Zusammenfassung
Aufgrund des Klimawandels werden in den kommenden Jahren häufigere Hitzewellen erwartet. Schon jetzt soll es jährlich im Mittel über 25 000 „Hitzetote“ in Europa geben. Hitzestress und Hitzeerkrankungen treten allerdings nicht nur bei erhöhten Umgebungstemperaturen auf. Körperliche Arbeit steigert die Wärmeproduktion im Organismus um ein Vielfaches; bei unzureichender Wärmeabgabe droht eine anstrengungsbedingte Überhitzung. Diese Übersichtsarbeit stellt Einflussfaktoren, gefährdete Personengruppen sowie Diagnostik und Therapie von Hitzeerkrankungen dar.
Summary
With climate change, heat waves are expected to become more frequent in the near future. Already, on average more than 25 000 “heat deaths” are estimated to occur in Europe every year. However, heat stress and heat illnesses arise not just when ambient temperatures are high. Physical exertion increases heat production within the organism many times over; if not enough heat is lost, there is a risk of exertional heat stress. This review article discusses contributing factors, at-risk groups, and the diagnosis and treatment of heat illnesses.


Risiken und Interventionen bei körperlicher Anstrengung bei Hitze
Hitzewellen fordern immer wieder Todesopfer. Im Durchschnitt soll es in Europa jährlich über 25 000 hitzebedingte Tote geben (e1–e4). Infolge des Klimawandels wird eine Zunahme dieser abrupten Extremwetterlagen (e5, e6) erwartet, die auf eine zumeist unzureichend akklimatisierte Bevölkerung treffen.
Hitzestress und gesundheitliche Gefährdungen treten allerdings nicht nur bei höheren Umgebungstemperaturen auf, sondern können auch – bei anscheinend unkritischen Temperaturen – durch körperliche Belastungen ausgelöst werden (1–3). In der arbeitenden Muskulatur kommt es zu starker und schneller Wärmeproduktion, sodass bei hohen Belastungsintensitäten nach 20 Minuten Körperkerntemperaturen von über 39 °C erreicht werden können (4–6). Sei es im Beruf, in der Freizeit oder im Sport – körperliche Anstrengungen können zu einer Überhitzung des Organismus und zu Hitzeerkrankungen führen; höhere Umgebungstemperaturen vergrößern die Gefahr (7–13).
Die Kombination aus Hitze und körperlicher Arbeit ist eine enorme Belastung für den menschlichen Organismus, die zu plötzlichen Leistungseinbrüchen und Gefährdungen führen kann (1, 3, 17–19). Eine Überhitzung des Organismus kann allerdings auch bei Umgebungstemperaturen unter 0 °C auftreten: So wurden während Skipatrouillen bei einer Umgebungstemperatur von –8 °C Körperkerntemperaturen von über 38 °C gemessen (1, 20). Bei Skilangläufern lagen diese in Einzelfällen bei mehr als 40 °C (1, 4).
Durch die arbeitende Muskulatur kann die Wärmebildung um mehr als das Zehnfache des Ruhewerts ansteigen. Der weitaus größte Teil der im Muskel umgesetzten Energie wird – vergleichbar einer Wärmekraftmaschine – als Wärme (> 70 Prozent) abgegeben (1, 21–24). Beim Laufen beträgt der mechanisch nutzbare Energieanteil höchstens 25 Prozent. Der Wirkungsgrad ist bei Arbeiten im Haushalt oder bei beruflichen Tätigkeiten, wie zum Beispiel beim Tragen von Lasten oder beim Bewegen mit Schutzbekleidung, weitaus geringer (1, 19, 25, 26). Aufgrund der geringen Toleranz (37 °C bis circa 40 °C) gegenüber Körperkerntemperaturanstiegen kann auch moderate körperliche Arbeit unter Hitzebedingungen unvermittelt bis zu einem Hitzschlag führen (2, 18).
