PHARMA
Fortgeschrittenes Lungenkarzinom: Erweiterte Sequenztherapie


Resistenzen und Progress sind eine therapeutische Herausforderung der Behandlung von Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC). 2 kürzlich zugelassene Tyrosinkinase-Inhibitoren bieten nun neue Kombinationsmöglichkeiten.
Das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) ist eine Erkrankung mit ungünstiger Prognose: Weniger als 2 von 10 Patienten überleben 5 Jahre, im fortgeschrittenen Stadium ist das NSCLC meist nicht heilbar. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 50 000 Menschen an dieser Tumorform. Die Identifizierung von Treiber-Mutationen hat jedoch in der Vergangenheit zur Entwicklung zielgerichteter Wirkstoffe beigetragen, so etwa des Tyrosinkinase-Inhibitors (TKI) Crizotinib (Xalkori®, Pfizer) für das ROS1-positive NSCLC: Neuere Daten der noch laufenden Studie PROFILE 1001 zeigen hier ein medianes Gesamtüberleben von 51,4 Monaten (1).
TKI können aber auch die Möglichkeiten der Sequenztherapie erweitern, wie jüngst auf einer Presseveranstaltung von Pfizer deutlich wurde. Dies gilt zum Beispiel im Falle einer Mutation des EGFR-Gens, die in Europa circa 15 % der NSCLC-Fälle zugrunde liegt. Im April erhielt der Wirkstoff Dacomitinib (Vizimpro®, Pfizer) die Zulassung zur Erstlinienbehandlung dieser Patienten. Für PD Dr. med. Wilfried Eberhardt vom Universitätsklinikum Essen stellt Dacomitinib eine „neue, hocheffektive Therapieoption“ für Patienten mit einer aktivierenden EGFR-Mutation dar.
Neue Option für die Erstlinie
Eberhardt führte Ergebnisse der Phase-II-Studie ARCHER 1050 an, wonach Dacomitinib das mediane progressionsfreie Überleben gegenüber Gefitinib signifikant um 5,5 Monate verlängerte (14,7 vs. 9,2 Monate, Hazard Ratio [HR] 0,59; 95-%-Konfindenzintervall [KI] 0,47– 0,74; p < 0,0001). Zudem lebten Patienten unter Dacomitinib im Median 7,3 Monate länger als unter dem Vergleichswirkstoff – und insgesamt im Median fast 3 Jahre (34,1 versus 26,8 Monate; HR 0,760; 95-%-KI 0,582–0,993; p = 0,0438). Die Studie war Grundlage der EU-Zulassung, 452 Patienten nahmen daran teil. Sie erhielten randomisiert 45 mg Dacomitinib oder 250 mg Gefitinib täglich (2, 3).
Nebenwirkungen unter Dacomitinib seien, so Eberhardt, moderat und handhabbar: Zu diesen zählten Diarrhö (88,6 %), Ausschlag (79,2 %) und Stomatitis (71,8 %). Das Therapiemanagement mit Dacomitinib umfasst mögliche Unterbrechungen und Dosisanpassungen nach der Startdosis von 45 mg/d auf 30 mg/d oder 15 mg/d, eine solche Adaption wirkt sich laut Studie nicht auf die Wirksamkeit aus.
Eberhardt wies darauf hin, dass unter allen TKI, die derzeit für die Behandlung bei EGFR-Mutation zugelassen seien, die Erkrankung fortschreite. Die Reihenfolge, in der die EGFR-TKI gegeben würden, könne aber relevant sein: Kommt es unter Dacomitinib zu einem Progress, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine T790-Mutation die Ursache. Diese könne wiederum mit dem TKI Osimertinib behandelt werden. Auf diese Weise lasse sich die Indikation für eine Chemotherapie nach hinten schieben.
Auch beim ALK-positiven NSCLC – eine Mutationsform, die 3–7 % aller NSCLC-Fälle ausmacht – sind Resistenzen und Progress unter TKI eine therapeutische Herausforderung. Verbunden sei dies häufig mit einer ZNS-Beteiligung, wie Prof. Dr. med. Michael Thomas, Abteilung Innere Medizin-Onkologie an der Universitätsklinik Heidelberg, erklärte. Für diese Patienten, die mitunter stark vorbehandelt seien, habe es bisher wenige therapeutische Perspektiven gegeben.
Im Mai erteilte die Europäische Kommission Lorlatinib (Lorviqua®, Pfizer) eine bedingte Zulassung für den Einsatz als Monotherapie bei ALK-positiven Patienten, deren Erkrankung unter bestimmten anderen TKI, wie etwa Alectinib, fortgeschritten ist.
ALK-TKI-Resistenzen begegnen
Lorlatinib wurde speziell entwickelt, um die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und dadurch bei einer Vielzahl von Resistenzmutationen, auch der häufigen G1202R-Mutation, zu wirken.
Die Wirksamkeit des ALK-TKI wurde in einer Phase-I/II-Studie bei 139 Patienten untersucht. Bei allen Patienten war der ALK-positive NSCLC fortgeschritten, alle hatten zuvor einen oder mehrere ALK-TKI erhalten. Die Ansprechrate laut Studie lag schließlich bei 42,9 % (95-%-KI 24,5–62,8) bei Patienten, die zuvor 11 ALK-TKI erhalten hatten, und bei 53,1 % (95-%-KI 30,5–49,4) bei Patienten, die zuvor mindestens 2 erhalten hatten. Die intrakranielle Wirksamkeit lag bei 55,6 % bzw. 53,1 % (4). „Solche Ansprechraten bieten eine effektive Therapie“, urteilte Thomas. Auch das Sicherheitsprofil bewertete er als gut handhabbar, als häufigste Nebenwirkungen zählte er Hypercholesterinämie (84,4 %) und Hypertriglyceridämie (76,1 %) auf. Romy König
Quelle: Pressekonferenz „Zusätzliche Perspektiven durch neue zielgerichtete Therapien beim NSCLC – Dacomitinib und Lorlatinib erweitern Möglichkeiten der Sequenztherapie“, Frankfurt am Main, 19. Juni 2019; Veranstalter: Pfizer Deutschland GmbH
Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit4319
oder über QR-Code.
1. | Shaw A, Riely GJ, Bang Y et al.: Crizotinib in advanced ROS1-rearranged non-small cell lung cancer: Overall Survival and updated safety from PROFILE 1001. Annals of Oncology 2019; 30 (suppl_2): ii38-ii68 CrossRef |
2. | Wu YL Cheng Y, Zhou X et al.: Dacomitinib versus gefitinib as first-line treatment for patients with EGFR-mutation-positive non-small-cell lung cancer (ARCHER 1050): a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol 2017; 18 (11): 1454–66 CrossRef |
3. | Mok TS, Cheng Y, Zhou X et al.: Improvement in Overall Survival in a Randomized Study That Compared Dacomitinib With Gefitinib in Patients With Advanced Non-Small-Cell Lung Cancer and EGFR-Activating Mutations. J Clin Oncol 2018; 36 (22): 2244–50 CrossRef MEDLINE |
4. | Solomon BJ, Besse B, Bauer TM et al.: Lorlatinib in patients with ALK-positive non-small-cell lung cancer: results from a global phase 2 study. Lancet Oncol 2018; 19 (12):1654–67 CrossRef |