SUPPLEMENT: Perspektiven der Onkologie
Diagnose und Therapie des Lungenkarzinoms: Umfassende und stringente Versorgung im Verbund


Um Patienten Zugang zu den sich schnell weiterentwickelnden zielgerichteten Therapien zu ermöglichen, ist die Einbindung in ein Netzwerk sinnvoll. Dabei sind die niedergelassenen Onkologen zentrale Mediatoren zwischen Patient, Hausarzt und Lungenkrebszentrum.
Die Inzidenz des Lungenkrebses in Deutschland beträgt derzeit etwa 53 900 Neuerkrankungen jährlich (www.krebsinformationsdienst.de). Rauchen ist der relevanteste Risikofaktor und verantwortlich für etwa 80 % der Lungenkarzinommortalität (www.cancer.org). Tabakkonsum vermindert die Chance auf eine therapierelevante Treibermutation (1), erhöht allerdings die PDL1-Expression auf den Tumorzellen und damit das potenzielle Ansprechen auf Immuncheckpoint-Inhibitoren (2) .
Das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) repräsentiert ein exzellentes Beispiel für die schnelle Entwicklung der zielgerichteten onkologischen Therapie. Es ist nicht übertrieben zu propagieren, dass die personalisierten Behandlungsmöglichkeiten die Therapie des NSCLC revolutioniert haben. Die Entität des NSCLC wird durch die Identifikation neuer therapierelevanter Mutationen und immunonkologischer Targets in immer mehr Subentitäten unterteilt (Grafik 1), die einer individualisierten Therapie zugänglich sind.
Die Prognose des metastasierten NSCLC, die sich durch die bis vor wenigen Jahren ausschließlich verfügbare palliative Chemotherapie in der klinischen Realität nicht merklich im Vergleich zu einem symptomorientierten Behandlungskonzept verbessert hat, wird heute wesentlich durch immunologische und molekulargenetische Biomarker mitbestimmt.
Um Patienten Zugang zu den sich schnell weiterentwickelnden zielgerichteten Therapien zu ermöglichen, ist die Einbindung in ein Netzwerk sehr sinnvoll, da:
- es eine umfassende und schnelle molekulargenetische Diagnostik bereithält und
- den Einschluss der Patienten in experimentelle Studien zur Anwendung von potenziell hochwirksamen, aber noch nicht zugelassenen Therapieformen ermöglicht.
NSCLC-Patienten haben in frühen lokal fortgeschrittenen Krankheitsstadien kurative Therapieoptionen innerhalb eines multimodalen Behandlungskonzeptes, das nicht mehr nur Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie, sondern auch immuntherapeutische oder – im Rahmen von individuellen Heilversuchen – zielgerichtete Therapien mit berücksichtigt.
Für Patienten in fortgeschrittenen oder metastasierten Stadien ist die Therapie jedoch weiterhin nicht kurativ. Allerdings hat sich die Prognose von vielen Patienten durch die Implementierung der Immuncheckpoint- und Tyrosinkinase-Inhibitoren mit dem Ziel, eine schnell progrediente und tödliche in eine chronische Erkrankung zu wandeln, in den letzten Jahren deutlich verbessert.
So konnte in unserem Lungenzentrum ein Patient mit pulmonalem Adenokarzinom, Pleurakarzinose und einer BRAF-V600E-Mutation durch eine zielgerichtete Therapie einer Operation zugeführt werden. Dieser Patient ist aktuell über 2 Jahre in kompletter Remission.
Diagnostik
Die Ausbreitungsdiagnostik (Staging) zur Feststellung des Stadiums und Klärung der Operabilität beinhaltet entweder Thorax-CT, Sonografie des Abdomens, Skelettszintigrafie und Schädel-MRT oder alternativ FDG-PET-CT und Schädel-MRT, wobei zu beachten ist, dass eine eventuelle PET-CT vor einer Biopsie durchzuführen ist, um falsch-positive PET-Befunde nach Punktion zu vermeiden.