Die Bekleidungsisolation sollte variabel an das Umgebungsklima (Hitzewellen) angepasst werden, um zusätzliche thermische Belastungen zu vermeiden. Diese sind jedoch bei ausgeprägten Schutzanforderungen schon bei moderater Witterung unumgänglich (1, 27), wie im Sport (zum Beispiel Football, Fechten) oder in beruflichen Bereichen (zum Beispiel Polizei, Feuerwehr, Militär, Chemieindustrie). Zudem können das Gewicht und Bewegungseinschränkungen durch Schutzbekleidung und Ausrüstung zu vermehrter Muskelarbeit und metabolischer Wärmebildung führen (28).
Schon geringe klimatische Belastungen erhöhen in einer derartigen Situation die Gefahr einer Hitzeerkrankung (1, 9, 17–19, 29, 31, 32). Neben der Lufttemperatur sind Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit und Wärmestrahlung relevante Klimaelemente. Klimasummenmaße sollen die Wirkung dieser Größen in unterschiedlicher Kombination zu einem Wert zusammenführen. Bei Hitzeexposition im Freien hat sich der WBGT-Index (Wet Bulb Globe Temperature) durchgesetzt (16, 33). Er dient zur Risikoabschätzung, um präventiv Hitzezwischenfälle bei Arbeit (16) oder Sport zu reduzieren (34).
Durch Akklimatisation (klassische Anpassungszeichen: höhere Schweißraten, geringere Herzfrequenzen und Körperkerntemperaturen) kann die Hitzetoleranz verbessert werden und Hitzebelastungen können leichter kompensiert werden (35–38). Hierzu werden jedoch circa 7–10 Tage benötigt (18, 37, 39, 40). Abrupte Hitzewellen (Inland) oder Klimazonenwechsel (Flugreisen) erhöhen aufgrund der fehlenden beziehungsweise unzureichenden Akklimatisation das Risiko eines Hitzezwischenfalls (e1, e9, e10).
Die Hitzetoleranz kann bei ein und derselben Person erheblich variieren: Akute Infekte und Erkrankungen, Dehydratation, Störungen im Elektrolythaushalt, Übermotivation, unzureichende Akklimatisation oder Medikamenteneinnahme begünstigen Hitzeerkrankungen (1, 15, 26, 29, 32, e11, e12). Alltagsbeobachtungen zeigen zudem, dass Hitzebelastungen unterschiedlich gut toleriert werden. Es gibt beispielsweise große individuelle Unterschiede bei der Schweißabgabe. So reagieren Kinder bei hohen klimatischen Belastungen deutlich anfälliger als Erwachsene (1, e13–e15). Ursache sind unter anderem die geringeren absoluten als auch relativen (auf die Körperoberfläche bezogenen) Schweißraten (e14, e16). Trotz geschlechtsassoziierter Unterschiede (Frauen mit vermehrtem Unterhautfettgewebe, späterem Einsetzen der Schweißsekretion, menstruationsbedingten Körperkerntemperaturänderungen und so weiter) scheint die thermische Belastbarkeit von Männern und Frauen ähnlich zu sein (1, 19, e17–e19, zur thermischen Belastbarkeit von Heranwachsenden und Frauen siehe die Übersichtsarbeiten e13, e20, e21).
Besonders Ältere (ab 75 Jahre) sind durch heiße Tage und Hitzewellen gefährdet (e22–e25). Die meisten hitzebedingten Todesfälle in Deutschland (2001–2015) traten Schätzungen zufolge 2003 (n = 7 600), 2006 (n = 6 200) und 2015 (n = 6 100) auf und betrafen insbesondere diese Altersgruppe (e22). Hauptursachen sind die höhere Prävalenz chronischer Erkrankungen wie auch die geringere physiologische Anpassungsfähigkeit in dieser Bevölkerungsgruppe (e26). So ist zum Beispiel die Hautdurchblutung im Alter geringer und die Umverteilung von Blutvolumen aus retroperitonealen Venengeflechten in das Kapillarbett der Haut vermindert (e27, e28). Zudem schwitzen ältere Menschen später und weniger als junge (e29, e30). Die genannten Veränderungen führen dazu, dass im Alter weniger Wärme über die Haut abgegeben werden kann (e31). Außerdem können Krankheiten die Thermoregulation weiter einschränken. Bei herzinsuffizienten Patienten kann beispielsweise die thermophysiologische Steigerung der Hautdurchblutung reduziert sein, da hierfür – unter Aufrechterhaltung eines adäquaten Blutdrucks – eine Erhöhung der Auswurfleistung des Herzens notwendig ist.
