THEMEN DER ZEIT
Digitale Gesundheitskompetenz: Datensouveränität als Ziel


Wie werden die Patienten fit für ein digitales Gesundheitswesen? Was ist für die Befähigung zu einem angemessenen Umgang mit Gesundheitsinformationen und -daten in einer vernetzten Welt nötig? Noch besteht in diesem Bereich erheblicher Forschungsbedarf.
Als wichtigste Quelle für Gesundheitsinformationen rangiert gleich hinter dem Arzt mit 82 Prozent inzwischen das Internet mit 77 Prozent – so eine repräsentative Studie der Techniker Krankenkasse (1). Noch nie war das Informationsangebot zu Gesundheit und Medizin so groß wie heute. Durch die Digitalisierung ist der Zugang zu Informationen etwa zu Ernährung, Bewegung, Krankheiten und Therapien sehr viel einfacher geworden. Allerdings hat schon eine Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2016 ergeben, dass etwas mehr als die Hälfte der Deutschen (54 Prozent) Probleme hat, Gesundheitsinformationen zu verstehen (2). Mit der Vielfalt an digitalen Informationen hat zudem auch die Unübersichtlichkeit zugenommen. Viele Informationen sind schwer verständlich, qualitativ fragwürdig, widersprüchlich oder sogar falsch.
So warnen Forscher beispielsweise vor der Verbreitung medizinischer Falschinformationen in sozialen Netzwerken wie Facebook. Die Zunahme von Masernausbrüchen in Europa als Folge der Kampagnen von Impfgegnern ist dafür ein Beleg. Die nächste große Epidemie werde ausbrechen, nicht weil die Medizin schlecht vorbereitet sei, sondern weil Falschinformationen in sozialen Medien das Vertrauen in Impfungen in gefährlichem Maße herabgesetzt hätten, meint etwa die Anthropologin Prof. Dr. Heidi Larson, PhD, Leiterin des Vaccine Confidence Project, in einem Kommentar für das Wissenschaftsmagazin Nature (3).
Ähnlich schwierig ist die Einschätzung von gesundheitsbezogenen und medizinischen digitalen Anwendungen wie etwa Apps, denn bislang gibt es kaum Möglichkeiten, sich einen Überblick darüber zu verschaffen und deren Qualität zu beurteilen. Den Patienten wird jedoch immer mehr die Nutzung von Onlinediensten und der Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien abverlangt, denkt man etwa an die von einigen Krankenkassen angebotenen elektronischen Gesundheitsakten. Auch Krankenhäuser gehen zunehmend dazu über, mit ihren Patienten elektronisch zu kommunizieren, beispielsweise über Patientenportale oder Patienten-Apps, und dies vor, während und nach ihrem stationären Aufenthalt. Die digitale Gesundheitskompetenz der Bürger und Patienten wird somit immer wichtiger, sie gilt als Schlüsselqualifikation für den mündigen und selbstbestimmten Patienten.
Breites Spektrum
Mit digitaler Gesundheitskompetenz („E-Health Literacy“) lassen sich die Fähigkeiten einer Person beschreiben, die für einen informierten Umgang mit elektronischen Anwendungen im Gesundheitswesen erforderlich sind. Das umfasst längst nicht nur die Informationssuche im Internet, sondern beispielsweise auch den Umgang mit interaktiven digitalen Gesundheitsplattformen, die Nutzung von Gesundheits-Apps und Wearables oder die Kommunikation mit Gesundheitsdienstleistern. Sie ist auch erforderlich für die Nutzung von Onlinetherapien und für die Einbeziehung des „datensouveränen“ Patienten in Behandlungs- und Forschungsprozesse (Stichwort: Datenspende). „Datensouveränität, verstanden als eine den Chancen und Risiken von Big Data angemessene verantwortliche informationelle Freiheitsgestaltung, sollte das zentrale ethische und rechtliche Ziel im Umgang mit Big Data sein“, definiert etwa der Deutsche Ethikrat (4).
In der Realität ist der Weg dahin allerdings steinig. Beispiel Gesundheitsinformation: Es gebe generell ein hohes Informationsbedürfnis der Patienten, doch werde diesem nicht entsprochen, meint etwa Marion Grote-Westrick von der Bertelsmann Stiftung. Ein Beleg dafür sei, dass 50 Prozent der Patienten vor einem Arztbesuch und 60 Prozent danach im Internet zu ihrem Gesundheitsproblem recherchierten – aus den unterschiedlichsten Motiven heraus. „Viele Patienten kennen gute Seiten im Internet nicht, die Bekanntheit von evidenzbasierten Quellen ist gering – sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten“, betont sie. Daher könnten viele Ärzte die Patienten auch nicht gut über Onlinegesundheitsinformationen beraten. Selbst qualitätsgesicherte Gesundheitswebseiten wie etwa patienten-information.de vom Ärztlichen Zentrum für Qua-lität in der Medizin (äzq) oder gesundheitsinformation.de vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind sowohl bei Patienten als auch bei Fachkräften häufig unbekannt.