Die wichtigste Diagnostik im Hinblick auf eine personalisierte Therapie ist die histologische Sicherung, die im Allgemeinen mittels Bronchoskopie/EBUS (endobronchialer Ultraschall) mit Biopsie der mediastinalen Lymphknoten, CT-gesteuerter transthorakaler Biopsie des Primärtumors oder gegebenenfalls thoraxchirurgisch erfolgt.
Auch neue Verfahren wie die hochsensitive navigationsgesteuerte Bronchoskopie, die es ermöglicht, auch periphere Karzinome minimalinvasiv zu erreichen, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Die Aufarbeitung des Materials führt die zentrale Pathologie des Lungenzentrums durch. Basierend auf den klinischen Angaben für den Pathologen werden in der Regel bereits primär die Immunhistochemie und Molekularpathologie veranlasst, um eine frühestmögliche, umfassende Tumorcharakterisierung zu erreichen.
Erfolgt auf Basis der Ausbreitungsdiagnostik ein Up-Staging, wird die entsprechende Pathologie zeitnah in der Tumorkonferenz des Lungenzentrums beschlossen und direkt durch den anwesenden Pathologen veranlasst.
Molekularbiologie
Eine stringente pathologische Diagnostik ist zum einen für die zeitnahe Einleitung einer effektiven zielgerichteten Therapie und zum anderen im Hinblick auf die Möglichkeit einer im Vergleich zur Chemotherapie besser verträglichen Erstlinienimmuntherapie notwendig. Nichtkleinzellige Lungenkarzinome werden nicht mehr nur nach histologischen, sondern auch nach molekulargenetischen (Treibermutationen) und immunologischen (PD-L1-Expression) Parametern differenziert.
Die molekulargenetische Diagnostik zur Detektion therapierelevanter Treibermutationen (für die zugelassene Therapie verfügbar ist) wird bei allen Stadium-IV-Patienten und Patienten in fortgeschrittenen Stadien ohne kurative Therapieoption initiiert und umfasst:
- EGFR-Exon-18-bis-21-Mutationen,
- ALK-Translokationen,
- ROS1-Translokationen,
- BRAF-V600-Mutationen.
Weitere genetische Alterationen sind:
- BRAF-NonV600-Mutationen,
- HER2-Amplifikationen,
- KRAS-Mutationen,
- c-MET-Alterationen mit c-MET-Exon-14-skipping-Mutationen, Amplifikation und Fusionen,
- NRG-Fusionen,
- NTRK-Fusionen,
- RET-Translokationen u. a.
Die immunhistochemische Bestimmung von PD-L1 auf den Tumorzellen erfolgt bei Patienten im Stadium III, die eine definitive Radiochemotherapie erhalten im Hinblick auf die Indikation einer Erhaltungstherapie mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Duravlumab, bei allen Patienten im Stadium IV und Patienten in fortgeschrittenen Stadien ohne kurative Therapieoption.
NSCLC: personalisierte Therapie
Die personalisierte Therapie erfolgt im Allgemeinen auf Empfehlung der interdisziplinären Tumorkonferenz. Hierbei ist nicht nur die umfassende Aufklärung des Patienten über die therapeutischen Optionen von besonderer Relevanz. Auch der therapieverantwortliche Onkologe benötigt die Empfehlung der Tumorkonferenz im Hinblick auf die unübersichtliche Struktur der Neuzulassungen von zielgerichteten Therapien sowie Immuncheckpoint-Inhibitoren in kurzen Intervallen sowie diversen Zulassungserweiterungen und -beschränkungen.
Vor dem Hintergrund der oft nur geringen Patientenzahlen in speziellen Therapiesituationen (auch in zulassungsrelevanten Studien) sollten Patienten wenn möglich im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden.
35–40 % der NSCLC-Patienten sind bereits bei Erstdiagnose metastasiert und daher – mit Ausnahme von potenziell kurativ behandelbaren solitären Metastasen – in palliativer Situation (3).