Hitzewellen zu Beginn der Sommersaison führen meist zu höheren Todesraten als gegen Saisonende (e32). Zu wichtigen Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit zählen hohes Alter, niedriger Sozialstatus, Suchterkrankungen, Mobilitätseinschränkungen, das Vorliegen pulmonaler, kardiovaskulärer und gerontopsychiatrischer Erkrankungen sowie chronischer Nierenerkrankungen (e33). Auch Personen, die in höheren Wohnetagen oder alleine leben, haben ein statistisch erhöhtes Risiko (e34).
Oft ist nicht bekannt, dass auch die Pharmakotherapie die Hitzeresilienz verschlechtern kann (e35). Arzneistoffe können mit mindestens fünf wichtigen Schutzmechanismen interferieren. Das Durstgefühl kann beispielsweise durch ACE-Hemmer eingeschränkt werden (e36). Opioide, Serotonin-Reuptake-Inhibitoren, Carbamazepin, Anticholinergika und Trizyklika können die zentrale Temperaturregulation beeinträchtigen (e34, e37). Eine Hypohidrose kann durch antimuskarinische Stoffe wie Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva oder Antipsychotika ausgelöst werden (e38). Sympathomimetika können über eine kutane Vasokonstriktion die Regulation der Hautdurchblutung beeinflussen (e39). Für Patienten, die mit Sedativa (zum Beispiel Benzodiazepine, Opioide) therapiert werden, ist es schwieriger, Warnsymptome frühzeitig zu erkennen, da Aufmerksamkeit und Wachheit verändert sind (e26).
Beachtet werden sollte zudem, dass Hitze über verschiedene Mechanismen die Pharmakokinetik und dadurch den Wirkspiegel (Konzentration) der Aktivsubstanz von Patienten beeinflusst (e35). Lokale Wärme kann zum Beispiel zu einer Vervielfachung des kutanen Blutflusses führen und die systemische Verfügbarkeit von transkutan verabreichten Arzneistoffen erhöhen (e40). Ähnliches gilt für subkutan verabreichte Arzneistoffe, wie zum Beispiel Insulin. Nieren- und Leberperfusion können um etwa ein Drittel abnehmen (e35). Letzteres hat Einfluss auf die Bioverfügbarkeit von oral verabreichten Substanzen mit hoher hepatischer Extraktionsrate (= Substanzen mit hohem First-Pass-Effekt), wie zum Beispiel Betablocker.
Übergewicht und eine geringe körperliche Leistungsfähigkeit vermindern die Hitzetoleranz beträchtlich (1–3, 14, 15, 19, 29). Eindrucksvolle Ergebnisse stammen von Bedno et al., die das Auftreten von Hitzeerkrankungen bei 9 455 männlichen US-Army-Rekruten während der ersten 180 Diensttage untersuchten. Dabei wurde festgestellt, dass der Fitness- und Gewichtsstatus unabhängig voneinander mit dem Auftreten einer Hitzeerkrankung assoziiert sind. Untrainierte normalgewichtige Rekruten besaßen ein 2-fach erhöhtes Risiko. Trainierte Übergewichtige hatten ein fast 4-fach höheres Risiko, untrainierte übergewichtige Rekruten ein fast 8-fach erhöhtes Risiko für einen Hitzezwischenfall (2, e41).