Gleichzeitig wünschen sich viele Patienten eine Empfehlung seriöser Informationsquellen durch ihren Arzt, so eine von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beauftragte qualitative Studie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen aus Patientensicht (5). Die Ergebnisse der patienteneigenen Internet-recherche kann sich danach auf das Gesundheitsverhalten ebenso wie auf die Therapietreue und die Inanspruchnahme der ärztlichen Versorgung auswirken. Viele Patienten glauben auch, dass es Ärzten missfällt, wenn sie sich im Internet informieren, sodass sie ihren Arzt nur „strategisch“ davon in Kenntnis setzen.
Nationales Gesundheitsportal
Abhilfe könnte ein nationales Gesundheitsportal als zentrales qualitätsgesichertes Internetangebot für Gesundheitsfragen schaffen, wie es in anderen Ländern, etwa Österreich oder Dänemark, bereits umgesetzt ist (6). Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist ein solches Portal auch hierzulande geplant. „Die Trägerstrukturen sollen in 2019 aufgebaut werden, um 2020 die konkreten Inhalte und Formate der einzelnen Portalmodule zu entwickeln“, heißt es dazu in der Digitalstrategie.
Ein Konzept dafür hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des BMG im vergangenen Jahr bereits vorgelegt. Ein solches unabhängiges Portal, dessen Betrieb laut IQWiG etwa fünf Millionen Euro jährlich kosten würde, soll evidenzbasierte Informationen für eine breite Zielgruppe bündeln und könnte sukzessive ausgebaut werden. Im ersten Schritt soll es nach Vorstellungen des IQWiG eine Suchmaschine anbieten, die auf nachweislich qualitätsgesicherte Angebote verweist, ebenso eine Orientierungshilfe für gesundheitliche Beratungs- und Unterstützungsangebote (7). Trägerschaft und Finanzierung sind jedoch bislang noch unklar. Das Konzept und der weitere zeitliche Fahrplan werden aktuell noch hausintern abgestimmt, teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf Anfrage mit.
Nicht nur Qualitätssicherung ist ein Thema, sondern auch die zielgruppengerechte Kommunikation: An Patienten gerichtete schriftliche Informationen wie Aufklärungsbögen oder Flyer „sind oft meilenweit weit von Verständlichkeit entfernt“, sagt etwa Ansgar Jonietz, Mitgründer und Geschäftsführer der Webseite „Was hab ich?“, über die sich Patienten Arztbriefe von Medizinstudierenden und Ärzten in eine für Nichtmediziner verständliche Sprache übersetzen lassen können.
Individualisierung der Infos
40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland haben ihm zufolge Schwierigkeiten beim Verständnis von Texten auf Grundschulniveau. Nach Studien sind dies in vielen Fällen gerade diejenigen, die am meisten von guten Gesundheitsinformationen profitieren würden. Ein großes Potenzial liegt Jonietz zufolge in der Individualisierung der schriftlichen Informationen. „Patienten brauchen das, es fällt vielen schwer, allgemeine Informationen für sich einzuordnen und auf sich zu beziehen.“
Für die Praxis besteht hier noch Forschungsbedarf: So untersuchen Mitarbeiter am Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) derzeit, welche zentralen Anforderungen Nutzer an eine objektive Suche und an die Bewertung und die Nutzung digitaler Gesundheitsinformationen haben. Ziel ist es, eine Orientierungshilfe für den Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen zu entwickeln (8).
Aber auch in der mündlichen Kommunikation zwischen Arzt und Patient hapert es oftmals. „Viel hängt dabei an der Kommunikationskompetenz des Arztes“, meint Jonietz. Es sei viel zu wenig, was dem Arzt als sprechenden Beruf in der Ausbildung vermittelt werde. Das BMG hat Ende 2018 eine Förderinitiative „Stärkung der Gesundheitskompetenz durch höhere Kommunikationskompetenz der im Gesundheitswesen Tätigen“ gestartet (9).
Schließlich müssen sich die Ärzte auf ein neues Rollenverständnis der Patienten einstellen. So konstatieren die Autoren des im Februar 2018 vorgestellten Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz, dass sich die Rolle des Patienten von passiven Leistungsempfängern hin zu aktiven Kooperationspartnern gewandelt hat, die zunehmend mitwirken und mitentscheiden wollen (10).
