Hintergrund: Das Delir ist eine akute Störung der zerebralen Funktion. Die Inzidenz ist abhängig vom Patientenkollektiv. Sie beträgt bei Intensivpatienten 30–80 % und liegt bei chirurgischen Patienten je nach Eingriff zwischen 5,1 und 52,2 %. Die frühere Bezeichnung „Durchgangssyndrom“ suggerierte eine passagere Erkrankung. Das Delir geht jedoch mit einer erhöhten Letalität, einem längeren Krankenhausaufenthalt und einem schlechteren Behandlungsergebnis einher. Circa 25 % der Patienten behalten nach einem Delir kognitive Funktionsstörungen zurück.
Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in MEDLINE, PubMed, Cochrane Library und im International Standard Randomized Controlled Trial Number(ISRCTN)-Register.
Ergebnisse: Für die sichere Diagnostik eines Delirs sind validierte Testverfahren vorhanden, beispielsweise die Confusion Assessment Method for the ICU (CAM-ICU) für Intensivpatienten und 3D-CAM oder CAM-S für Patienten auf der Normalstation. Die Prävention und Therapie erfolgt primär im nichtmedikamentösen, multidimensionalen Ansatz mittels Frühmobilisation, Reorientierung, Schlafverbesserung, adäquater Schmerztherapie und der Vermeidung einer Polypharmazie. Eine Metaanalyse zeigt, dass diese Maßnahmen die Delirinzidenz um 44 % senken. Eine medikamentöse Prophylaxe kann von den Autoren nach heutigem Kenntnisstand nicht empfohlen werden. Vielversprechende Daten zur Senkung der Delirinzidenz (Odds Ratio: 0,35) bei chirurgischen Patienten durch eine perioperative Dexmedetomidingabe liegen vor. Für die medikamentöse Therapie hingegen gilt eine sorgfältige Medikamentenauswahl, die auf dem klinischen Bild des Delirs basiert.
Schlussfolgerung: Eine ausreichende Delirprävention, eine zeitnahe Diagnostik, die Identifikation der auslösenden Faktoren und der Beginn einer raschen kausalen und symptomorientierten Therapie sind für den Behandlungserfolg entscheidend.


Das Delir ist eine akute Störung der zerebralen Funktion. Seine multifaktorielle Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Die Delirinzidenz variiert je nach dem untersuchten Patientenkollektiv. Während ein Drittel der internistischen Patienten älter als 70 Jahre ein Delir im Krankenhaus entwickeln, liegt die Inzidenz bei chirurgischen Patienten abhängig vom durchgeführten Eingriff zwischen 5,1 % nach kleineren Eingriffen und 52,2 % nach größeren Operationen (zum Beispiel Aortenchirurgie). Bei Intensivpatienten tritt in 30–80 % der Fälle ein Delir auf – je nachdem, wie schwer die Erkrankung ist (1, 2).
Während eines Klinikaufenthaltes ist das Delir prognostisch relevant. Im medizinischen Sprachgebrauch wurde das Delir lange Zeit als „Durchgangssyndrom“ bezeichnet. Dadurch wurde der Anschein erweckt, die zerebrale Organdysfunktion sei zeitlich begrenzt und heile folgenlos aus. Ein Delir ist jedoch mit einer Erhöhung der Letalität von 3,9 auf 22,9 %, einer bis zu zehn Tage längeren Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und einem schlechteren Behandlungsergebnis verbunden (3, 4). Aber nicht nur das Auftreten eines Delirs, sondern auch die Delirdauer ist für den Patienten prognostisch bedeutsam.
In einer Untersuchung bei Intensivpatienten konnte gezeigt werden, dass die 1-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit mit jedem Delirtag um circa 10 % sinkt (5). Zudem beeinflussen sowohl die Manifestation als auch die Dauer eines Delirs die kognitive Leistungsfähigkeit. Ein Delir führt zu einer erhöhten poststationären Pflegebedürftigkeit und bei circa 25 % der Patienten stellen sich nach einem Delir kognitive Funktionsstörungen ein, die mit einer milden Alzheimer-Demenz vergleichbar sind (6, 7).
