ArchivDeutsches Ärzteblatt50/1999Rotavirusinfektionen: Impfstoff jetzt vom Markt genommen

SPEKTRUM: Akut

Rotavirusinfektionen: Impfstoff jetzt vom Markt genommen

Meyer, Rüdiger

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LNSLNS Ende Oktober nahm der Hersteller "American Home Products" den Impfstoff RotaShield in den USA vom Markt; erst im August letzten Jahres war dieser zur Vorbeugung von Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern eingeführt worden. Die Rücknahme geschah nicht ganz freiwillig. Hintergrund waren 15 Fälle von Darm-Invaginationen (Intussuszeptionen), die dem "Vaccine Adverse Event Reporting System" (VAERS) der Gesundheitsbehörde FDA bis Mitte Juli gemeldet worden waren. Die Komplikationen waren innerhalb von zwei Wochen nach der Einnahme der oralen Vakzine bei Säuglingen aufgetreten. Es ist bekannt, daß die Spontanmeldungen an das VAERS nur etwa zehn bis 15 Prozent aller Arzneimittelkomplikationen erfassen; tatsächlich stieg in den folgenden Monaten - nachdem die Pressemeldungen die Ärzte sensibilisiert hatten - die Zahl der Meldungen auf insgesamt 102 Fälle, darunter zwei Todesfälle.

Die Komplikationen sind in den USA zu einer kleinen Affäre geworden: Die "Association of American Physicians and Surgeons" hat den US-Congress inzwischen aufgefordert, das Zulassungsverfahren für Impfstoffe zu überprüfen. Die FDA wird sich in den nächsten Monaten fragen lassen müssen, wie sie diese auffällige und bedrohliche Komplikation übersehen konnte. Dabei hatte die FDA sogar Verdacht geschöpft. In den Zulassungsstudien war es bei fünf von 10 054 Empfängern zu einer Invagination gekommen, während es in der Plazebogruppe nur einen Fall unter 4 633 Empfängern gab. Da der Unterschied statistisch nicht signifikant war, begnügte sich die FDA damit, den Hersteller die Komplikation im Rahmen der "Post-marketing-Studien" weiter untersuchen zu lassen.


Die CDC (Centers of Disease Control) kommt jetzt in ihrer Fall-Kontroll-Studie zu einem anderen Ergebnis: Das Auftreten der Komplikation sei sehr wohl statistisch signifikant. Die 102 gemeldeten Fälle lägen deutlich über der erwarteten Zahl von zwölf bis 13 Fällen unter nicht geimpften Säuglingen. Da seit August letzten Jahres 1,5 Millionen Säuglinge geimpft worden sind, ist die Invagination vermutlich eine sehr seltene Komplikation. Sie kann gleichwohl nicht akzeptiert werden, zumal Rotavirusinfektionen in den USA nur selten lebensbedrohlich sind. Jährlich sterben dort weniger als 20 Säuglinge daran. In den Entwicklungsländern hingegen sind Rotavirusinfektionen noch immer ein Verursacher der hohen Kindersterblichkeit. Rüdiger Meyer

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