ArchivDeutsches Ärzteblatt44/2019Versorgungssicherung: Was tun bei einem Stromausfall im Krankenhaus

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Versorgungssicherung: Was tun bei einem Stromausfall im Krankenhaus

Höhne, Claudia; Lenz, Konstantin

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Am 19. und 20. Februar 2019 kam es in Berlin-Köpenick zu einem 31-stündigen Stromausfall, von dem auch die DRK Kliniken Berlin Köpenick betroffen waren. Diese zogen in medizinischer und technischer Hinsicht ihre Lehren aus dem Vorfall.

Im Verlauf der ersten Nacht des Stromausfalls mussten Patienten von der Intensivstation evakuiert werden. Foto: dpa
Im Verlauf der ersten Nacht des Stromausfalls mussten Patienten von der Intensivstation evakuiert werden. Foto: dpa

Der Blackout im Berliner Stadtteil Köpenick war der großflächigste und längste Stromausfall, den Berlin in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Insgesamt waren 32 000 Haushalte und 2 000 Gewerbetreibende betroffen. Verursacht wurde er durch einen Baggerfahrer, der versehentlich zwei 110-kV-Hochspannungskabel durchtrennte, die den Stadtteil mit Strom versorgten. In der Folge sahen sich auch die DRK Kliniken Berlin Köpenick plötzlich der Notwendigkeit von Evakuierungsmaßnahmen gegenüber und mussten ihre Lehren für zukünftige Ereignisse dieser Art ziehen.

Medizinische Implikationen

Innerhalb der Klinik sprang mit dem Stromausfall die Energieversorgung auf das Notstromaggregat um und alle Geräte an den Notstromsteckdosen funktionierten problemlos. Nach dem Bekanntwerden der voraussichtlichen Dauer des Ausfalls wurde die Leistung im OP auf lebensbedrohliche Notfälle reduziert und die Notfallpatienten wurden in die Zentralen Notaufnahmen der nicht betroffenen Stadtgebiete umgeleitet. Im Haus waren die Intensivstation (25 Betten) mit 17 beatmeten Patienten und die Intermediate Care Station (24 Betten) voll belegt. Unbekannt war die Anzahl an medizinisch akut versorgungspflichtigen Patientinnen und Patienten in der Umgebung, deren Lebenserhaltung von der Stromversorgung abhängig war (zum Beispiel in Beatmungseinrichtung oder Patienten mit Heimbeatmungen) und die potenziell den Weg in die Notaufnahme der DRK Klinik als nächstgelegenes Krankenhaus suchen. Sofortmaßnahmen im Krankenhaus waren die Umlagerung von Blutkonserven, Plasmakonserven und zu kühlenden Medikamenten in Kühlschränke am Notstrom, um deren Haltbarkeit zu gewährleisten. Nachdem das Notstromaggregat im Verlauf des Abends instabil zu laufen begann, wurden alle Geräte (Monitore, Perfusoren, Beatmungsgeräte) auf der Intensivstation konzentriert und der Ärztliche Leiter vom Dienst entschied gemeinsam mit der Krankenhauseinsatzleitung und dem Leitenden Notarzt der Berliner Feuerwehr, die Intensivstation zu evakuieren. Es sind mithilfe der Organisation vom Leitenden Notarzt und Einsatzkräften insbesondere der Berliner Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk (THW), der Polizei und den Hilfsorganisationen 23 Patienten verlegt worden, davon 22 mit Notarztbegleitung. Das ist in einer Stadt wie Berlin aufgrund der dortigen Kapazität möglich, in anderen Gegenden jedoch kaum realisierbar.

Nachdem die Stromversorgung in der folgenden Nacht wieder sichergestellt war, wurden mit nicht minder hohem Personalaufwand zwölf Patienten nachts auf die Intensivstation zurückverlegt, da die Berliner Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt die Transportkapazität vorhalten konnte.

Technische Implikationen

Wie sich bei der Untersuchung des Notstromaggregates nach dem Stromausfall herausstellte, war ein Relais in der Steuerelektronik defekt, was wiederum zu einem Defekt der Sensorik für Kühl- und Öltemperaturen führte, sodass die Steuerelektronik keine oder fehlerhafte Werte erhielt. Dies wiederum führte zur wiederholten Abschaltung des Aggregats. Dieser Defekt wurde jedoch nicht durch die Steuerelektronik diagnostiziert. Die fehlerhafte Steuerelektronik wurde im Nachgang ausgetauscht. Das Notstromaggregat war erst im Januar 2019 fristgerecht gewartet worden und wurde ebenso fristgerecht monatlich ohne Beanstandungen getestet. Die Überprüfung durch den sachverständigen Prüfingenieur war vorschriftsgemäß im November 2018 erfolgt.

Die Tagesmitteltemperaturen lagen an diesen beiden Tagen zwischen 6 und 7 Grad Celsius. Da auch die Fernwärmeversorgung der Gebäude durch den Stromausfall betroffen war, kühlten die Gebäude allmählich aus. Der Versuch des Fernwärmeversorgers, Heißwasser von einer mobilen Heizstation in das Wärmenetz des Krankenhauses zu pumpen, scheiterte, da der hydraulische Abgleich nicht gelang. Wäre es an diesen Tagen kühler gewesen, wäre die Situation kritischer geworden.