Das Delir ist zweifelsfrei ein medizinischer Notfall, der vermieden oder zeitnah diagnostiziert und therapiert werden muss. Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat als einen der vier Leistungsbereiche für die Erprobung von Qualitätsverträgen die „Prävention des postoperativen Deliriums von älteren Patienten“ aufgenommen (www.g-ba.de/informationen/beschluesse/2960/).
Methode
Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE, PubMed, Cochrane Library und im International Standard Randomised Controlled Trial Number (ISRCTN)-Register. Die Suchbegriffe sind im eKasten aufgelistet.
Diagnose des Delirs
Eine zeitnahe Diagnostik des Delirs ist nicht einfach, weil das klinische Erscheinungsbild und die Symptome sehr variabel sind. Im aktuellen Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders (DSM-5) ist das Leitsymptom des Delirs eine Bewusstseins- und Aufmerksamkeitsstörung, die von einer Denkstörung begleitet sein kann. Diese Störung beginnt akut und verläuft fluktuierend. Für die Diagnose eines Delirs ist es entscheidend, dass diese Störung nicht durch andere neurokognitive Ursachen (zum Beispiel Demenz) hervorgerufen wird und nicht durch die pathophysiologischen Auswirkungen einer körperlichen Erkrankung erklärbar ist. Das Delir ist hinsichtlich Inzidenz und klinischem Bild sehr variabel. Daher scheint es sich durch ein Zusammenspiel von erhöhter Vulnerabilität (Prädisposition) und gleichzeitiger Exposition gegenüber delirogenen Faktoren zu entwickeln (8).
Abhängig vom klinischen Bild unterscheidet man drei Phänotypen (9, 10):
- hypoaktives Delir (30 %)
- hyperaktives Delir (5 %)
- Delir vom Mischtyp (65 %).
Zusätzlich zu dieser Aufteilung kann die katatone Variante als Extremform des hypoaktiven und die exzitatorische Variante als Extremform des hyperaktiven Delirs definiert werden (11). In einer Kohortenstudie war drei Monate nach einem Delir in 19 % der Fälle eine vollständige Wiederherstellung der kognitiven Funktion und in 52 % eine eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit zu beobachten (Grafik) (12). Das hyperaktive Delir kann in der klinischen Praxis anhand der Symptome rasch diagnostiziert werden. Viel schwieriger ist es, ein hypoaktives Delir und ein Delir vom Mischtyp zu erkennen. Daher gelingt die Detektion in der klinischen Praxis nur mit definierten Tests, insbesondere beim hypoaktiven Delir.
Eine apparative oder laborchemische Diagnostik des Delirs ist trotz einiger potenzieller Ansätze nicht sicher möglich und aktuell Gegenstand der Forschung (zum Beispiel BioCog). Zu den validierten Screeningverfahren des Delirs auf der Intensivstation zählen die Confusion Assessment Method for the ICU (CAM-ICU) und die Intensive Care Delirium Screening Checklist (ICDSC). Alle aufgeführten Testverfahren sind in deutscher Sprache erhältlich und kostenfrei nutzbar.
Der zuverlässigste Score, um ein Delir beim Intensivpatienten zu entdecken, ist der CAM-ICU. Er hat eine Sensitivität von 0,79 und eine Spezifität von 0,97 (13). Wegen seiner hohen Sensitivität von 0,99 und einer Spezifität von 0,64 ist bei Intensivpatienten der ICDSC eine mögliche Alternative zum CAM-ICU (13). Der ICDSC ist innerhalb weniger Minuten durchführbar, für beatmete Intensivpatienten geeignet und ermöglicht es, ein subsyndromales Delir zu erkennen (14).
Für die Normalstation ist neben der Nursing Delirium Screening Scale (Nu-DESC) der 3D-CAM ein validiertes Messinstrument, das über eine Sensitivität von 0,95 und eine Spezifität von 0,94 verfügt (15). Ein neueres Testverfahren ist der CAM-S, bei dem im Vergleich zum 3D-CAM und CAM-ICU zusätzlich der Schweregrad des Delirs ermittelt werden kann (Tabelle 1) (16).
