ArchivDeutsches Ärzteblatt11/2020Pflegeversicherung: Pflegebedürftige sollen entlastet werden

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Pflegeversicherung: Pflegebedürftige sollen entlastet werden

Osterloh, Falk

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Weil die Zuzahlungen für Pflegeheimbewohner seit Jahren steigen, ist ein Drittel der Bewohner heute auf Sozialhilfe angewiesen. Um dies zu ändern, will die Bundesregierung noch in diesem Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen.

Foto: Friso Gentsch/picture alliance
Foto: Friso Gentsch/picture alliance

Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird die Bundesregierung eine Reform der Pflegeversicherung auf den Weg bringen. Das erklärte die Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, anlässlich der Fachkonferenz „Pflege solidarisch gestalten“ Anfang März in Berlin. Dabei werde es insbesondere um eine Neuordnung der Finanzierung gehen sowie um eine bedarfsorientierte Personalausstattung in Pflegeheimen und um eine Stärkung der Kurzzeitpflege.

Bei der Umgestaltung der Finanzierung schlägt die SPD einen sogenannten Sockel-Spitze-Tausch vor. Dabei sind die Eigenanteile der Pflegebedürftigen gedeckelt, während die darüber hinaus anfallenden Kosten durch die Pflegeversicherung getragen werden. Heute werden Kostensteigerungen allein von den Pflegebedürftigen bezahlt.

Die amtierende Gesundheitssenatorin von Hamburg, Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), erwartet steigende Kosten in der Pflegeversicherung. „Ich gehe von mindestens fünf Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr für die Pflege aus“, sagte sie im Vorfeld der Konferenz. Diese Mehrausgaben entstünden unter anderem infolge einer künftigen höheren Vergütung in der Pflege sowie einer zu erwartenden höheren Zahl an Pflegekräften. Dass diese Mehrausgaben allein von den Pflegebedürftigen bezahlt werden, sei nicht mehr hinnehmbar. Denn schon heute sei ein Drittel der Pflegeheimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen.

Zu den Mehrkosten zählt Prüfer-Storcks zufolge auch eine höhere Vergütung in der Altenpflege: „Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten drei Jahren die heute bestehende Lohnlücke zwischen der Kranken- und der Altenpflege in Höhe von durchschnittlich 500 Euro pro Monat schließen müssen. Denn in drei Jahren werden die ersten generalistisch ausgebildeten Pflegekräfte auf den Markt kommen. Dann müssen Altenpfleger genauso viel verdienen wie Krankenpfleger.“

Konkret soll nach dem Willen der SPD eine Obergrenze für die Eigenanteile der Pflegebedürftigen eingeführt werden. Zudem soll die Pflegeversicherung durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt unterstützt und die Kosten der medizinischen Behandlungspflege in den Pflegeeinrichtungen aus der Krankenversicherung bezahlt werden.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor Kurzem eine Reform der Pflegeversicherung angekündigt. Bis zur Jahresmitte wolle das Bundesgesundheitsministerium dafür einen Vorschlag vorlegen, der „zu einem fairen Ausgleich“ zwischen dem führen soll, was die Pflegeversicherung von den zusätzlichen Kosten übernehme und was in der Verantwortung der Familien verbleiben könne. Dabei gehe es eher um einen Milliardenbetrag als um mehrere Hundert Millionen Euro, sagte Spahn.

Baehrens zufolge sollen in das Gesetz auch Erkenntnisse aus dem Gutachten von Prof. Dr. Heinz Rothgang aufgenommen werden, der mit seinem Team vor Kurzem errechnet hatte, dass in der Altenpflege über 100 000 Pflegekräfte fehlen, insbesondere Pflegehilfskräfte. In einem Heim mit 100 Bewohnern müssten diese demnach künftig von 55 statt wie bisher von 40 Pflegekräften betreut werden.

Rothgang empfahl, die neue Bedarfsbemessung zunächst in einer begrenzten Zahl von Pflegeheimen zu erproben. Ziel der Umsetzung sei es, dass mehr Personal zu einer guten Pflege im Heim führe und dass die Pflegekräfte an ihrem Arbeitsplatz zufriedener seien.

Auch die Kurzzeitpflege solle mit dem neuen Gesetz gestärkt werden, erklärte Baehrens. Im Dezember 2019 hatten die Koalitionsfraktionen einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Die Regierung solle sicherstellen, dass Länder, Kommunen, Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen die Kurzzeitpflege ausbauen und langfristig absichern, heißt es darin. Dafür soll der gesetzliche Auftrag an die Pflegeselbstverwaltung konkretisiert und eine auskömmliche Vergütung sichergestellt werden. Nur so sei der Anspruch auf Kurzzeitpflege zu verwirklichen. Falk Osterloh

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