MANAGEMENT
Betriebliches Gesundheitsmanagement: Nachhaltige Prävention als Ziel


Eine erfolgreiche betriebliche Gesundheitsförderung benötigt sowohl feste Strukturen als auch eine umfassende Strategie unter Einbindung aller Beteiligten. In vielen stationären Einrichtungen mangelt es hieran bislang jedoch. Projekte der BKKen und Ersatzrankenkassen setzten genau hier an.
Ganzheitliche Ansätze zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) sind bislang in den meisten Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Mangelware. Zwar hat jede zweite deutsche Klinik einer Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zufolge ein BGM als Unternehmensziel definiert (siehe Infokasten).
„Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist aber zum einen meist nicht strukturell verankert und beschränkt sich zum anderen oft auf einzelne gesundheitsfördernde Maßnahmen“, so Eva Vobis vom Team Gesundheit der Gesellschaft für Gesundheitsmanagement mbH, die die Initiative „Wertgeschätzt“ aufgelegt hat. Die Initiative will stationäre Einrichtungen beim Aufbau und der Umsetzung von BGM-Maßnahmen unterstützten.
Arbeitsplatzattraktivität steigern
Hinter dem Angebot stehen 27 Betriebskrankenkassen. Das DKI ist Kooperationspartner der Initiative. Die BGM-Beraterinnen und Berater vom Team Gesundheit sollen Kliniken und Pflegeeinrichtungen dazu befähigen, dauerhaft ein nachhaltiges BGM zu etablieren, um die Gesundheit aller Mitarbeiter zu fördern und zu erhalten und somit auch die Arbeitsplatzattraktivität zu steigern. „In Zeiten des Fachkräftemangels wird es zusehends wichtiger, durch eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden“, sagt Dr. PH Karl Blum, Vorstand des DKI.
Die Initiative fußt auf dem im Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG). Das PpSG verpflichtet die Krankenkassen, zusätzlich mehr als 70 Millionen Euro jährlich für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufzuwenden. Das entspricht einer Erhöhung des vorgesehenen Mindestausgabewertes von 2,15 Euro je Versicherten auf 3,15 Euro pro Versicherten. „Das Besondere an der Initiative ist, dass unsere Mitarbeiter über einen Zeitraum von zunächst einem Jahr die jeweiligen Einrichtungen kontinuierlich beraten und begleiten, im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Vobis.
Individuell seien aber Verlängerungen bis hin zu einer dauerhaften Begleitung möglich. Vobis schätzt, dass im Schnitt drei Jahre erforderlich sind, um dauerhaft funktionierende Strukturen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu etablieren. Entscheidend dabei sei, die spezifischen Herausforderungen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beim BGM zu berücksichtigen.
„Anstatt zum Beispiel Acht-Stunden-Seminare mit gesundheitsfördernden Maßnahmen anzubieten, zu denen Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen in der Regel keine Zeit oder Lust haben, kommt es hier vielmehr darauf an, vor allem zu Beginn eines BGM kurze, individuelle und kontinuierliche Impulse durch aufsuchende Maßnahmen am Arbeitsplatz zu setzen“, so Vobis. Ganz wichtig, gerade im Hinblick auf die Wertschätzung des Personals sei es auch, den Mitarbeitern zuzuhören.
Die Initiative umfasst darüber hinaus Vorträge und Seminare zu Themen wie Fit in der Wechselschicht, Förderung der individuellen Resilienz oder auch wertschätzende Führung. Ergänzt wird das Angebot durch Screenings und Gesundheitschecks.
Mit 44 Einrichtungen hat die Initiative bereits die Zusammenarbeit begonnen. „Aktuell sind wir noch in den Strategieplanungen. Ab Ende des Jahres geht es dann in die ersten konkreten Umsetzungen“, sagt Vobis. Einer der Vertragspartner der Initiative ist das Evangelische Klinikum Niederrhein mit Sitz in Duisburg. „Für uns ist das Angebot ein Geschenk“, betont Susanne Schneider, die als BGM-Koordinatorin und Personalentwicklerin im Verbund tätig ist. Denn das Thema Wertschätzung spiele im Klinikverbund eine große Rolle.
Bereits im Dezember 2018 sei im 16-köpfigen BGM-Steuerungskreis die Entscheidung gefallen, sich zur Verbesserung der betrieblichen Gesundheit externe Unterstützung ins Boot zu holen. Im Sommer dieses Jahres wurde schließlich eine entsprechende Kooperationsvereinbarung mit der Initiative „Wertgeschätzt“ unterzeichnet.
Das Angebot der BKKen soll zunächst in dem zum Verbund gehörenden Duisburger Herzzentrum und dem noch eigenständigen Partnerkrankenhaus Bethesda, ebenfalls in Duisburg, umgesetzt werden, da an diesen beiden Standorten große Veränderungen anstünden, erklärt Schneider.