Ein engmaschiges Delirscreening wird leider bisher in europäischen Krankenhäusern und auf Intensivstationen nur unzureichend durchgeführt. Luetz et al. konnten zeigen, dass auf Intensivstationen bei lediglich 27 % der Patienten ein validiertes Verfahren zur Delirerkennung eingesetzt wurde (17). Dabei sind die klinisch unauffälligen Verläufe beim hypoaktivem Delir im Vergleich zum hyperaktivem Delir mit einer höheren Letalität (33 versus 15 %) verbunden (18). In der S3-Leitlinie zu Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin wird empfohlen, ein Delirscreening auf der Intensivstation mindestens alle acht Stunden vorzunehmen (1).
Aufgrund der engen Wechselwirkung zwischen Delir, Agitation und Schmerz sollten diese Domänen zusätzlich mit einem validierten Screeninginstrument erfasst werden, zum Beispiel Numerische Ratingskala (NRS) beziehungsweise Richmond-Agitation-Sedation-Scale (RASS). Der Zeitaufwand ist überschaubar und liegt insgesamt bei etwa fünf Minuten. Analog hierzu sollten auch bei Nicht-Intensivpatienten in gleicher Art und Weise ein Delirscreening, eine Schmerzerhebung und eine Messung der Agitation erfolgen.
In der klinischen Praxis haben wir in den letzten Jahren erkannt, dass das Screening auf den Intensivstationen deutlich zunimmt. Das Delirscreening auf den peripheren Stationen muss jedoch noch sehr verbessert werden.
Maßnahmen zur Delirprävention
Multiple Faktoren können das Auftreten und die Schwere eines Delirs beeinflussen und sollten daher in der Delirprophylaxe berücksichtigt werden (19). In einer kontrollierten, nichtrandomisierten Studie konnten Inouye et al. bereits 1999 erste Hinweise dafür liefern, dass eine nichtmedikamentöse, multidimensionale Delirprävention die Delirrate signifikant zu senken vermag (20). Diese multidimensionale Präventionsstrategie umfasst (Kasten 1):
- Frühmobilisation
- Reorientierung
- optimierte Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr
- Schlafverbesserung
- adäquate Schmerztherapie
- Vermeidung einer Polypharmazie.
Laut einer Metaanalyse kann durch dieses Vorgehen die Delirinzidenz um 44 % gesenkt werden (Odds-Ratio [OR]: 0,56; 95-%-Konfidenzintervall [KI]: [0,42; 0,76]) (21). Die multidimensionale Präventionsstrategie ist ebenfalls bei postoperativen Patienten effektiv und reduziert die Delirrate von 20,8 % [11,3; 32,1] auf 4,9 % [0,0; 11,5] (22). Um dieses Therapiebündel zu realisieren, ist eine adäquate Schmerztherapie („Analgesia first“) unerlässlich. Im eCASH-Konzept ist die Schmerzfreiheit ein essenzieller Therapieanteil, da es dadurch erst möglich wird, die unterschiedlichen präventiven Maßnahmen zu initiieren. Dabei sollten tagsüber stimulierende und nachts schlaffördernde Maßnahmen durchgeführt werden (23). In der Intensivmedizin ist zusätzlich die Vermeidung einer zu tiefen Sedierung (RASS < −1) ein entscheidender Faktor, um ein Delir zu verhindern (1).
Reorientierung
Ein Krankenhausaufenthalt ist für die meisten Patienten ein deutlicher Einschnitt in den normalen Lebensrhythmus. Sie befinden sich in einer für sie fremden Umgebung, wodurch die Orientierung deutlich gestört wird (24). Daher sollten reorientierende Maßnahmen rasch nach einer Klinikaufnahme beginnen. Hierzu zählen vor allem:
- das Sehen und Hören optimieren
- gut sichtbare Uhren und Kalender aufstellen
- Angehörige einbinden
- Zimmerwechsel vermeiden
- für eine hohe Konstanz der betreuenden Pflegepersonen sorgen.
Damit die Delirprävention effektiv ist, genügt es nicht, einzelne Reorientierungsbereiche zu optimieren. In einer kontrollierten Studie ergab die Subgruppenanalyse, dass unzureichend durchgeführte reorientierende Maßnahmen aufgrund von Personalmangel und fehlender Patientenadhärenz die Delirrate beeinflussen. Bei nicht stringenter Umsetzung kam es zu einer Delirrate von 24 %. Wurde die Reorientierung intensiviert, reduzierte sich die Delirrate auf 13 % und sank auf 7 %, wenn sie engmaschig umgesetzt wurde (25).
