder den Interventionen beteiligt und wurde während der gesamten Studie gegenüber der Gruppenzugehörigkeit verblindet. Der systolische und der diastolische 24-Stunden-Blutdruck zu Woche zwölf wurden als primärer Zielparameter definiert und mittels eines international akzeptierten, digitalen Blutdruckmonitors gemessen (Mobil-O-Graph PWA , I.E.M., Stolberg, Germany) (16). Der systolische und diastolische Blutdruck zu Woche 28 wurden als sekundäre Zielparameter erhoben. Die erste Messung zu Woche eins erfolgte innerhalb einer Woche vor Beginn der Interventionen, die zweite zu Woche zwölf fand in der Woche nach Ende der Interventionen statt. An allen drei Messzeitpunkten startete die Blutdruckmessung zu derselben Tageszeit. Inkorrekte Messungen wurden mittels standardisierter Algorithmen der Software des Blutdruckmonitors automatisch entfernt. Sekundäre Zielparameter sind im eSupplement beschrieben.
Sämtliche, während der Studiendauer eingetretenen, unerwünschten Ereignisse wurden aufgezeichnet und nach den Kriterien der U.S. Food & Drug Association klassifiziert (17). Die Teilnehmer, bei denen die unerwünschten Ereignisse auftraten, wurden um eine Konsultation des Studienarztes gebeten, damit dieser die Schwere des Ereignisses beurteilte und eventuell notwendige Maßnahmen einleitete. In Woche zwölf und 28 wurden offene Fragen gestellt, um eventuelle, bisher nicht erwähnte, unerwünschte Ereignisse zu erfassen. Die Patienten wurden aufgefordert, alle während der Studiendauer auftretenden unerwünschten Ereignisse anzuzeigen, unabhängig von ihrer möglichen kausalen Beziehung zur Studienintervention.
Stichprobenkalkulation und statistische Auswertung
Die benötigte Stichprobengröße wurde a priori und basierend auf einer Metaanalyse berechnet, laut deren Ergebnis sich der systolische Blutdruck nach Yogainterventionen um 14,13 mm Hg reduzierte. Das entspricht einer Effektstärke von d = 1,35 (11). Legt man diesen Effekt zu Grunde, werden für einen t-Test mit einem zweiseitigen Signifikanzniveau von α = 0,05 insgesamt 17 Patienten pro Studiengruppe benötigt. So kann ein entsprechender Gruppenunterschied mit 80 %iger Power entdeckt werden. Zur Vorbeugung eines möglichen Verlusts der Power, der durch bis zu 30 % Studienabbrecher zustande käme, wurden 75 Patienten (25 pro Gruppe) in die Studie aufgenommen.
Die Auswertung der Zielkriterien erfolgte auf Basis des „intention to treat“-Prinzips, wobei alle randomisierten Patienten in die Analyse eingeschlossen wurden, unabhängig davon, ob ein vollständiger Datensatz vorlag und ob die Studie protokollgerecht durchgeführt wurde. Fehlende Werte, das heißt Variablen, bei denen für einen bestimmten Patienten zu einem gewissen Zeitpunkt keine Daten vorlagen, wurden mittels Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren multipel imputiert (18, 19). Daraus ergaben sich insgesamt 50 komplette Datensätze, die jeweils vollständige Daten für alle 75 Patienten beinhalteten und für die Analyse kombiniert wurden.
Sämtliche lineare Zielparameter (Blutdruck, Herzfrequenz, Fragebogendaten) wurden mittels univariaten Kovarianzanalysen (ANCOVA) analysiert. Dabei wurde der Zielparameter (abhängige Variable) als Funktion folgender Größen modelliert:
- der Gruppenzugehörigkeit (unabhängige Variable)
- der Wirkungserwartung (Kovariate)
- des jeweiligen Baseline-Werts (Kovariate).
So konnte eine Gesamt-Effektschätzung, das 95-%-Konfidenzintervall und der p-Wert bestimmt werden. ANCOVA werden zur Auswertung klinischer Studien empfohlen, da sie für eventuelle Baseline-Differenzen kontrollieren sowie Gruppendifferenzen für alle Gruppenvergleiche und alle Messzeitpunkte ermitteln. Zudem weisen sie eine höhere Power auf als andere statistische Methoden (20).
Alle Analysen erfolgten mittels Statistical Package for Social Sciences-Software (IBM SPSS Statistics for Windows, Version 22.0, Armonk, NY, USA: IBM Group). P-Werte < 0,05 wurden als signifikant interpretiert.