In einem ersten Schritt gelte es, die betriebliche Gesundheitsförderung des Pflegepersonals auszubauen. „Das umfasst Maßnahmen wie Rückenschulung, Ernährungsberatung, Stressbewältigung, aber auch die Verbesserung des Umgangs miteinander“, betont Schneider. Hierfür sei es wichtig, auch Führungskräfte aus dem medizinischen und Verwaltungsbereich einzubinden und beispielsweise darin zu schulen, Erschöpfungszustände bei den Mitarbeitern zu erkennen und adäquat damit umzugehen. „Ein BGM, das langfristig Erfolge bringen soll, muss alle Mitarbeiter, egal welchen Alters und welcher nationalen Zugehörigkeit, umfassen“, meint Schneider.
Kostenfreies Angebot
Als großes Plus der Initiative bezeichnet sie die Tatsache, dass die Maßnahmen für die Krankenhäuser kostenfrei sind und jedem Haus ein eigener kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht. Die BGM-Koordinatorin ist davon überzeugt, dass es so deutlich schneller und besser gelingen kann, dauerhafte Strukturen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu etablieren, als wenn die Einrichtungen auf sich allein gestellt seien.
Ein vergleichbares Ziel wie die Initiative Wertschätzung verfolgt das Projekt der Ersatzkrankenkassen „Mehrwert Pflege“. Auch hier können sich Krankenhäuser und stationäre Pflegeeinrichtungen, die ein BGM für ihre Beschäftigten aufbauen und weiterentwickeln möchten, von qualifizierten BGF-Beratern und -Beraterinnen mit Unterstützung des Verbandes der Ersatzkrankenkassen (vdek) bis zu zwei Jahre kostenlos beraten und begleiten lassen. Dauer und Umfang der Zusammenarbeit richten sich nach dem Bedarf der Einrichtungen, abhängig davon, ob bereits ein BGM besteht oder die BGF erst etabliert werden muss.
Nachhaltiger Ansatz wichtig
Wie bei der Initiative Wertschätzung steht auch beim Projekt Mehrwert Pflege der ganzheitliche Ansatz im Vordergrund, angefangen von einer Ist-Analyse der Situation in der jeweiligen Einrichtung unter Berücksichtigung von zum Beispiel Mitarbeiterzufriedenheit, Personalressourcen und Belastungs-Hot-spots, über die Maßnahmenumsetzung bis hin zur Evaluierung und individuellen Begleitung der Organisationen durch ausgebildete Coaches und Trainer.
Die Einführung einer BGF im Sinne eines nachhaltigen Ansatzes benötige Zeit, so Tobias Kurfer, Sprecher des vdek. Komplexe Organisationen wie Krankenhäuser seien zudem gut beraten, erst einmal mit einzelnen Themenfeldern oder in einzelnen Abteilungen zu beginnen. „Die Erfahrungen können dann in einem nächsten Schritt gegebenenfalls auf weitere Organisationseinheiten übertragen werden“, erklärt Kurfer.
Wichtig für ein erfolgreiches betriebliches Gesundheitsmanagement sei ferner eine gesundheitsförderliche interdisziplinäre Arbeit mit allen Berufsgruppen.
Kurfer weist ferner darauf hin, dass Kliniken und stationäre Einrichtungen kostenpflichtige Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderungen nach Ende der Laufzeit des Projekts grundsätzlich auch steuerlich geltend machen können. Denn Aufwendungen von Arbeitgebern für zertifizierte Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben sind nach dem Einkommenssteuergesetz einkommenssteuerfrei. Petra Spielberg
DKI-Studie BGF
Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) hat im Juli 2018 319 Allgemeinkrankenhäuser zur Arbeitgeberattraktivität befragt. Dies sind die zentralen Ergebnisse:
- in 52 Prozent der Kliniken ist die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) von unternehmensstrategischer Relevanz
- messbare Ziele für die BGF von Mitarbeitern sind in 31 Prozent der Einrichtungen formuliert
- jeweils 57 Prozent der Krankenhäuser haben eine (projektübergreifende) Steuerungsgruppe oder ein Gremium für die BGF bzw. eine spezifische Jahresplanung
- regelmäßige Gesundheitszirkel finden in 37 Porzent der Häuser statt
- 22 Prozent der befragten Krankenhäuser gaben an, einen schriftlichen Gesundheitsbericht zu verfassen
- bei den Maßnahmen dominieren mit 87 Prozent eindeutig Sport- und Bewegungsangebote, darunter vor allem die Rückenschule
- Maßnahmen zum Umgang mit psychosozialen Arbeitsbelastungen werden deutlich seltener angeboten und dienen vor allem der individuellen Stressregulierung
- jeweils rund ein Drittel der Häuser führt Entspannungskurse oder -trainings sowie Maßnahmen zum Konfliktmanagement oder zur Stressprävention und -bewältigung durch
- 60 Prozent der Einrichtungen bieten zudem Beratung und Unterstützung zur Ernährung sowie Aufklärungs- und Informationskampagnen zu anderen lebenstilbezogenen Themen an
- die Suchtprävention ist für bis zu drei Viertel der Krankenhäuser kaum ein Thema
- Schwerpunkte bei der Verhaltensprävention sind die Kooperation und Kommunikation innerhalb und zwischen den Berufsgruppen
Quelle: BDO/DKI