Eine einfache, aber unerlässliche Anfangsmaßnahme besteht darin, das Hören und Sehen durch die eigene Brille und die eigenen Hörgeräte zu verbessern. Nach unserer klinischen Erfahrung ist der Patient erst dadurch in der Lage, seine Umwelt adäquat wahrzunehmen und mit den behandelnden Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen zu kommunizieren.
Frühzeitig die Angehörigen in den Behandlungsverlauf einzubinden, sorgt für ein etwas vertrauteres Umfeld. In den Kliniken und insbesondere auch auf Intensivstationen etablieren sich daher zunehmend großzügigere Besuchszeiten. Lediglich in den späten Abendstunden und in der Nacht sollten die Besuchszeiten eingeschränkt sein, um eine adäquate Nachtruhe zu gewährleisten.
Frühe Physio- und Ergotherapie
Während eines Krankenhausaufenthaltes ist die Mobilität reduziert. Dadurch verlieren Patienten häufig sehr schnell an Muskelmasse und folglich an Muskelkraft. Die dadurch bedingte Bewegungseinschränkung ist mit einer längeren Krankenhausverweildauer und einem gehäuften Auftreten neuropsychiatrischer Dysfunktionen verbunden (26). In einer randomisierten kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass die Delirrate durch eine frühe Physio- und Ergotherapie während des Krankenhausaufenthaltes von 41 auf 28 % sinkt und die Rückkehr in ein selbstständiges Leben signifikant häufiger gelingt (27). Aber auch alle anderen stationären Patienten profitieren von einer frühen und intensiven Physiotherapie. Eine Studie konnte belegen, dass die Delirrate bei einer weniger intensiven Physiotherapie bei 14 % lag, und auf 3 % gesenkt werden konnte, wenn die Physiotherapie intensiv und mehrmals täglich durchgeführt wurde (25). Zusätzlich sorgt eine intensive Physiotherapie in den Tagesstunden für körperliche Müdigkeit und damit für eine stabile Nachtruhe.
Adäquater Schlaf-Wach-Rhythmus
Im Krankenhaus kommt es vermehrt zu Schlafunterbrechungen durch pflegerische und ärztliche Maßnahmen, unangebrachte Beleuchtung und eine nicht angepasste Gesprächslautstärke. Ein hoher Geräuschpegel verursacht besonders auf der Intensivstation Stress und Schlaflosigkeit und kann dadurch ein Delir auslösen. Daher muss im Krankenhaus mit dieser Problematik bewusst umgegangen und ein Hauptaugenmerk auf eine angemessene Nachtruhe gelegt werden. Bei orientierten und nichtdeliranten Patienten minimieren Augenmasken und Ohrstöpsel die Geräusch- und Lichtexposition deutlich und verbessern so die Schlafqualität (28). In einer Kohortenstudie war eine Verringerung der Schlafunterbrechung mit einer Reduktion der Delirinzidenz von 33 auf 14 % assoziiert (29).
Vermeidung einer Polypharmazie
Viele, insbesondere alte Patienten, nehmen zur Behandlung bestehender Erkrankungen mehrere Medikamente ein. Während eines Krankenhausaufenthaltes steigert sich oft die Anzahl der eingesetzten Medikamente. Eine Interaktion mit dem cholin-, dopamin- oder serotoninergen System kann ein Delir auslösen. Das ist bereits durch eine hochpotente Substanz (zum Beispiel Lorazepam) möglich. Aber auch die Kombination von mehreren geringgradig delirinduzierenden Medikamenten kann bei Polypharmazie das Delirrisiko erhöhen. Eine Kohortenstudie konnte zeigen, dass ein Delir bei 69 % der Patienten auftrat, die sechs oder mehr Medikamente einnahmen, während in der Vergleichsgruppe (weniger als sechs Medikamente) die Delirrate lediglich bei 30 % lag (relatives Risiko = 2,33) (30). Um ein Delir zu vermeiden, ist es daher unabdingbar, kontinuierlich die Medikation zu überprüfen und nicht dringend benötigte Medikamente abzusetzen. Hierbei kann die Priscus-Liste besonders hilfreich sein (e3).