Nach dem Aktionsplan, erarbeitet von Experten der Universität Bielefeld gemeinsam mit der Hertie School of Governance und dem AOK Bundesverband, haben es Patienten, die mitentscheiden wollen, oft nicht leicht: Sie haben mit Problemen wie Instanzenvielfalt, Zersplitterung und Unübersichtlichkeit des komplexen Gesundheitssystems zu tun. „Unter dieser unzureichenden Nutzerfreundlichkeit des Systems leiden insbesondere Menschen in schwierigen Lebenssituationen und mit geringer Gesundheitskompetenz.“
Bildungsoffensive nötig
Einig sind sich die Experten darin, dass die Medienkompetenz und die kritische Urteilsfähigkeit der Bevölkerung im Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen gefördert werden muss, etwa durch systematische Aufklärung zur Nutzung von sozialen Netzwerken und Gesundheits-Apps. Zudem müssten Angehörige aller Gesundheitsberufe dazu befähigt werden, qualitätsgesicherte digitale Gesundheitsinformation zu empfehlen.
Bei der Förderung von Gesundheitskompetenz spielt die Digitalisierung durchaus eine ambivalente Rolle: So kann etwa der Einsatz audiovisueller Medien die Vermittlung von Gesundheitsinformationen einerseits verbessern. Digitale Anwendungen können das Selbstmanagement von Patienten unterstützen und sie erleichtern den Zugang zu Versorgungsleistungen durch die Möglichkeit der Überbrückung räumlicher Distanzen.
Andererseits geht die Digitalisierung aber mit neuen Herausforderungen einher, denn sie erhöht beispielsweise das Risiko einer digitalen Kluft aufgrund divergierender Kompetenzen und Zugänge bei der Mediennutzung (siehe auch „3 Fragen an . . .“ Dr. med. Kai Kolpatzek, Mitherausgeber des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz). Beide Aspekte seien bei der Förderung der Gesundheitskompetenz besonders zu beachten, meinen die Autoren des Aktionsplans.
Diese Erfahrung hat auch Thomas Karopka vom BioCon Valley, der Gesundheitswirtschaftsinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern, im EU-Projekt „IC-Health“ (Improving digital health literacy in Europe [11]) gemacht. Im Rahmen des Projekts wurden kostenfreie Onlinekurse in acht EU-Sprachen in „Co-Creation“-Prozessen, das heißt unter Einbeziehung der jeweiligen Zielgruppe, erarbeitet, mit denen die Absolventen ihre digitale Gesundheitskompetenz verbessern können. Laut Karopka, der die Erarbeitung des deutschen Kurses für Senioren leitete, erwies sich dabei insbesondere die „große Spannbreite der mitgebrachten Kompetenzen“ als Herausforderung.
Gemeinsam entscheiden
Der kompetente Patient ist auch eine Voraussetzung für das Modell der gemeinsamen Entscheidungsfindung („Shared Decision Making“, SDM), in dem Arzt und Patient in einem gleichberechtigten Prozess „auf Augenhöhe“ über den weiteren Behandlungsverlauf beraten. Einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung zufolge wünschen sich 80 Prozent der Bevölkerung, gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt über ihre Therapie zu entscheiden.
Gleichzeitig ist die Versorgungsrealität im Krankenhaus davon noch weit entfernt, wie eine qualitative Studie der Bertelsmann Stiftung (12) ergeben hat. Danach sind es vor allem schlechte Rahmenbedingungen, die das gemeinsame Entscheiden im Krankenhaus behindern. Dazu zählen die unzureichende kommunikative Ausbildung angehender Ärzte, die fehlende Zeit für Patientengespräche und der wirtschaftliche Druck, der die Auswahl von Behandlungsoptionen maßgeblich beeinflusse. Weitere Einflussfaktoren sind die Einstellungen der Chef- und Oberärzte zu einer patientenorientierten Gesprächskultur.
Ein Modell, wie der partizipative Entscheidungsprozess verbessert werden kann, wird am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein im Rahmen des Innovationsfonds-Projekts „Share to Care“ erprobt (Leitung: Prof. Dr. Friedemann Geiger, siehe auch 3 Fragen an . . .). Die Idee dahinter ist, bei Arzt, Patient und Pflegekräften gleichzeitig anzusetzen und sie durch evidenzbasierte Entscheidungshilfen möglichst umfassend im SDM-Prozess zu unterstützen.