Die Wasserversorgung war nicht beeinträchtigt, ein längerer Stromausfall hätte allerdings zu Problemen mit dem Abwasser geführt, da die Hebeanlage vollgelaufen wäre.

Kurzfristig lief die Stromversorgung auf der Intensivstation allein auf internen Akkus, nachdem das Notstromaggregat komplett ausfiel. Die Akkulaufzeit der medizinischen Geräte ist kurz und schlecht kalkulierbar. Auch Extraakkus haben nur eine sehr begrenzte Laufzeit, sodass eine frühzeitige Evakuierung kritisch kranker Patienten sinnvoll ist. An allen Beatmungsplätzen muss ein Beatmungsbeutel verbunden mit einer Sauerstoffflasche sofort einsetzbar angeschlossen sein.

Eine Notfallsituation wie der Blackout in Köpenick ist personalintensiv, die Aktivierung von Mitarbeitenden, die in der Umgebung leben, ist aufgrund des ebenfalls ausgefallenen Mobilfunkempfangs nicht möglich. Mitarbeitende, deren Dienstzeit endet, sollten in einer solchen Situation nach Möglichkeit im Krankenhaus bleiben. Der Einsatz von BOS Funktelefonen ist empfehlenswert. Aktuelle Telefonlisten sollten papiergebunden vorgehalten werden, da nur wenige Rechner an die Notstromversorgung angeschlossen sind.

Im Nachgang bedurfte es vieler Gespräche mit Patienten auf der Intensivstation, die nicht verlegt wurden. Sie hatten den Eindruck, zurückgelassen zu werden. Außerdem bestand ein hoher Gesprächsbedarf bei den Angehörigen, dem Rechnung getragen werden musste.

Ortsnahe Wartung angestrebt

Eine Lehre hinsichtlich des Notstromaggregats ist, dass deren Wartung künftig durch eine Firma erfolgt, die Techniker und nach Möglichkeit auch Ersatzteile in räumlicher Nähe hat. Bis dato wurde die Anlage durch die Aufstellerfirma gewartet, die jedoch keine stationierten Techniker im Raum Berlin hatte, sodass kein Techniker kurzfristig herbeigerufen werden konnte.

Für die Notfallversorgung mit Fernwärmewasser muss im Dialog mit dem Wärmeversorger geklärt werden, wie im Wiederholungsfall die Wärmeversorgung bei längeren Stromausfällen sichergestellt werden kann.

Alles in allem konnte dank des unermüdlichen Einsatzes aller Mitarbeitenden der DRK Kliniken Berlin Köpenick und der Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr, dem THW und den zahlreichen Hilfsorganisationen die Versorgung der Patienten während dieses außergewöhnlich langen Stromausfalls sichergestellt werden. Prof. Dr. med. Claudia Höhne

Prof. Dr.-Ing. Konstantin Lenz

Chronologie der Ereignisse

19.02.2019

14.30 Uhr: Bei Brückenbauarbeiten werden während einer Bohrung gleichzeitig die Hauptstromleitung und das parallel dazu verlaufende Ersatzkabel beschädigt. Das krankenhauseigene Notstromaggregat übernimmt unverzüglich die Ersatzversorgung. Stromnetz Berlin schätzt ein Ende des Stromausfalls für 0 Uhr, korrigiert die Prognose jedoch wiederholt nach hinten.

18.30 Uhr: Das Notstromaggregat hat erste kurze Aussetzer.

19.30 Uhr: Es ergeht eine Anforderung an das Technische Hilfswerk (THW) zur Bereitstellung eines externen Notstromaggregates.

20.00 Uhr: Das Notstromaggregat zeigt wieder Aussetzer, es erfolgt die Entscheidung zur Evakuierung der Intensivstation.

20.30 Uhr: Das THW beginnt damit, ein externes Notstromaggregat an das klinikeigene Netz anzuschließen.

21.30 Uhr: Die Versorgung durch das interne Notstromaggregat wird immer instabiler, periphere Stationen sind ohne Beleuchtung und Monitore.

21.50 Uhr: Das interne Notstromaggregat fällt komplett aus. In den intensivmedizinischen Bereich übernehmen Batterien die Stromversorgung von lebenswichtigen Untersuchungs- und Behandlungseinrichtungen.

23.30 Uhr: Das Aggregat des THW übernimmt die Notstromversorgung auf dem Campus.

20.9.2019

4.00 Uhr: Die Verlegung der 23 intensivpflichtigen Patienten ist abgeschlossen.

21.50 Uhr: Die Stromversorgung im Stadtgebiet und damit im Krankenhaus ist vollständig wiederhergestellt.

21.09.2019

ab 1.00 Uhr: 12 der 23 Patienten werden auf die Intensivstation rückübernommen.

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