Körperliche Arbeit führt zu einer beträchtlichen Steigerung der Wärmeproduktion. Bei Ausbelastungen im Sport wurden Rektaltemperaturen von 41 °C berichtet (6, e42–e45). In Studien sind Untersuchungen oft vor Erreichen einer Körperkerntemperatur von 39,0 °C (16) abzubrechen. Bei Langstreckenveranstaltungen (Halb-/Marathon) können (selbst bei moderaten Temperaturen) erhebliche Flüssigkeits-/Elektrolytverluste wie auch belastungsbedingte Überhitzungen entstehen (10, 11, 36, e46). Auch in anderen Breitensportarten (zum Beispiel Tennis, Fußball) kann es zu gefährlichem Hitzestress kommen, wenn sich zum Beispiel Senioren oder Personen mit gesundheitlichen Risikofaktoren ausbelasten (e46, e47). In einigen Profisportbereichen (2019 Grand-Slam-Tennisturnier Melbourne; 2014 Fußballweltmeisterschaft in Brasilien) wurden Hitze-/Abkühlpausen eingeführt (e48–e50). Erhöhte Gefährdungen existieren in Sportarten, die mit Schutzbekleidung ausgeübt werden (Fechten, Motorsport und andere). Beim American Football kommt es jährlich zu hitzestressbedingten Todesfällen (e45, e51, e52).
In der Arbeitswelt gibt es in der Industrie vielfältige Hitzearbeitsplätze (zum Beispiel Stahl-, Glas-, Keramikproduktion). Weniger bekannt sind Hitzeexpositionen im gewerblichen Bereich, wo zusätzlich hohe Luftfeuchten die Klimabelastung verstärken (Küchen, Wäschereien, Spüleinrichtungen et cetera). Isolierende, die evaporative Entwärmung verhindernde Schutzbekleidung von Feuerwehr, Polizei, Militär, aber auch des medizinischen Personals (Barrier Nursing et cetera) führt zu Überhitzungsgefährdung, die Tragezeitbeschränkungen (e53) oder Körperkühlung (27) erfordert. Beschäftigte im Hoch-/Tiefbau oder Land-/Forstwirtschaft sind weltweit durch Hitzeerkrankungen (7, 8) und kanzerogene UV-Einwirkungen gefährdet (e54, e55).
Eine erfolgreiche Therapie des Hitzschlags, der gefährlichsten Hitzeerkrankung, kann gelingen, wenn dieser schnellstmöglich diagnostiziert und Kühlmaßnahmen vor dem Transport/Klinikeinlieferung eingeleitet werden. Zwingend erforderlich ist im Verdachtsfall die wiederholte Bestimmung der Körperkerntemperatur, vorzugsweise per Rektalmessung (e56). Zur Erfassung der mittleren Hauttemperatur ist kein klinisches Verfahren etabliert, trotzdem ist diese kontradiktorisch neben Schweißbenetzung und Hautkolorit zur Beurteilung der thermoregulatorischen Situation (Körperkern versus Körperschale) einzubeziehen. Typische Symptome von Hitzeerkrankungen sind in der Grafik aufgeführt, die Krankheitsbilder können unabhängig voneinander auftreten und sich schlagartig verschlimmern (17, e57). So kann es zum Beispiel zu einem plötzlichen Übergang von der roten (= noch vorhandene Hautdurchblutung) in die weiße Pyrexie (= Kreislaufzentralisierung) kommen. Verzögerungen bis zur rektalen Temperaturmessung dürfen im Verdachtsfall den unmittelbaren Beginn der Kühltherapie nicht hinausschieben (36, e57–e59).
Hitzeerkrankungen – eine Übersicht:
● Sonnenstich: Lang anhaltende direkte Sonneneinstrahlung meist auf den unbedeckten Kopf kann zur Überwärmung des Gehirns mit Reizung der Hirnhäute bis hin zum Hirnödem führen (e60). Der Sonnenstich ist als primär lokal begrenztes Krankheitsbild anzusehen und wird nicht unmittelbar durch einen relevanten Anstieg der Körpertemperatur verursacht (e57, e61). Je nach Ausprägung reichen die Symptome von einer Überwärmung des Kopfes mit Kopfschmerzen, Schwindel, Unruhe, Brechreiz und Meningismus bis hin zu Bewusstseinstrübung und zerebralen Krampfanfällen (e60, e62, e63).