Die Grundlage dafür liefern vier Bausteine: Trainings für Ärzte, Qualifizierung von Pflegekräften, Aktivierung/Anleitung von Patienten sowie Onlineentscheidungshilfen für verschiedene Indikationen. Letztere stellen dem Patienten evidenzbasiert Informationen zu seinen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zur besseren Verständlichkeit werden sie zusätzlich visualisiert und filmisch durch Erklärungen von Ärzten und Berichten von Patienten unterstützt (13).
Ein Beispiel für die praktische Umsetzung der Datensouveränität des Patienten ist das 2018 gestartete Forschungsprojekt „DataBox“. Dabei handelt es sich um eine patientenzentrierte Gesundheitsplattform, die unter der Leitung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg entwickelt und mit bis zu 4 000 Lungenkrebspatienten erprobt werden soll. Technische Projektpartner sind Siemens Healthineers sowie SAP, zudem beteiligen sich die Techniker Krankenkasse und die Barmer.
Datenräume für Patienten
In dem virtuellen Datenraum können die Patienten ihre Behandlungsdaten aus den unterschiedlichsten Quellen formatunabhängig an zentraler Stelle sammeln und verfügbar machen. Auf speicherintensive Bilddaten wird dabei zunächst nur verlinkt, ebenso auf die Rohdaten von Genomanalysen. Dreh- und Angelpunkt der Datensammlung ist dabei der Patient: Er besitzt die Rechte an den Daten, kann bestimmen, wer welche Daten zu sehen bekommt, und darüber hinaus auch gezielt Daten für Forschungsvorhaben bereitstellen. Ärzte sollen sich über die Plattform schneller einen Überblick über den jeweiligen Patienten verschaffen können. Den beteiligten Arztpraxen und Kliniken werden Schnittstellen zur Verfügung gestellt sowie Up- und Downloads via Web ermöglicht. Im zweiten Schritt können die Daten für Big-Data-Analysen aufbereitet werden mit dem Ziel, neue Diagnosemethoden und Behandlungskonzepte zu gewinnen.
Nicht nur in der Patientenversorgung, sondern auch in der klinischen Forschung ist Patientenpartizipation inzwischen ein Thema. So hat etwa das DKFZ Ende 2018 einen Patientenbeirat Krebsforschung gegründet, über den sich Patientenvertreter künftig „aktiv in Forschungsprozesse einbringen“ sollen. Sie erhalten dazu Einblicke in Forschungsstrategien, Methodenauswahl und Datenschutz. „Diese fundierte außerwissenschaftliche Patientenperspektive ist besonders wertvoll, um die klinisch-orientierte Krebsforschung patientenbezogener entwickeln zu können“, begründete Prof. Dr. med. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, die Initiative. Die Grundlagenforschung könne profitieren, wenn die Patientensicht von Beginn an mit einbezogen werde.
Auch im Projekt „HiGHmed“, einem von vier Konsortien, die im Rahmen der Medizininformatikinitiative vom Bundesforschungsministerium gefördert werden, widmet sich ein Ethikteilprojekt der Untersuchung von Patientenpartizipation im Rahmen von Big-Data-basierten Forschungsansätzen und den möglichen Auswirkungen auf das professionelle Handeln und die Gesundheitsversorgung. Heike E. Krüger-Brand
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1019
oder über QR-Code.
3 Fragen an . . .
Prof. Dr. Dipl. Psych. Friedemann Geiger, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Welche Chancen bietet die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens für mehr Patientenbeteiligung?
Digitalisierung kann sich vielgestaltig positiv auswirken. Wenn Patienten über eine digitale Krankenakte leichteren Zugriff auf ihre eigenen Befunde erhalten und sie dadurch ihren Gesundheitsstatus präziser einschätzen können, verbessert sich die Grundlage für ihre aktive Beteiligung. Wenn Patientenpfade über entsprechende IT noch intelligenter gesteuert werden, erhöht das die Chance, dass die Arzt-Patient-Kommunikation mit hinreichend Raum und zum sinnvollen Zeitpunkt eingeplant wird.
Ist digitale Gesundheitskompetenz für den Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung wichtig?
Für den erstgenannten Punkt ja. Allgemein ist ja die Verfügbarkeit medizinischer Informationen ein wichtiger Schlüssel. Die eigene Diagnose in eine Suchmaschine einzutippen, ist ein Reflex fast jedes Patienten. Entscheidend ist, dann gute von schlechten Informationen zu unterscheiden und sie auch zu verstehen.
Wie sollten Onlineentscheidungshilfen für Patienten aussehen?
