ArchivDeutsches Ärzteblatt PP2/2020Psychoanalyse: Eine fast unendliche Komplexität

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Psychoanalyse: Eine fast unendliche Komplexität

Moser, Tilmann

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Der Autor Frank Zwiebel ist bekannt geworden durch tief schürfende Bücher über das komplizierte Handwerk der Psychoanalytiker. Seine Sorge galt seit Jahren den Fehlern im schwierigen Verlauf von Therapie und Analysen, die er für unvermeidlich hält bei schwierigen Konstellationen des suchenden Paares hinter und auf der Couch für die Arbeit der Heilung und Erkenntnis gleichermaßen.

Nun liegt ein neues Buch vor, das ein ganz neuer Lesegenuss ist, weil es größtenteils aus Vorträgen besteht, auch bisher noch ungedruckten. Es ist das Geschenk eines neuen Stils. Neue Bemerkungen über Buddhismus kann der Leser vertiefen durch die Lektüre von Zwiebels Büchern zum Thema.

Nicht nur analytisch, sondern auch kulturell faszinierend sind seine neu versammelten, inhaltlich und auch theoretisch durchdrungenen Filmanalysen, von denen ich nur eine, nämlich die von „Wie im Himmel“ (2004) von Kay Pollack erwähne, weil der Autor spannend und mit Erfolg versucht, eine direkte Übersetzung des Streifens in die Form eines Analyseverlaufs umzudeuten. Alle Filmanalysen des Bandes sind Meisterwerke und bereichern jeden erlebnis- und vernunftbegabten Kinogänger. Zwiebel ist einer der Mitbegründer der Filmanalyse und hat viele Diskussionen in kleinen und großen Gruppen und an vielen Orten über deren Verständnis und Deutung geleitet. Sein Forscherhobby ist das Erkennen der Vielschichtigkeit der Ebenen und die Komplexität der Wirkung und Nachwirkung auf Regisseur, Publikum, speziell Patienten und deren Therapeuten, die anhand der Bilder- und Szenenfluchten sowie der Aufnahmetechniken sogar therapeutische Wirkungen an sich erleben können. Der Autor nennt Filme den „ungeträumten Traum des Zuschauers“ und natürlich auch den des Regisseurs, der sich mit seiner Arbeit eines Teils seiner Traumata entledigen kann.

Besonders hervorzuheben ist Zwiebels Nachinterpretation der vier Jahre dauernden Serie „In Treatment“, eine nachgestellte lange US-Therapie, die auch auf Deutsch vermutlich Millionen gesehen und sich ein nicht ganz korrektes Bild von Therapie oder gar Analyse gebildet haben. Er scheint viele Folgen lang durchgehalten zu haben. Ein weiteres Glanzstück des Bandes ist der Text über Supervision, der die ganze Komplexität des Mehrpersonenstücks Kontrollanalytiker, Kandidat und Patient, samt deren innerer Spaltungen aufzeigt. Tilmann Moser

Ralf Zwiebel: Die innere Couch. Psychoanalytisches Denken in Klinik und Kultur. Psychosozial-Verlag, Gießen 2019, 401 Seiten, kartoniert, 42,90 Euro

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