Bei Vorliegen von multiplen Metastasen beträgt die mediane Überlebenszeit mit oder ohne palliative Chemotherapie knapp 12 Monate. Eine Lebensverlängerung wird durch die alleinige Chemotherapie nicht erreicht.
Bei Patienten mit therapierbarer Treibermutation aber können die medianen Überlebenszeiten mehrere bis viele Jahre betragen.
Aufgrund hoher Cross-over-Raten von Chemotherapie zu TKI-Therapie in Studien wurde häufig kein Vorteil im Gesamtüberleben nachgewiesen. Bereits 2013 demonstrierte jedoch die umfassende Auswer-ung von Patienten mit NSCLC und genetischen Alterationen aus dem Tumorregister des Clinical Lung Cancer Genome Project (CLCGP) und Network Genomic Medicine (NGM) einen Überlebensvorteil für Patienten mit EGFR-Mutation und ALK-Translokation (4).
Essenziell wichtig ist auch die Beachtung der Lebensqualität und gegebenenfalls eine zusätzliche symptomorientierte Behandlung, insbesondere auch von Nebenwirkungen der personalisierten Therapie. Im Gegensatz zu einer Chemotherapie kann eine Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor meist auch bei bereits reduziertem Allgemeinzustand oder dem Vorliegen von Komorbidität eingeleitet werden.
Eine adjuvante zielgerichtete oder Immuntherapie ist bisher kein Standard. Die einzige zugelassene Indikation für einen Immuncheckpoint-Inhibitor in nicht metastasierter Situation ist derzeit eine Erhaltungstherapie mit Durvalumab bei mindestens stabiler Erkrankung nach definitiver Radiochemotherapie des lokal fortgeschrittenen, inoperablen NSCLC mit PDL1-Expression ≥ 1 %. Die PACIFIC-Studie zeigte eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von 5,6 Monaten im Beobachtungsarm auf 17,2 Monate in der Duravlumab-Gruppe (5).
Bei Inoperabilität kann allerdings im Rahmen eines individuellen Heilversuchs auch im nicht metastasierten Stadium eine präoperative zielgerichtete Therapie sinnvoll sein, falls eine entsprechende Treibermutation vorliegt. Dies sollte wenn möglich im Rahmen einer klinischen Studie erfolgen.
Molekular stratifizierte Therapie
EGFR-Mutationen: Mutationen im Gen für den Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR) finden sich bei europäischen Patienten in etwa 12 % der Adenokarzinome (6). EGFR-Mutationen sind die häufigsten therapierelevanten Treibermutationen des NSCLC. Häufig handelt es sich um Nichtraucher. In geringerem Maße werden EGFR-Mutationen jedoch auch bei Rauchern gefunden, sodass alle Patienten getestet werden sollten.
Für die Therapie von Patienten mit EGFR-Mutationen stehen Tyrosinkinase-Inhibitoren der 1. Generation (Erlotinib, Gefitinib), der 2. Generation (Afatinib) und der 3. Generation (Osimertinib) zur Verfügung. Die Remissionsraten betragen etwa 60–80 %, das mediane progressionsfreie Überleben zwischen 8 und 19 Monaten. Daten zur Verbesserung des Gesamtüberlebens gibt es bisher nur wenige.
So stellt die finale Auswertung der OPTIMAL-Studie (Erlotinib vs. platinbasierte Chemotherapie) einen signifikanten Überlebensvorteil die EGFR-TKI-Therapie fest (7).
Auch die gepoolte Analyse der Afatinib-Studien Lux-Lung 3 und 6 zeigte in einer Subgruppenanalyse einen signifikanten Überlebensvorteil von Patienten mit der häufigen EGFR-Mutation Deletion 19 (8).
Für das noch nicht zugelassene Dacomitinib wurde in der ARCHER-Studie ein signifikanter Vorteil im Gesamtüberleben nachgewiesen (9).