● Hitzekrampf: Der Hitzekrampf betrifft zumeist die lokale Arbeitsmuskulatur und ist eine leichte Manifestation der Hitzeerkrankung, der auch das Hitzeödem, Hitzeausschlag und Hitzekollaps zugeordnet sind (e64). Es kommt zu schmerzhaften Muskelkontraktionen und Muskelkrämpfen während körperlicher Anstrengung; typischerweise liegt kein Wärmestau vor und die Körperkerntemperatur ist oft noch normwertig (e65). Bei laufintensiven Sportarten (zum Beispiel Fußball, Marathonlauf) treten häufig Wadenkrämpfe auf, beim Tennis kann beispielsweise die Unterarm-/Handmuskulatur betroffen sein (37, e66). Ausschlaggebend ist die Kombination aus starkem Schwitzen, Elektrolytverlust und negativer Flüssigkeitsbilanz (e67, e68). Eine unzureichende Akklimatisierung mit erhöhter Elektrolytkonzentration im Schweiß erhöht die Hitzekrampfgefahr (e69). Die Symptomatik des Hitzekrampfs mit Schwäche, Kopfschmerzen und Übelkeit kann gleichzeitig mit der Hitzeerschöpfung auftreten (40).
● Hitzekollaps: Vor allem bei längerem Stehen in heißer Umgebung besteht die Gefahr eines Hitzekollapses (e64). Durch die Hitzeeinwirkung kommt es zunächst zu Dehydratation, Blutumverteilung in periphere Kreislaufabschnitte, insbesondere zu starker Steigerung der Hautdurchblutung. Dies kann einen Blutdruckabfall, zerebrale Durchblutungsreduktion und eine Synkope auslösen (e70). Durch Flachlagerung (gegebenenfalls Hochlagerung der Beine), Öffnen der Kleidung, Transport in kühle Umgebung und gegebenenfalls Infusionen kann diese vergleichsweise leichte Gesundheitsstörung rasch beherrscht werden.
● Hitzeerschöpfung und Hitzschlag: Starkes Schwitzen und Dehydratation bei physischer Anstrengung in warmer Umgebung sind typisch für die Hitzeerschöpfung (e71). Meist liegen nur geringgradige zerebrale Symptome (zum Beispiel Schwindel) vor. Zu den Sofortmaßnahmen zählen Entwärmung (Entkleiden, Kühlen), intravenöse Flüssigkeitsgabe und Monitoring der Vitalzeichen (34). Körperkerntemperatur und zerebrale Situation müssen unbedingt beobachtet werden, da sich die Hitzeerschöpfung gelegentlich zum Hitzschlag weiterentwickelt.
Bei Körperkerntemperaturen > 40,0 °C werden Endothelzellen zunehmend geschädigt mit resultierendem Capillary Leak (e72, e73). Beim Hitzschlag ist dies Auslöser für pathophysiologische Prozesse mit systemischen Auswirkungen bis hin zum Multiorganversagen (e72–e74). Die generalisiert auftretende Endothelzellschädigung wirkt sich auf verschiedene Organsysteme aus, über systemische Entzündungsreaktionen (SIRS) kann es zum Multiorganversagen kommen (e72, e73, e75, e76). Prädisponierende Faktoren und Symptome eines anstrengungsbedingten Hitzschlags sind im Kasten und in der Grafik aufgeführt (vertiefende Informationen dazu in [15, e77–e80]).
