SUPPLEMENT: Perspektiven der Onkologie
Bewegung bei Krebserkrankungen: Inaktivität vermeiden


Internationale Experten sichteten die veröffentlichten Forschungsergebnisse und erstellten anwendungsbezogene Trainingsempfehlungen für Krebspatienten.
Auch wenn Krebspatienten ihre Erkrankung überstanden haben, können die Therapien unerwünschte Langzeitfolgen hinterlassen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Betroffene von einer gezielten Bewegungstherapie vor, während und nach onkologischer Behandlung profitieren können, um ihre Fitness zu verbessern, körperliche Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern. Ein internationales Konsortium unter Beteiligung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg hat nun alle verfügbaren Daten zur Wirksamkeit von Sport und Bewegung bei Krebs ausgewertet und weltweite Empfehlungen für Betroffene veröffentlicht. Landesspezifische Vertreter sollen jetzt flächendeckend Bewegungsangebote in die Krebsnachsorge integrieren.
Moderne diagnostische und therapeutische Verfahren in der Onkologie haben es möglich gemacht, dass die Heilungsraten in den letzten Jahren stark angestiegen sind. So leben allein in Deutschland rund 4 Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben. Oft hinterlässt die Erkrankung aber Spuren, die den Alltag der Betroffenen beeinträchtigen können. Besonders häufig leiden Krebsüberlebende unter Erschöpfung, Schmerzen, Schlafstörungen, Ängsten, Sorgen, Bewegungseinschränkungen und Polyneuropathie.
Studien haben gezeigt, dass gezielte Bewegungstherapie die physischen, psychischen und psychosozialen Einschränkungen onkologischer Patienten in der Nachsorge positiv beeinflussen kann. „Trotz dieser positiven Erkenntnisse sind Bewegungsangebote für Krebspatienten in der Nachsorge noch längst nicht überall in Deutschland vorhanden und auch in den Leitlinien zur Nachsorge einzelner Krebsarten nur unzureichend verankert“, berichtet Joachim Wiskemann, Sportwissenschaftler und Leiter der Arbeitsgruppe Onkologische Sport- und Bewegungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD).
Um das zu ändern, trafen sich internationale Experten zum „International Multidisciplinary Roundtable on Exercise and Cancer Prevention and Control“, organisiert vom American College of Sports Medicine (ACSM). Während der zweitägigen Veranstaltung ging es darum, die Bewegungsempfehlungen für Krebsüberlebende basierend auf jüngsten Forschungsergebnissen zu überarbeiten. Als Vertreter für Deutschland war Joachim Wiskemann vom NCT Heidelberg/UKHD Teil der Expertenkommission. Die gewonnenen Erkenntnisse veröffentlichten die internationalen Autoren in einem Bericht und erstellten anwendungsbezogene Trainingsempfehlungen. Landesspezifische Vertreter des internationalen Expertengremiums haben nun die Aufgabe, diese Empfehlungen in ihrem jeweiligen Land in die klinische Anwendung zu bringen.
In ihren Auswertungen kamen die Experten zu dem Schluss, dass körperliches Training und notwendige körperliche Tests für Krebsüberlebende sicher sind und dass jeder Betroffene Inaktivität vermeiden sollte. Darüber hinaus erstellten die Wissenschaftler und Ärzte eine Liste von krebsbezogenen Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Angstzuständen, depressiven Symptomen, Müdigkeit, verringerter körperlicher Leistungsfähigkeit, Lymphödemen und verringerter Lebensqualität, bei denen Bewegung mit hoher klinischer Relevanz einen therapeutischen Nutzen für den Patienten darstellt. Dabei geben sie klare Empfehlungen für einzelne Krebsarten und für die jeweilige Bewegungsintervention, differenziert nach Ausdauer- und/oder Krafttraining, Intensität, Dauer und Frequenz der Trainingseinheiten (Tabelle).
„Bei krebsbedingten Beschwerden, die die Knochendichte oder den Schlaf betreffen, gibt es Hinweise, dass ein körperliches Training die Symptome mildern kann. Wir können jedoch noch keine detaillierten Trainingsempfehlungen auf der aktuellen wissenschaftlichen Grundlage geben. Ebenso begrenzt ist das Wissen noch zu kardiotoxischen Nebenwirkungen der Krebsbehandlung wie beispielsweise Herzinsuffizienz, zu Polyneuropathie, Schmerzen oder Übelkeit. Hier müssen noch weitere Forschungsarbeiten folgen, die die Wirksamkeit von Bewegungstherapie prüfen“, sagt Wiskemann. ▄
DOI:10.3238/PersOnko.2020.03.13.06
Dr. Friederike Fellenberg
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg
Quelle: Campbell KL, Winters-Stone K, Wiskemann J, et al.: Exercise Guidelines for Cancer Survivors. Med Sci Sports Exerc 2019; 51 (11): 2375–90.