Ergebnisse
Patienten
75 Patienten erfüllten alle Einschlusskriterien und wurden in die Studie eingeschlossen, sobald die informierte Einwilligung erfolgt war. Sie wurden entweder der Yogagruppe mit Yogahaltungen (n = 25) beziehungsweise ohne solche (n = 25) oder der Kontrollgruppe (n = 25) randomisiert zugeteilt. Fünf Patienten in der Gruppe mit Yogahaltungen (20,0 %), drei in der Gruppe ohne (12,0 %) und ein Patient in der Kontrollgruppe (4,0 %) schlossen die Studie nicht ab (Grafik 1; p = 0,22). Entsprechend wurden zu Woche zwölf für sechs Teilnehmende und zu Woche 28 für neun Patienten Fehlwerte multipel imputiert. Zu beiden Zeitpunkten mussten zusätzlich für jeweils drei weitere Patienten, die sich mit dem Blutdruckmessgerät unwohl fühlten und daher die Messung vorzeitig abbrachen, fehlende Blutdruckwerte imputiert werden. Die Patientencharakteristika sind in der Tabelle 1 dargestellt.
Ambulatorische Blutdruckmessung
Zu Woche zwölf war der systolische 24-Stunden-Blutdruck (primärer Zielparameter) in der Yogagruppe ohne Yogahaltungen signifikant geringer als in der Gruppe mit Yogahaltungen (p = 0,045; Grafik 2; eTabelle 1) und als in der Kontrollgruppe (p = 0,035). Bis Woche 28 kehrte sich dieser Sachverhalt um: Nun war der systolische 24-Stunden-Blutdruck in der Gruppe mit Yogahaltungen signifikant geringer als in der Kontrollgruppe (p = 0,022) und als unter den Teilnehmern der Intervention ohne Yogahaltungen (p = 0,037; eTabelle 1). Zu keinem Zeitpunkt fanden sich Gruppenunterschiede beim diastolischen 24-Stunden-Blutdruck (Grafik 2, eTabelle 1). Weitere Ergebnisse der ambulatorischen Blutdruckmessung sind im eSupplement dargestellt.
Sicherheit
Während der Studie traten keine schwerwiegenden, unerwünschten Ereignisse auf. In der Interventionsgruppe mit Yogahaltungen gab es bei neun Patienten (36,0 %) insgesamt 15 geringfügige, unerwünschte Ereignisse; in der Gruppe ohne Yogahaltungen kam es bei vier Patienten (16,0 %) zu fünf geringfügigen, unerwünschten Ereignissen. Für die Kontrollgruppe waren bei zwei Patienten (8,0 %) vier geringfügige unerwünschte Ereignisse zu verzeichnen (eSupplement).
Diskussion
In der vorliegenden, randomisierten kontrollierten Studie reduzierte eine zwölfwöchige Yogaintervention, die lediglich auf Atem- und Meditationstechniken basierte, den co-primären Zielparameter „systolischer 24-Stunden-Blutdruck“ stärker als keine Therapie oder eine Intervention mit zusätzlichen Yogahaltungen. Eine Verringerung des zweiten primären Zielparameters „diastolischer 24-Stunden-Blutdruck“ blieb aus. Dieses Ergebnis stimmt mit dem einer Metaanalyse überein (11), auch wenn die Effektstärken in der vorliegenden Arbeit geringer waren (−3,8 mm Hg, 95-%-Konfidenzintervall: [−7,5; −0,3] im Vergleich zu −14,1 mm Hg, 95-%-Konfidenzintervall: [−24,7; −3,6]). Diese Differenzen zu früheren Studien lassen sich vermutlich am ehesten durch Unterschiede in den Einschlusskriterien, der Blutdruck-Messmethoden (klinisch versus ambulatorisch) und der Ursprungsländer erklären, wobei indische Yogastudien im Allgemeinen höhere Effektstärken als Studien aus anderen Ländern zeigen (21).
Interessanterweise, wenn auch nur auf sekundären Zielparametern basierend, kehrte sich dieses Muster zu Woche 28 um. In dieser letzten Woche induzierte die Intervention mit Yogahaltungen stärkere Reduktionen des ambulatorischen systolischen Blutdrucks als die Intervention ohne.
Im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe mussten 13 Patienten mit Yoga therapiert werden, um eine substanzielle Verbesserung bei einem Patienten hervorzurufen.
Eine Steigerung parasympathischer bei gleichzeitiger Verringerung sympathischer Aktivität sind als bedeutsame Wirkmechanismen des therapeutischen Yoga diskutiert worden (22). Dabei können insbesondere langsame Atemtechniken und Meditation aus dem Yoga die parasympathische Wirkweise kurzzeitig verstärken (23–25). Wurden in experimentellen Studien die Entspannungstechniken aus dem Yoga um Yogahaltungen ergänzt, so kam es zu keiner weiteren parasympathischen Aktivierung (23). Gemeinsam mit den Ergebnissen der Metaanalyse (11) führte dies dazu, dass Atem- und Meditationstechniken (und nicht Yogahaltungen) als Hauptwirkmechanismen des Yoga bei Patienten mit arterieller Hypertonie wahrgenommen wurden (26). Und während diese Hypothese zumindest unmittelbar nach Ende der Yogainterventionen durchaus bestätigt wurde, lassen die Ergebnisse der vorliegenden Studie vermuten, dass längerfristige, positive Wirkungen auf Betroffene mit arterieller Hypertonie nur durch die Integration von Yogahaltungen erreicht werden können. Yogahaltungen können als eine Form isometrischen Trainings angesehen werden, während dynamische Yogasequenzen (wie beispielsweise der bekannte Sonnengruß) ein Element aus dem aeroben Training hinzufügen (27, 28). Sowohl isometrisches als auch aerobes Training können den Blutdruck senken (29–31). Daher könnten es diese Mechanismen sein, die zu den Langzeitwirkungen der Yogahaltungen führen.
