MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Kardiovaskuläre Erkrankungen: Blutdruck steigt bei Frauen im Altersverlauf schneller an als bei Männern


Frauen haben zwar über weite Phasen des Erwachsenenalters einen niedrigeren Blutdruck als Männer, der altersbedingte Anstieg ist bei ihnen jedoch ausgeprägter. Dies zeigt ein Vergleich der Blutdruckentwicklung im Erwachsenenalter von 144 599 Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus 4 großen US-Kohortenstudien. Die ermittelten Trajektorien der Blutdruckentwicklung könnten erklären, warum Frauen im Alter häufiger und an anderen kardiovaskulären Erkrankungen leiden als Männer.
Die Analyse ergab, dass Frauen Anfang 20 einen niedrigeren Blutdruck haben als Männer. Er steigt jedoch während des gesamten Erwachsenenalters stärker an als bei Männern. Beim systolischen Blutdruck „überholen“ die Frauen die Männer etwa im Alter von 60 Jahren. Beim diastolischen Blutdruck, der nach einem Anstieg im mittleren Alter im höheren Alter wieder abnimmt, gleichen sich die Werte zwischen den beiden Geschlechtern im Verlauf des Erwachsenenalters immer weiter an. Auch der mittlere arterielle Druck und der Pulsdruck steigen bei Frauen rascher an als bei Männern.
Trotz der ungünstigen Entwicklung bei den Frauen waren kardiovaskuläre Erkrankungen bei Männern auch im höheren Alter häufiger. Insgesamt erlitten 29,7 % der Männer gegenüber 20,5 % der Frauen eine kardiovaskuläre Erkrankung (HR 1,61; 95-%-KI 1,54–1,69).
Fazit: Lange Zeit ging man davon aus, dass Frauen durch das Geschlechtshormon Östrogen bis zur Menopause weitgehend vor kardiovaskulären Erkrankungen geschützt sind. Diese Hypothese diente als Rationale für die Hormonersatztherapie, bis die Women‘s Health Initiative (WHI) zeigte, dass die Östrogensubstitution eher zu einem Anstieg von kardiovaskulären Erkrankungen führt. Das Schlaganfallrisiko wurde sogar deutlich erhöht.
Inzwischen ist klar, dass nach der Menopause nicht nur ein Nachhol-effekt eintritt. Frauen erleiden auch häufiger andere kardiovaskuläre Erkrankungen als Männer. Dazu gehört ein erhöhtes Risiko für eine mikrovaskuläre Angina pectoris, bei der in der Herzkatheteruntersuchung trotz eindeutiger Beschwerden keine Verengung der Koronararterien beobachtet wird. Auch die diastolische Herzinsuffizienz ist bei Frauen häufiger als bei Männern. Die Ergebnisse der US-Analyse liefern eine mögliche Erklärung für diese Beobachtungen. Rüdiger Meyer
Ji H, Kim A, Ebinger JE, et al.: Sex differences in blood pressure trajectories over the life course. JAMA Cardiol 2010 Jan 15. doi:10.1001/jamacardio.2019.5306.
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