

Das Spektrum psychischer Erkrankungen veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte. Umstritten ist, ob es in den westlichen Industriegesellschaften eine Zunahme von Depressionen gibt oder ob nur die diagnostische Erfassung intensiviert wurde. Beobachtet wird in den letzten Jahrzehnten jedenfalls eine qualitative Veränderung der Depression, ein Formenwechsel: Neben der melancholischen Depression mit ausgeprägten Schuldgefühlen zeigt sich zunehmend eine „neuartige“ Depressionsform, die „narzisstische Depression“ mit den Gefühlen der Scham, Minderwertigkeit, Leere und Langeweile, verbunden mit einer starken affektiven Reagibilität. Schuldgefühle werden dabei nicht beobachtet.
Dem vorliegenden Buch liegt die Dissertation des Autors zugrunde, die zunächst das Verhältnis zwischen Narzissmus und Depression untersucht, und zwar sowohl aus der Sicht der Psychoanalyse als auch der Psychiatrie. Das führt zur Beschreibung und Auseinandersetzung mit den Theorien und Konzepten der narzisstischen Depression. Jeweils ein Kapitel widmet der Autor auch Hugo Bleichmar, Heinz Kohut und Otto Kernberg. Kohut und Kernberg haben den Terminus „narzisstische Depression“ zwar nicht ausdrücklich verwendet, jedoch durch ihre Arbeit in hohem Maße zum Verständnis dieser Krankheit beigetragen.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis ergänzt die lesenswerte Darstellung einer komplexen, aktuellen und wichtigen Thematik. Das Buch kann Psychotherapeuten aller Therapierichtungen empfohlen werden. Ingrid Barley
Lukas Zabel: Narzisstische Depression. Theorien und Konzepte in Psychiatrie und Psychoanalyse, Buchreihe: Bibliothek der Psychoanalyse. Psychosozial-Verlag, Gießen 2019, 146 Seiten, kartoniert, 19,90 Euro