Der Hauptgrund für die langfristigen Gruppenunterschiede könnte aber auch in der ungleichen Therapieadhärenz nach Ende der Studienintervention begründet liegen: Mehr Patienten in der Teilnehmergruppe der Intervention mit Yogahaltungen als in der Gruppe ohne praktizierten nach Ende der ersten zwölf Studienwochen weiterhin. Auch die mittlere Übungszeit pro Woche war in der erstgenannten Gruppe deutlich höher. Möglicherweise sind Yogahaltungen einfacher in den Alltag außerhalb des Yogaunterrichts zu integrieren als Atem- und Meditationstechniken aus dem Yoga. Bei dieser Interpretation muss aber berücksichtigt werden, dass langfristige Gruppenunterschiede in der „intention to treat“-Analyse größer waren als in der „per protocol“-Analyse.
Limitationen
Die vorliegende Studie unterliegt einigen Limitationen. Zunächst kontrollierte die Wartegruppe nicht für die Erwartungen der Patienten, die Zeit und die Aufmerksamkeit der Therapeuten. Außerdem wurden die Studienteilnehmer bezüglich der zugewiesenen Intervention nicht verblindet. Auch Wirkungen der Interventionen auf den diastolischen Blutdruck wurden nicht gefunden. Die Teilnehmenden waren überwiegend weiblich und gebildet, wodurch sie eher typische Yogaübende repräsentierten (7, 32) als typische Hypertonie-Patienten. Dadurch wird die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt. Insgesamt war die Reduktion des Blutdrucks gering und nur 8 % der Hypertonie-Patienten werden substanziell von einer Yoga-Intervention profitieren.
Fazit
Nur Yoga ohne Yogahaltungen wirkte unmittelbar auf den systolischen (aber nicht den diastolischen) 24-Stunden-Blutdruck, während Yoga mit Yogahaltungen keine solchen Wirkungen zeigte. Um allerdings diese Effekte über das Ende der Intervention hinaus zu bewahren, erscheint die Integration von Yogahaltungen notwendig. Da Yoga bei Patienten mit arterieller Hypertonie wirksam und sicher war, kann er als Intervention zur systolischen Blutdrucksenkung in dieser Patientengruppe komplementär zur medikamentösen Therapie empfohlen werden.
Danksagung
Diese Studie wurde durch den Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY) gefördert. Der Sponsor hatte keinerlei Einfluss auf Planung oder Durchführung der Studie, auf Datenerhebung, -management, -analyse oder -interpretation, auf Manuskripterstellung, -überarbeitung oder -freigabe oder auf die Entscheidung, das Manuskript zur Veröffentlichung einzureichen. Unser besonderer Dank gilt Peter Greve, Dr. Bettina Knothe, Nicole Verheyden, Frank Loddo, Eva Grandao, Janine Nagel und Dr. Matthias Deparade für die Entwicklung der Yogainterventionen sowie Eva Grandao und Janine Nagel für die Durchführung der Yogainterventionen.
Interessenkonflikt
PD Dr. Cramer erhielt für die vorliegende Studie Förderung durch den BDY. Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Bereitstellung der Daten dieser Studie
Nach Abschluss weiterer Analysen der dieser Studie zugrundeliegenden Daten sind die Autoren bereit, diese Daten zu wissenschaftlichen Zwecken mit anderen Forschern zu teilen. Anfragen zum Datensatz an PD Dr. Holger Cramer.
Manuskriptdaten
eingereicht: 12. 4. 2018, revidierte Fassung angenommen: 14. 8. 2018
Anschrift für die Verfasser
PD Dr. rer. medic. Dipl.-Psych. Holger Cramer
Kliniken Essen-Mitte
Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin,
Knappschafts-Krankenhaus
Am Deimelsberg 34a
45276 Essen
h.cramer@kliniken-essen-mitte.de
Zitierweise
Cramer H, Sellin C, Schumann D, Dobos G: Yoga in arterial hypertension—
a three-armed, randomized controlled trial. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 833–9. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0833
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit5018 oder über QR-Code
eSupplement, eTabellen:
www.aerzteblatt.de/18m0833 oder über QR-Code
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