Medikamentöse Prophylaxe
Immer wieder wird versucht, die Delirinzidenz durch eine medikamentöse Prophylaxe zu senken. In einer kürzlich erschienenen randomisierten, placebokontrollierten Studie konnte jedoch die Gabe von Haloperidol bei kritisch kranken Patienten mit einem hohen Delirrisiko weder die Delirinzidenz senken noch das Behandlungsergebnis verbessern (31). Auch eine Metanalyse zur prophylaktischen Gabe von Cholinesteraseinhibitoren und Antipsychotika fand keine klare Evidenz für eine medikamentöse Delirprävention (32).
Die prophylaktische Gabe von Melatonin ist ebenfalls umstritten. So zeigt die exogene Melatoningabe bei älteren nicht chirurgischen Patienten einen delirpräventiven Effekt, der jedoch bei chirurgischen Patienten nicht reproduzierbar ist (33). Daher kann eine medikamentöse Delirprophylaxe zum jetzigen Zeitpunkt nicht generell empfohlen werden. Eine vielversprechende Substanz zur Delirprävention scheint der selektive α2-Agonist Dexmedetomidin zu sein. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass die perioperative Gabe von Dexmedetomidin die Delirinzidenz bei chirurgischen Patienten signifikant senkt (OR: 0,35; 95-%-KI: [0,24; 0,51]; p < 0,01) (34).
Delirtherapie
Manifestiert sich ein Delir, sollte zunächst nach möglichen Ursachen gesucht werden. Vor allem Infektionen, Substanzentzug, Elektrolytstörungen, Blutzuckerentgleisungen, Schmerzen und Hypoxie sind häufige Gründe (Tabelle 2). Hält die Symptomatik an, obwohl mögliche Auslöser beseitigt wurden, muss rasch eine nichtmedikamentöse Therapie erfolgen. Dazu gehört neben der Frühmobilisation, einer Förderung der kognitiven Aktivität und der Reorientierung auch eine Verbesserung des Schlafes. Diese Maßnahmen sind nicht nur in der Prävention, sondern auch in der Therapie eines Delirs äußerst wichtig (36).
Für die symptomorientierte, medikamentöse Delirtherapie stehen je nach dem klinischen Bild unterschiedliche Substanzen zur Verfügung. Viele dieser Substanzen können jedoch aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur unter intensivmedizinischer Überwachung angewendet werden.
Zur Kontrolle einer Agitation und der möglichen Beeinflussung eines Delirs sollten leitlinienkonform α2-Agonisten und kurzwirksame Benzodiazepine eingesetzt werden (1). Im Gegensatz hierzu sind langwirksame Benzodiazepine (zum Beispiel Lorazepam) bei Agitation nicht indiziert und haben offensichtlich selbst eine erhebliche delirogene Potenz (37). Ebenso ist eine Neuroleptikagabe bei Agitation ohne produktiv-psychotische Symptome nicht angezeigt. Im Medikamenten- und Substanzentzugsdelir sind leitlinienkonform langwirksame Benzodiazepine wie Diazepam und Lorazepam indiziert (1, 38). Stellen sich vegetative Symptome (Kasten 2) ein, können adrenerge Symptome durch α2-Agonisten und gegebenenfalls β-Blocker kontrolliert werden.
Bei produktiv-psychotischen Symptomen sind niedrigdosiertes Haloperidol oder atypische Neuroleptika empfohlen – unabhängig davon, ob es sich um ein hyperaktives oder hypoaktives Delir handelt (1). Entscheidet man sich für die Gabe von Haloperidol, so sollte sie niedrig dosiert sein. Eine hochdosierte Haloperidolgabe kann zu einer Überdosierung führen und ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für ein Delir am Folgetag verbunden (1). Die intravenöse Haloperidolgabe muss zudem symptomorientiert unter Monitorkontrolle titriert werden, da bei der Anwendung von Haloperidol QT-Zeit-Verlängerungen bis hin zu Torsade-de-Pointes-Tachykardien auftreten können.
Eine Alternative zu Haloperidol sind atypische Neuroleptika (Risperidon, Olanzapin und Quetiapin). Sie sind im Vergleich zum niedrigdosierten Haloperidol ähnlich effektiv (39). Atypische Neuroleptika verursachen im Vergleich zu Haloperidol weniger extrapyramidale Störungen, eine engmaschige Blutbild- und Leberwertkontrolle ist jedoch notwendig.