Der Drittgenerations-EGFR-TKI Osimertinib führte in der FLAURA-Studie gegenüber Erlotinib oder Gefitinib zu einer deutlichen Verlängerung des progressionsfreien Überlebens in der Erstlinientherapie von 10,2 auf 18,9 Monaten. Die 18-Monate-Überlebensrate betrug für Osimertinib 83 % im Vergleich zu 71 % für die Standard-TKIs. Auch kam es unter Osimertinib zu einer geringeren Rate von ZNS-Metastasen (6 vs. 15 %) (10).
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Patienten, die unter einem Erstlinien- oder Zweitlinien-EGFR-TKI eine Resistenzmutation entwickeln, möglicherweise erneut auf Osimertinib ansprechen und so ein verlängertes Gesamt-PFS aufweisen könnten.
Bei Progress unter TKI sollte daher eine Resistenzmutation durch eine Rebiopsie oder eine „liquid biopsy“ ausgeschlossen werden. Für den Fall einer EGFR-T790M-Resistenzmutation ist eine Therapie mit Osimertinib indiziert. In der AURA3-Studie wurde bei Progress auf einen TKI das progressionsfreie Überleben durch Osimertinib im Vergleich zu einer Kombinationschemotherapie mit Platin/Pemetrexed von 4,4 auf 10,1 Monate verlängert (11).
Die Phase-I-Studie EATON (in die Patienten ab der Zweitlinie eingeschlossen werden können, die einen Progress unter einer Therapie mit Erlotinib, Gefitinib, Afatinib oder Osimertinib unabhängig vom EGFR-p.T790M-Status aufweisen) testet die Kombination aus einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor der 3. Generation, Nazartinib, und dem MEK-Inhibitor Trametinib. Hintergrund ist, dass die Aktivierung von MEK/ERK/RAS ein häufiger Resistenzmechanismus ist (persönl. Mitteilung von Dr. S. Michels, LCGC).
ALK-Translokationen: Translokationen im ALK-Gen („anaplastic lymphoma kinase“) sind die zweithäufigste therapierelevante Mutation des NSCLC. Sie finden sich bei etwa 4 % der Patienten mit Adenokarzinom (6). Alectinib führt im Vergleich gegenüber Crizotinib zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, zu einer signifikanten Reduktion der Inzidenz von ZNS-Metastasen und ist im Vergleich zu Ceritinib nebenwirkungsärmer. Damit ist Alectinib die Therapie der ersten Wahl bei ALK-Translokation.
Auch für den Fall einer Resistenz auf eine Erstlinientherapie mit einem ALK-Inhibitor sollte eine Rebiopsie zum Ausschluss einer Resistenzmutation erfolgen. Nach Vorbehandlung mit Crizotinib können sowohl Ceritinib als auch Alectinib erneut zu einer Remission und Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens im Vergleich zu einer Zweitlinienchemotherapie führen.
ROS1-Translokationen: Translokationen der aktivierenden Tyrosinkinase ROS1 sind mit 1–2 % Adenokarzinome der Lunge selten. ROS1-Translokationen gehen mit einer besseren Prognose einher (12). In der Phase-1-Zulassungsstudie von Crizotinib, in die 50 Patienten mit ROS1-Translokation eingeschlossen wurden, wurde eine Remissionsrate von 72 % und ein medianes progressionsfreies Überleben von 19 Monaten erreicht (13). Die Zulassung von weiteren ROS1-wirksamen TKIs wird erwartet.
BRAF-V600-Mutationen: BRAF-Mutationen, (meist BRAF-V600E-Mutationen) werden bei 2 % aller Patienten mit NSCLC-Adenokarzinom nachgewiesen. In der Erstlinientherapie demonstrierte die relativ gut verträgliche Kombination aus dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib eine Remissionrate von 63 %, ein krankheitsfreies Überleben von knapp 10 Monaten und ein medianes Gesamtüberleben von etwa 25 Monaten (14). Auch bei Progress nach Chemotherapie wurde ein ähnliches Ansprechen erreicht.