Online wie offline müssen sie evidenzbasiert und aktuell sowie patientenverständlich geschrieben sein. Da gibt es bewährte internationale Standards. Onlineentscheidungshilfen sollten ihre spezifischen Vorteile nutzen, indem sie dazu verstärkt Grafiken und Videomaterial einsetzen. Damit lassen sich auch die Abwägungsprozesse beim Patienten viel besser unterstützen. Bei SHARE TO CARE besteht zudem die Möglichkeit, direkt aus den Entscheidungshilfen heraus die eigenen Prioritäten und Präferenzen sowie verbleibende Fragen an den Arzt per E-Mail zu schicken oder als Vorbereitung auf das Gespräch auszudrucken.
3 Fragen an . . .
Dr. med. Kai Kolpatzik, MPH, EMPH
Leiter der Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband
Welche Fortschritte sind seit dem Start des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz vor einem Jahr zu verzeichnen?
Die Herausgeber haben den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz bereits im vergangenen Jahr an den Bundesgesundheitsminister übergeben. Über die konkrete Eingrenzung von vier Handlungsfeldern konnte die Relevanz des Themas verdeutlicht werden. Zu den Schwerpunkten Bildung, Medien und chronische Erkrankungen wurden bereits Strategiepapiere veröffentlicht, zum Gesundheitssystem erfolgt dies in Kürze. Im nächsten Schritt kommt es nun darauf an, das Thema in die Praxis zu bringen. Dass wir hier dicke Bretter bohren, zeigt sich beispielsweise daran, dass wir immer noch weit entfernt sind von einer laienverständlichen Kennzeichnung von Lebensmitteln.
Wo besteht im Hinblick auf digitale Gesundheitskompetenz der größte Handlungsbedarf?
Wir müssen jetzt darauf achten, dass es nicht zu einer digitalen Spaltung der Gesellschaft kommt. Viele Menschen sind von den Informationsangeboten im Netz überfordert. Sie haben nicht nur Orientierungsprobleme, sondern können auch die Potenziale digitaler Gesundheitsanwendungen oder Angebote im Netz nur eingeschränkt oder gar nicht zum eigenen Vorteil nutzen. Sie dürfen wir nicht verlieren.
Was können die Ärzte zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz beitragen?
Auch Ärzte können dazu beitragen, dass Patienten und Versicherte ihre Scheu vor nützlichen digitalen Anwendungen im Gesundheitsbereich ablegen. Zum Beispiel können sie aktiv für die Nutzung von Videotelefonie werben und Befundbesprechungen via Videotelefonie selbst anbieten. Wie eine von uns beauftragte forsa-Umfrage zeigt, kann sich das schon jeder zweite Bundesbürger vorstellen. Diese Aufgeschlossenheit gilt es zu nutzen!
1. | „Homo Digivitalis“, TK-Studie zur Digitalen Gesundheitskompetenz 2018 www.tk.de/resource/.../studienband-tk-studie-homo-digivitalis-2018-data.pdf . |
2. | www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6/downloads/Ergebnisbericht_HLS-GER.pdf |
3. | www.nature.com/articles/d41586–018–07034–4?fbclid=IwAR0j8fR000_laRTDJUJLGFd1AgfyU7XZzitbxCOY8xN-gw-GBBrb4ntGv_4. |
4. | Deutscher Ethikrat: Big Data und Gesundheit. Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung“, https://www.ethikrat.org/fileadmin/.../stellungnahme-big-data-und-gesundheit.pdf . |
5. | Patientenperspektiven 2018: www.kbv.de/media/sp/KBV_Patientenperspektiven_2018_qualitative_Studie.pdf. |
6. | Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: www.gesundheit.gv.at ; Dänemark: www.sundhed.dk . |
7. | www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/gesundheitsinformation/p17–02-konzept-fuer-ein-nationales-gesundheitsportal.7849.html . |
8. | Entwicklung einer Orientierungshilfe zur Stärkung der Verbraucherkompetenz beim Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationsangeboten (OriGes), https://ceres.uni-koeln.de/forschung/projekte/origes. |
9. | www.forschung-bundesgesundheitsministerium.de/foerderung/bekanntmachungen/staerkung-der-gesundheitskompetenz-durch-hoehere-kommunikationskompetenz-der-im-gesundheitswesen-taetigen. |
10. | Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz: www.nap-gesundheitskompetenz.de. |
11. | EU-Projekt IC-Health: https://ichealth.eu. |
12. | „Gemeinsam entscheiden im KIlinikalltag“: www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/gemeinsam-entscheiden-im-klinikalltag. |
13. | Innovationsfondsprojekt „Share to Care: www.uksh.de/sdm. |
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