Resümee
Der Umgang mit Delir im Krankenhaus erfordert es, multifaktoriell vorzugehen. Entscheidend sind die Prävention und die zeitnahe Diagnostik durch validierte Screeningverfahren. Wird ein Delir diagnostiziert, muss zügig eine Therapie begonnen werden, wobei nichtmedikamentöse Therapieoptionen äußerst wichtig sind. Nur so ist es möglich, das Delir als medizinischen Notfall korrekt zu behandeln und für den Patienten das optimale Behandlungsergebnis zu erzielen (40).
Interessenkonflikt
PD Dr. Zoremba bekam Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung sowie Vortragshonorare von der Firma Orion Phama und von MD Horizonte GmbH.
Prof. Coburn erhielt Kongressgebühren- und Reisekostenerstattung sowie Vortragshonorare von den Firmen Orion Pharma und MD Horizonte GmbH.
Manuskriptdaten eingereicht: 21.9.2018, revidierte Fassung angenommen 10.12.2018
Anschrift für die Verfasser
PD Dr. med. Norbert Zoremba Ph.D.
Klinik für Anästhesiologie,
operative Intensivmedizin und Schmerztherapie
Sankt Elisabeth Hospital Gütersloh
Stadtring Kattenstroth 130
33332 Gütersloh
norbert.zoremba@sankt-elisabeth-hospital.de
Zitierweise
Zoremba N, Coburn M: Acute confusional states in hospital.
Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 101–6. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0101
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit0719 oder über QR-Code
eTabelle:
www.aerzteblatt.de/19m0101 oder über QR-Code
Sankt Elisabeth Hospital Gütersloh, Gütersloh: PD Dr. med. Norbert Zoremba Ph.D.
Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Aachen:
Prof. Dr. med. Mark Coburn
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Kratz, Torsten; Diefenbacher, Albert
Zoremba, Norbert; Coburn, Mark
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.am Montag, 18. Februar 2019, 14:36
Delir: Diagnostik und Delir
Das Delir ist eine sehr häufig auftretende Erkrankung, die alle an der Versorgung der Patienten beteiligten vor große Herausforderungen stellt. Bis zu 70 % der schwer kranken Patienten in Allgemeinkrankenhäusern entwickelt ein Delir, in der Finalphase bis zu 90% der Patienten, oft als Anzeichen des nahen Todes. (Hosie A.et al: Delirium prevalence, incidence and implications for screening in specialist palliative care inpatient settings: a systematic review. Palliat Med. 2013; 27 (6): 486 – 498.)
Kennzeichen ist ein gestörtes Zurechtfinden in Raum und Zeit mit reduzierter Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, aufrechtzuerhalten und umzustellen. Aus dieser Grunderkenntnis lassen sich alle Symptome trefflich ableiten, so dass die Diagnostik keineswegs schwierig ist und auch keiner Testung, sondern eines klinischen Blicks und einiger weniger Fragen bedarf. Allerdings wurde eine wichtige Differentialdiagnose des Delirs, nämlich ein nichtkonvulsiver Status epilepticus nicht erwähnt. In der Studie von Prof. Lorenzl wurden zwar palliativmedizinische Patienten untersucht, ich denke aber, die Differentialdiagnose ist auch bei anderen Patientengruppen entscheidend, da therapiebestimmend. (Auf einer Palliativstation waren von 49 deliranten Patienten 15 (30%) in einem nichtkonvulsiven Status epilepticus. Lorenzl S et al. Nonconvulsive status epilepticus in palliative care patients. J Pain Symptom Manage. 2010;40(3):460-5. )
Bei der medikamentösen Delirtherapie ist ausgehend vom Kernsymptom der Erkrankung nicht verwunderlich, dass ein Pharmakon wie z. B. ein hochpotentes Neuroleptikum, dass sicherlich den Überblick über Situationen nicht verbessert, auch das delirante Syndrom nur unzureichend zum Abklingen bringt, nur in sehr schweren Fällen bei massiver Agitation und Fremd- oder Selbstgefährdung zur Anwendung kommen sollte. (siehe auch Empfehlung für Palliativpatienten: a-t 2017; 48: 19-21)
Dr. med. Ulrich Krüninger
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Palliativmedizin
Dr. Kollmann-Str. 9
94469 Deggendorf
Tel.: 0991/3719631
Interessenkonflikt: keiner