Weitere Tyrosinkinase-Inhibitoren wie zum Beispiel Dacomitinib (EGFR), Lorlatinib (ALK/ROS1), Entrectinib (NTRAK1–3) oder Cabozantinib (ROS1) befinden sich in fortgeschrittenen klinischen Entwicklungsstadien oder bereits in Zulassungsverfahren und sind zum Teil bereits im Rahmen von „compassionate use“-Programmen verfügbar.
Nichtmolekular stratifizierte TH
In fortgeschrittenen Stadien spielt insbesondere der Grad der PD-L1-Expression auf den Tumorzellen eine Rolle für das therapeutische Vorgehen. Die KEYNOTE-024-Studie zeigte einen Vorteil einer Immuntherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab für Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (Plattenepithel- und Nichtplattenepithelkarzinome) ohne Treibermutationen und mit hoher Expression des PD-1-Liganden ≥ 50 %) (15).
Nivolumab hat im Rahmen der CheckMate057- Studie in der Zweitlinientherapie im Vergleich zu Docetaxel unabhängig von der PD-L1-Expression das Gesamtüberleben signifikant verbessert (12,2 vs. 9,4 Monte) (16).
Der PD-L1-Inhibitor Atelzolizumab führte in der OAK-Studie zu einer signifikanten Verlängerung der Überlebenszeit um 4,2 Monate im Median (17).
Die Ansprechraten auf die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren liegen bei etwa 40 % in der Erstlinientherapie und 20 % in der Zweitlinientherapie. Für diese Patienten steht Pembrolizumab als zugelassene Erstlinienbehandlung zur Verfügung.
Die kürzlich auch für die Erstlinientherapie – unabhängig vom PD-L1-Expressionsstatus für Patienten mit metastasiertem nichtplattenepithelialem NSCLC – zugelassene Immunchemotherapie mit Pembrolizumab, Platin und Pemetrexed ist nach unserer Erfahrung nebenwirkungsreich und bleibt Patienten in gutem Allgemeinzustand vorbehalten.
Ebenfalls kürzlich zugelassene Erstlinienimmunchemotherapien sind Pembrolizumab in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel oder Nab-Paclitaxel für Patienten mit metastasiertem plattenepithelialem NSCLC und Atezolizumab in Kombination mit Bevacizumab, Paclitaxel und Carboplatin bei Patienten mit metastasiertem, nichtplattenepithelialem NSCLC. Allerdings müssen vorher eine EGFR- und ALK-Mutation ausgeschlossen sein. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für den Fall eines Progresses die Wirksamkeit einer alleinigen Zweitinienimmuntherapie nicht gesichert ist.
Prädiktive Biomarker, die Aussagen über das Ansprechen auf eine Immuntherapie erlauben, sind noch nicht etabliert.
Aktuelle Ansätze konzentrieren sich auf die Entwicklung von genetischen Profilen zur Charakterisierung der Mutationslast des Tumors („tumor mutational burden“) (18) oder die Bedeutung von tumorinfiltrierenden Immunzellen (Mikromilieu) (19).
Erste interessante Daten aus der Therapie des malignen Melanoms lassen auch auf einen Einfluss des Darmmikrobioms auf die Wirkung der Immuncheckpoint-Inhibitoren schließen (20).
Nationales Netzwerk
Das Nationale Netzwerk für genomische Medizin (nNGM) (www.nngm.de) stellt ein überregionales Koordinationszentrum dar und ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern, Arztpraxen, zentralen Pathologien, Expertengremien der CCC (Comprehensive Cancer Center). Hierbei können die Teilnehmer auf die immer umfangreicher werdenden Datenbanken zugreifen. Das Netzwerk besteht aus mehr als 300 interdisziplinären Partnern. Ein regionales Lungenkrebszentrum ist hierbei Teil des überregionalen Netzwerks.
