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Korruption: Weniger Bestechung im Gesundheitswesen


Die Einführung der Paragrafen 299 a und 299 b StGB vor drei Jahren schloss eine Regelungslücke. Seither sind auch im Gesundheitswesen Bestechlichkeit und Bestechung strafbar. Eine Bestandsaufnahme.
Seit der Einführung der Straftatbestände „Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“ ist der Beratungsbedarf rund um die Einführung der Neuregelungen gestiegen.
Zu der Frage, ob der vielfach medienwirksam vermutete „Korruptionssumpf“ in der Gesundheitswirtschaft trockengelegt wurde, gab es bereits im Jahr 2018 eine Kleine Anfrage der Oppositionspartei Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung. Unter anderem wurde die Frage nach den bisherigen Ermittlungsverfahren von der Bundesregierung dahingehend beantwortet, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2017 diese Straftaten noch nicht erfasste. Weiter ergebe die Statistik der Staatsanwaltschaften keine nach den einzelnen Straftatbeständen differenzierte Darstellung. Auch ansonsten gab es zu diesem Zeitpunkt nach der Stellungnahme der Bundesregierung keine Statistiken zu den Straftatbeständen der Korruption im Gesundheitswesen.
Straftaten bundesweit
Im weiteren Verlauf stellten niedersächsische Landtagsabgeordnete der FDP eine Anfrage an die Niedersächsische Landesregierung, um die Zahl der Ermittlungsverfahren bezüglich der Straftatbestände §§ 299 a, 299 b StGB im dortigen Bundesland zu erfragen. Die Niedersächsische Landesregierung teilte mit, dass 2017 insgesamt 21 (§ 299 a: 13; § 299 b: 8) und im Jahr 2018 insgesamt 22 (§ 299 a: 12; § 299 b: 10) Ermittlungsverfahren in Niedersachsen geführt wurden. Eine Verurteilung wegen Bestechung oder Bestechlichkeit im Gesundheitswesen hingegen sei in den Jahren 2017 und 2018 nicht erfolgt. Darüber hinaus wurden in der Antwort auch die Statistiken anderer Bundesländer mitgeteilt: In Hamburg, Thüringen, Hessen, Berlin und dem Saarland bewegen sich die Zahlen jeweils im einstelligen Bereich. Zu den Statistiken der Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Rheinland-Pfalz wurde lediglich geäußert, die Anzahl der Ermittlungsverfahren sei „gering“ gewesen.
Es wird aus dieser Antwort auf die Kleine Anfrage deutlich, dass über die Hälfte der bisherigen Verfahren in Niedersachsen geführt wurden. Woran das liegt, lässt sich nur mutmaßen, da mittlerweile auch in anderen Bundesländern auf das Gesundheitswesen spezialisierte Ermittlungsgruppen tätig sind. Da allerdings weiterhin keine umfassenden Statistiken vorliegen, kann diese Annahme auch nicht final bestätigt werden.
Das 2019 durch das Bundeskriminalamt veröffentlichte „Bundeslagebild 2018“ zeigt die Statistik der geführten Ermittlungsverfahren für die gesamte Bundesrepublik:
- Straftaten nach § 299 a StGB: 62 (2017) beziehungsweise 40 (2018)
- Straftaten nach § 299 b StGB: 66 (2017) beziehungsweise 29 (2018)
Aus dieser Auswertung ergibt sich ein Rückgang der Ermittlungsverfahren gegen Angehörige von Heilberufen binnen eines Jahres um circa ein Drittel. Zu beachten ist bei beiden genannten Statistiken, dass diese jeweils nur die Ermittlungsverfahren erfassen. Ein Ermittlungsverfahren wird bereits dann eröffnet (und muss eröffnet werden), wenn ein Anfangsverdacht besteht. Dieser liegt dann vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Diese Schwelle ist denkbar niedrig.
Bislang keine Anklage
Eine Anklage hingegen erfolgt erst, wenn auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist, also nach der Einschätzung der Staatsanwaltschaft mit mehr als 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung des Angeschuldigten ausgegangen wird. Ob dies bereits der Fall war, kann nicht gesagt werden; jedenfalls auf Grundlage der vorliegenden Informationen kam es bisher zu keiner Anklage. Eine gerichtliche Verurteilung wiederum erfolgt erst dann, wenn „vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten ist“, das heißt, die entsprechende Tat im förmlichen Gerichtsverfahren nachgewiesen wird. Dies ist soweit ersichtlich ebenfalls bisher nicht aktenkundig.
Dennoch sind die neuen Straftatbestände in der Rechtsprechung nicht unberücksichtigt geblieben. Sichtet man die jüngeren Entscheidungen im Hinblick auf die §§ 299 a, 299 b StGB, stellt sich heraus, dass bislang nur die Arbeits- und Zivilgerichte mit den strafrechtlichen Normen der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen beschäftigt waren – wenn auch nur am Rande. Zu beachten ist bei zivilrechtlichen Urteilen im Gegensatz zu strafrechtlichen, dass das Gericht den Sachverhalt grundsätzlich von sich aus nicht ausforschen muss; es ist nur an den Prozessstoff gebunden, den die Parteien vortragen. Wenn also eine Entscheidung durch ein Zivilgericht besagt, dass eine Strafbarkeit gemäß §§ 299 a und/oder 299 b StGB nicht ersichtlich ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass dies auch von einem Strafgericht ebenso bewertet wird.