Der sofortige Beginn effizienter Kühlmaßnahmen ist der einzige kausale Therapieansatz. Je länger eine Körperkerntemperatur von > 40 °C besteht, desto schlechter ist das zu erwartende Outcome (36, e76, e82, e83). Behandlungsziel ist die Senkung der Körperkerntemperatur auf Werte < 40 °C innerhalb von 30 Minuten („Golden Half Hour“) (e84). Eiswasserimmersion des gesamten Körpers ist die empfohlene Maßnahme mit der schnellsten Abkühlung. Diese sollte wegen des zeitkritischen Therapiebeginns schnellstmöglich durchgeführt werden, die Entfernung der Kleidung kann im eingetauchten Zustand erfolgen (e85). Andere weniger wirksame Kühlungsmöglichkeiten sind Immersion in temperiertes Wasser, Immersion des Rumpfes, Kältepackungen auf Körperstamm et cetera (e23, e79, e86–e89). Entscheidend für den Behandlungserfolg ist ein größtmöglicher Temperaturgradient zwischen Körperkern und Kühlmaßnahmen (e90). Patienten mit anstrengungsbedingtem Hitzschlag sind typischerweise junge Menschen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen. Kardiale Zwischenfälle durch Kühlungsmaßnamen sind nicht beschrieben. Bei Erreichen einer Körperkerntemperatur von 38–39 °C sind die Kühlmaßnahmen einzustellen, um ein weiteres Absinken durch das aus der Körperschale zum Körperkern zurückfließende Blut (Afterdrop-Phänomen) zu vermeiden (e91). Werden Kühlmaßnahmen verzugslos als Eiswasserimmersion angewandt, sind rein ambulante Behandlungsverläufe beschrieben (e92–e97).
Bei verzögertem Therapiebeginn oder initialer Missinterpretation steigen Morbidität und Mortalität deutlich (e83, e98). Versäumte Zeit lässt sich nicht mehr einholen. Bei stationären Notfallpatienten sollten Kühlungsmaßnahmen unter engmaschiger Kontrolle der Körperkerntemperatur bis zum Erreichen von 38–39 °C fortgesetzt werden (e23, e87, e99, e100). Klinische Verläufe – insbesondere bei verzögertem Kühlungsbeginn – erfordern oft aufgrund resultierender Multiorganinsuffizienz alle intensivmedizinischen Optionen bis hin zur Organtransplantation (e101, e102). Bei stationär behandlungspflichtigen Patienten scheinen diese auch bei primär gutem Überleben eine kürzere Lebenserwartung zu haben (e103). Eine medikamentöse Alternative zu unverzüglicher Kühlungstherapie existiert nicht. Dantrolen ist keine Option (e104). Auch Antipyretika helfen nicht, da es sich nicht um Fieber, sondern um eine durch die muskuläre Arbeit verursachte Überwärmung handelt (e105). ■
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr
Leyk@dshs-koeln.de
Originalfassung, Literatur, eKasten, eTabelle:
www.aerzteblatt.de/19m0537
„Erderwärmung und Gesundheit in Deutschland“ war auch das Titelthema des Deutschen Ärzteblattes, Heft 31–32/2019.
Zusätzlich zu diesem Beitrag sind dort noch die Originalarbeiten
● „Zukünftige Häufigkeit temperaturbedingter Herzinfarkte in der Region Augsburg – Eine Hochrechnung auf der Grundlage der Zielwerte der Pariser UN-Klimakonferenz“ (www.aerzteblatt.de/19m0521) sowie
● Assoziation von Klimafaktoren mit Wundinfektionsraten – Daten aus 17 Jahren Krankenhaus-Infektions-Surveillance“ (www.aerzteblatt.de/19m0529) nachzulesen.
Deutsche Sporthochschule Köln: Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg: Generalarzt Dr. med. Joachim Hoitz
Abteilung Geriatrie und Geriatrische Rehabilitation des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart: Prof. Dr. med. Clemens Becker
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz: Oberstabsarzt Dr. med. Kai Nestler
Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Präventionsforschung der Universität zu Köln: Prof. Dr. med. Claus Piekarski