Die lokalen Netzwerkpartner stehen in engem Austausch und können so stringent Diagnostik über die translationale Krebsgenomik und zentrale, molekulare Pathologie initiieren, zielgerichetete Therapien verabreichen und Zugang zu neuen Therapien erhalten (Grafik 2). Es werden Studienprotokolle zur Behandlung genetisch definierter Lungenkrebssubgruppen zur Verfügung gestellt, die die personalisierten Behandlungsansätze optimieren – unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus der präklinischen Forschung und auch in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie.
Ziel ist es, eine umfassende molekulare Diagnostik und personalisierte Therapie für alle Patienten mit Lungenkrebs anzubieten und so die Implementierung in die klinische Routineversorgung zu ermöglichen.
Der niedergelassene Onkologe
Der niedergelassene Onkologe repräsentiert einen zentralen Mediator zwischen Patient, Hausarzt und regionalem Lungenkrebszentrum (Grafik 3). Erwartungen des Patienten an den niedergelasssenen Onkologen sind die direkte Kommunikation, die Steuerung der Diagnostik, umfassende Information über Behandlungsmöglichkeiten und die Therapieplanung. Hierbei ist die direkte Kommunikation als Ansprechpartner und Lotse in allen Belangen der Erkrankung sehr wichtig.
Insbesondere ist auch der enge Kontakt zum Hausarzt als Vertrauensbildner im Arzt-Patienten-Verhältnis von großer Bedeutung. Viele Patienten fühlen sich nach Diagnosestellung insbesondere im Hinblick auf eine schlechte Prognose und eine nebenwirkungsreiche, oft langwierige Therapie mit der Planung des weiteren Vorgehens hilflos und überfordert. Das Schaffen eines Vertrauensverhältnisses mit Empathie und Eingehen auf individuelle Wünsche ist hierbei die besondere Aufgabe des Onkologen.
Der Anspruch auf Kontinuität in der Betreuung und eine gute Erreichbarkeit (24-Stunden-Notfalltelefon) sollten gewährleistet sein. Als Mediator zwischen Lungenkrebszentrum und Patient fällt dem niedergelassenen Onkologen hierbei eine besondere Rolle zu. Die Erläuterung der Ergebnisse der molekularen Diagnostik und der sich hieraus ergebenden Möglichkeiten einer personalisierten Therapie und damit der Zugang zu innovativen Therapien können ambulant und heimatnah in einer vertrauensvollen Umgebung vorgenommen und erreicht werden.
Erwartungen an das Zentrum
Für den niedergelassenen Onkologen ist die Zusammenarbeit mit dem Lungenzentrum essenziell. Ein direkter Zugang zu den Zentrumsstrukturen und ein komplikationsloser Zugriff auf Informationen über neue Therapieoptionen, Studien und „compassionate use“-Programme müssen gewährleistet sein, um den Ansprüchen der Patienten gerecht zu werden.
Vor dem Hintergrund der raschen Weiterentwicklung der molekularen Diagnostik mit Identifizierung neuer Zielstrukturen für die personalisierte Therapie erfordern die Fülle der jährlichen Neuzulassungen zielgerichteter Therapeutika und die immer unübersichtlicheren Zulassungsbeschränkungen für diese kostenintensiven Medikamente besonderes Augenmerk zur Minimierung der Regressgefahr.
Gegebenenfalls kann ein Antrag auf Kostenübernahme von nicht zugelassenen Medikamenten im Rahmen eines „off-label use“ gestellt werden.
So erhalten Patienten Zugang zu den effektivsten Therapien, und etablierte Strukturen wie die enge Beziehung zwischen niedergelassenem Onkologen und Hausarzt sowie lokalem Krankenhaus können gewahrt werden. ▄
DOI:10.3238/PersOnko.2019.06.10.01
Priv.-Doz. Dr. med. Achim Rothe
Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie,
OTC Onkologisches Therapie Centrum, Köln
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit3519
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