BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER: Bundesärztekammer
Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie: Anwendungsbereiche von Psychotherapie bei Erwachsenen


Da die Gesamtzahl aller Störungsbilder im Indikationsbereich der Psychotherapie zu groß ist, um jeweils Einzelnachweise zu verlangen, kann nicht auf der Ebene einzelner Störungen über die wissenschaftliche Anerkennung entschieden werden. Es muss eine Kategorisierung in größere Klassen von Störungen erfolgen, wobei sinnvollerweise neben der möglichen nosologischen und phänomenologischen Nähe auch die Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung, ihr Vorkommen in der psychotherapeutischen Praxis und ihre Bedeutung als Gegenstand der Psychotherapieforschung berücksichtigt werden sollten.
Eine vollständige Gleichwertigkeit der Klassen kann dabei nicht erreicht werden. Auf dieser Basis hat der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie die folgende Zusammenfassung der wesentlichen Anwendungsbereiche von Psychotherapie in Anlehnung an den ICD-10-Schlüssel erstellt. Sie sind nicht als Alternative zu geltenden Diagnoseschlüsseln wie der ICD-10 oder zur nosologischen Klassifikation zu verstehen, die anderen, sehr viel weiteren Aufgabenstellungen dienen.
Der Wissenschaftliche Beirat überprüft die Wirksamkeitsnachweise - unbeschadet der Prüfung weiterer
Kriterien der wissenschaftlichen Fundierung - für jeden Anwendungsbereich der vorliegenden Liste getrennt
und gibt an, für welche Anwendungsbereiche ein Verfahren gegebenenfalls als "wissenschaftlich anerkannt"
gelten kann. Studien, die eine Übertragung der Wirksamkeitsnachweise auf die Versorgungspraxis erlauben,
werden bei der Bewertung besonders gewichtet.
Dabei gelten folgende Grundsätze:
1. Der Wirksamkeitsnachweis für einen Anwendungsbereich kann in der Regel dann als gegeben gelten, wenn in
mindestens drei unabhängigen, methodisch adäquaten Studien die Wirksamkeit für Störungen aus diesem
Bereich nachgewiesen ist.
2. Die Anzahl von drei erforderlichen Studien für einen einzelnen Anwendungsbereich kann teilweise reduziert
werden, wenn - in der Regel ältere - methodisch adäquate Wirksamkeitsstudien ohne Angabe eines spezifischen
Störungsbereichs oder mit mehreren klar definierten Störungsgruppen vorliegen. Dies gilt allerdings nur für die
Anwendungsbereiche
1 bis 8 der aufgeführten Liste. Liegen in der Regel mindestens acht solche allgemeinen, ansonsten methodisch
adäquate Studien vor, kann die Wirksamkeit für einen Anwendungsbereich aus dieser Gruppe bereits dann als
hinreichend nachgewiesen gelten, wenn lediglich zwei für diesen Anwendungsbereich spezifische Studien
vorliegen. Die Wirksamkeit für die Anwendungsbereiche 9 bis 12 der Anwendungsbereichsliste kann lediglich
durch spezielle Wirksamkeitsnachweise im Sinne von 1. nachgewiesen werden.
Empfehlungen für die Ausbildung und für die Anerkennung von Ausbildungsstätten durch die Landesbehörden*
Grundsätzlich sollten alle 12 Anwendungsbereiche in der Ausbildung berücksichtigt werden. Übergangsweise
wird für die Anerkennung von Ausbildungsstätten vorgeschlagen:
1. Nur solche Therapieverfahren, die für mindestens fünf Anwendungsbereiche der Psychotherapie (1 bis 12 der
Anwendungsbereichsliste) oder mindestens vier der "klassischen" Anwendungsbereiche (1 bis 8) als
wissenschaftlich anerkannt gelten können, sollen als Verfahren für die vertiefte Ausbildung zum
Psychologischen Psychotherapeuten entsprechend § 1 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für
Psychologische Psychotherapeuten zugelassen werden.
2. Therapieverfahren, die für eine geringere Anzahl von Anwendungsbereichen, als unter 1. genannt, als
wissenschaftlich anerkannt gelten können, können im Rahmen der vertieften Ausbildung als Zusatzverfahren
gelehrt werden.
Wesentliche Anwendungsbereiche der Psychotherapie bei Erwachsenen
1. Affektive Störungen (F 3)
2. Angststörungen
phobische Störungen (F 40)
andere Angststörungen ( F 41)
Zwangsstörungen (F 42)
3. Belastungsstörungen (F 43)
Belastungsreaktionen
posttraumatische Belastungsstörungen
Anpassungsstörungen
4. Dissoziative, Konversions- und
somatoforme Störungen
dissoziative Störungen (F 44)
somatoforme Störungen (F 45)
Neurasthenie (F 48)
5. Essstörungen (F 50)
6. Andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F 5)
nicht-organische Schlafstörungen
(F 51)
nicht-organische sexuelle
Funktionsstörungen (F 52)
7. Anpassungsstörungen, somatische Krankheiten (F 54)
8. Persönlichkeitsstörungen und
Verhaltensstörungen (F 6)
Persönlichkeitsstörungen (F 60-62)
Verhaltensstörungen (F 63-69)
9. Abhängigkeiten und Missbrauch
(F 1, F 55)
10. Schizophrenie und wahnhafte
Störungen (F 2)
11. Anpassungsstörungen,
psychische und soziale Faktoren bei Intelligenzminderung (F 7)
12. Hirnorganische Störungen
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.