Die Straftatbestände fanden sich in mehreren Urteilen der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit wieder(so zum Beispiel in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen: LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.03.2017, Az. 1 SaGa 4/17; ArbG München, Urt. v. 04.01.2018, Az. 2 Ca 8553/17; oder aber in einem Urteil zu einem geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter fristloser Kündigung: LG Augsburg, Urt. v. 25.09.2018, Az. 22 O 2736/17). Den veröffentlichten Urteilen ist gemein, dass jeweils „nebenbefundlich“ der Verdacht der Strafbarkeit gemäß §§ 299 a, 299 b StGB geäußert beziehungsweise auf diese Tatbestände verwiesen wurde. Die Gerichte haben indes allesamt das Vorliegen beziehungsweise den Verdacht einer entsprechenden Strafbarkeit abgelehnt, sei es auch nur, weil die Tatsachen hierzu nicht substanziiert vorgetragen wurden oder der maßgebliche Zeitpunkt vor Einführung der §§ 299 a und 299 b StGB lag. Originäre Strafurteile sind bislang nicht veröffentlicht.
Es lässt sich daher festhalten: Die große Welle an Ermittlungsverfahren gegen Ärztinnen und Ärzte ist bis dato ausgeblieben, rechtskräftige Entscheidungen der Strafjustiz sind bisher nicht ergangen. Die diversen Rechtsfragen zu den neuen Straftatbeständen harren damit weiterhin einer Praxisbewertung. Das bedeutet jedoch nicht, dass generelle „Entwarnung“ gegeben werden kann. Aufgrund der weithin bekannten Überlastung der Ermittlungsbehörden ist ein zeitlicher Rückstau von mehreren Jahren nach Gesetzesreformen nicht ungewöhnlich.
Vorsicht bei Kooperationen
Weiterhin ist somit Vorsicht bei Kooperationen beziehungsweise der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen geboten, dies gilt vor allem aus strafrechtlicher Sicht. Aber auch die Auswirkungen auf weitere Rechtsgebiete, hier zuvörderst das Arbeitsrecht, sind nicht aus dem Blick zu verlieren: Eine Kündigung sollte nicht vorschnell auf die Annahme einer Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung im Gesundheitswesen gestützt werden. Ebenso sollten Kooperationsverträge und -vereinbarungen vor einer Umsetzung weiterhin kritisch bewertet werden. Regelmäßig ist eine unabhängige rechtliche Bewertung durch einen Rechtsanwalt einzuholen, der sich mit den besonderen Gegebenheiten im Gesundheitssystem auskennt.
Prof. Dr. jur. Bernd Halbe
Fachanwalt für Medizinrecht
www.medizin-recht.com
Fallbeispiel
In einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Urteil vom 7. Dezember 2018, Az.: 6 U 95/18) mit der Frage auseinandersetzen, ob gegen die §§ 299 a und/oder 299 b StGB verstoßen wurde. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Abgabe „unentgeltlicher Serviceartikel“ bei der Bestellung von Impfstoffen auch im Hinblick auf die §§ 299 a und 299 b StGB relevant sei. Konkret ging es darum, dass eine Apotheke anbot, bei einer Order von 100 Impfdosen zusätzlich „Serviceartikel“ im Wert von 0,8 Prozent des Bestellwertes unentgeltlich mitzubestellen; bei diesen Serviceartikeln handelte es sich um 200 Kanülen unterschiedlicher Größe, 100 Injektionspflaster, Alkoholtupfer und einen Kanülensammler. Die Wettbewerbszentrale hat neben einem Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Schutzvorschriften auch einen Verstoß gegen die §§ 299 a und 299 b StGB festgestellt. Das OLG Köln hat in seinem Urteil recht knapp dargestellt, dass eine Strafbarkeit des angeklagten Apothekers gemäß § 299 a StGB schon von vorneherein ausscheiden muss, da er nicht zum Täterkreis gehört; eine Strafbarkeit gemäß § 299 b StGB sei ebenfalls nach dem Parteivortrag nicht ersichtlich, da hierfür zumindest eine Gegenleistung für eine künftige Bevorzugung angenommen, versprochen oder gewährt werden und dies vom Täter (also hier vermeintlich dem Apotheker) gewollt sein muss. Es muss eine „Unrechtsvereinbarung“ vorliegen oder zumindest gewollt sein. Hierfür seien Anhaltspunkte weder „schlüssig dargetan noch ersichtlich“.
Weitere Praxisbeispiele und Informationen zum Anti-Korruptionsgesetz finden sich in der Broschüre „Richtig kooperieren“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
http://daebl.de/VM27